Vorab: Ich bin ein kritischer Leser und in den meisten Geschichten habe ich Dinge gefunden, die mich stören. Es gab aber kaum eine Geschichte, auf die ich gerne ganz verzichtet hätte. Also verzeiht mir bitte, wenn das Lob zu kurz kommt und die Kritik evtl. zu scharf ist. Oder gar unberechtigt, weil ich evtl. zu blöd war, Eure Geschichte zu verstehen.
Los geht´s:
Skikurs
Die Erzählung ist sehr nüchtern, springt immer von aktiver zu passiver Schreibweise und ist voller sogenannter „schwacher“ Verben. Ausserdem ist mir nicht klar, auf was die Geschichte letztendlich hinführen soll. Viele mögliche Enden wurden im Erzählfluss verpasst: der „Pipikram“ als Ursache, die Moral, das Happy End…
Insgesamt wirkt die Story leblos.
Chaos
Schönes, rundes Gedicht. Kleine Ursachen, große Wirkung. Zum Glück hat der Sack Reis in China nicht dazu geführt, dass der Autor dieses Gedicht nicht hätte schreiben können.
Lilly
Eine Schutzengelgeschichte. Schön geschrieben, hatte kurz Gänsehaut. Was Besseres hätte der Autor mit einer derartigen Geschichte nicht erreichen können.
Ich liebe das Leben
Schon klar: man liebt die vielen kleinen Dinge, die das Leben wirklich lebenswert und die Lieben wirklich liebenswert machen. Aber in dieser Aufzählungsform wirkt es auf mich uninteressant. Wenn die Aufzählung wenigstens zu einer Steigerung oder einer Wendung geführt hätte. So ist und bleibt es leider einfach eine Aufzählung. Schade.
KREATION 3.0
Der erste Absatz ist unnötig lang, hätte man mehr zusammenfassen können. Felsen können evtl. formiert werden, aber nicht formatiert. Und schon gar nicht durch sich selbst. Insgesamt wirkt die Sprache bemüht opulent.
Ansonsten finde ich die Geschichte durchaus raffiniert, weil sie bewusst etwas in der Schöpfungsgeschichte weglässt…
Abschalten
Leider zu kurz, um als Geschichte ernst genommen zu werden. Warum so reduziert? Hätte interessant werden können.
Zu spät
Noch eine Schutzengelgeschichte. Wobei Rainer sich den Schutzengel schöngesoffen hat. Solide geschrieben, packt mich aber irgendwie nicht.
Die Weisheit der Banane
Die erste Hälfte liest sich interessant, die zweite Hälfte steuert mir zu konstruiert auf die „Moral der Geschicht´“ zu. Die Pointe verblasst durch Umschweifigkeit. Kürzer, knapper, Blick auf Banane, dann Lachen, fertig.
Ein ganz besonderer Tag
Okay, im Hochzeitsstress verunglückt und bei ihrer eigenen Beerdigung zusehend, werden ständig Vergangenheit und Gegenwart vermischt. Diese Zeitsprünge haben mich immer wieder aus dem Lesefluss gerissen, weil sie teilweise nicht sofort als Solche erkennbar waren. Erst habe ich Logikfehler vermutet, bis ich die zarte Andeutung des zu schnellen Fahrens entdeckt habe. Insgesamt verliert sich die Geschichte ein wenig in der Irreführung des Lesers.
Flügelschlag
Sehr gelungene Geschichte. Die Sprache gefällt mir. Ich nehme an, dass hier auch intensive Textarbeit geleistet wurde. Auch schön, dass die Kleinigkeit des Flügelschlages keine Katastrophe hinaufbeschworen hat, sondern das Gegenteil. Ein männlicher Autor hätte alles in Schutt und Asche gelegt…
Freiheit
Die Gegensätze zwischen der hektischen Stadt und dem idyllischen Rückblick hätten noch stärker sein können. Z.B. könnte man noch den Geruchssinn des Lesers ansprechen. Auch das Gewusel auf der Straße hätte durchgängig hektisch sein können, statt noch ein paar Schaufensterbummler oder Wartende an der Ampel zu erwähnen. Das würde die Freiheit nicht so sehr auf die Freiheit des Laufens beschränken.
Schön aber, dass die Freundin bei ihm geblieben ist…
Summe
Ein ganzes Leben voller Verben. Allerdings verwaschen sich die Lebensabschnitte. Am Anfang noch klar abgegrenzt, wird es schwieriger, den einzelnen Abschnitten ihre eindeutigen Verben zuzuordnen. Am Ende wird´s dann wieder leicht. Vielleicht sind es einfach zu viele Verben. Dass mir diese – zumindest geordnete – Aufzählungsform nicht gefällt, ist wahrscheinlich einfach Geschmackssache.
Mitgehangen
Eine Krebszelle erzählt aus seinem Leben? Ist mir leider zu sehr an der Wirklichkeit vorbei, rein faktisch. Gliedmaßen, die nach ihm ausgestreckt werden, Mal mit den Kumpels weggehen? Wohin zieht eine Krebszelle weiter? Ein Virus vielleicht, aber der wird nicht mit einem Skalpell rausgeschnitten. Sorry, aber so gefällt mir das nicht. Oder ich bin völlig auf´m Holzweg…
Alles selbstverständlich
Wieder eine Aufzählung. Und von Anfang an durchschaubar mit dem erwartet bitteren Ende. Mit einer unzulässigen Frage am Schluss.
Nathalie
Irgendwie wirkt das Persönlichkeitsprofil von Nathalie nicht stimmig auf mich. Schuldgefühle wegen falsch rausgelegten Klamotten oder ungenießbaren Spiegeleiern aber kein Zeichen jeglicher Emotion wegen der Tötung ihres Mannes. Wenn der Vater so toll ist, warum redet sie dann vom „Reinigen der Küche“, vom „Dreck wegmachen“? Passt alles irgendwie nicht.
Familienbande
Ich musste schmunzeln. Was gibt es Schöneres, was gibt es Schlimmeres, als Familienfeste? Ich persönlich stehe ja eher auf den stillen Geburtstag, der Kulturschock für Franziska muss allerdings sehr groß gewesen sein. Einzig ein Anzeichen irgendeiner Gefühlsregung bei Franziska hat mir gefehlt. Wie fand sie es, alleine zu sein. War es schlimm? Wer hat ihr gefehlt? Ist es eine schöne Überraschung?
Leo
Sehr überraschend, ohne verkrampft auf die Überraschung hinzuarbeiten. Den Vampirverweis hätte man sich vielleicht verkneifen können. War aber wohl dem Schreibwettbewerb geschuldet. Wenigstens hieß er nicht Hartmut.
Hat mir gut gefallen.
Nachtrag: Ich hatte insgesamt 4 favorisierte Geschichten. Platz 4 ist bei mir Chaos geworden. Sorry. Möglicherweise war´s die Tageslaune, aber die Plätze 2-4 waren für mich alle gleich gut. Nur Platz 1 hat sich für mich wirklich von den anderen Geschichten abgehoben.