Beiträge von Lipperin

    Entschuldigung, beinahe vergessen:


    Zitat

    Original von SiCollier
    ... „Grundthema“ ist. Ich muß immer wieder auf diesem Begriff herumhacken, weil ich beim Lesen dieses Buches festgestellt habe, daß es für mich anscheinend ein gewisses Problem ist, so gar keine Vorstellung davon zu haben, worauf (handlungs- wie themenmäßig) ein Buch hinauslaufen wird.


    Für mich:
    Bin ich Sklave meines Schicksals oder bestimmt mein freier Wille meinen Weg?

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    Original von Clare


    Ich lese die gleiche Übersetzung wie du. An der von dir genannten Stelle hatte ich auch einen Klebezettel im Buch.
    Ich denke auch, dass sich Collins diese leichte Zurechtweisung nicht sparen konnte. Midwinter ist wirklich anders, offensichtlich anders, und er versucht es auch gar nicht zu verstecken. Vielleicht weil er es selber gar nicht als "anders" empfindet. Andererseits wird er oft genug in seiner schweren Jugend deutlich als Außenseiter behandelt worden sein und nicht unerheblich darunter gelitten haben. Hat ihn das stark gemacht, so dass er der Missbilligung der Masse standhalten kann? Ich möchte gerne, dass es so ist, dass er über den Vorurteilen der Anderen stehen kann.


    Zudem kommt ja noch diese Kleinigkeit hinzu, über die wir wenige Worte verloren haben, auch Collins lässt sie ja nur zwei-, dreimal aufblitzen: Midwinter ist Mulatte, schon aus diesem Grunde wird er Ausgrenzung erfahren haben. Wäre er der Sohn eines hohen Adeligen oder unermesslich reich, würde die britische Gesellschaft sich leichter getan haben, ihn aufzunehmen, er hätte dann eben als Egozentriker gegolten. Es ist eigentlich schade, dass Collins diesem Weg nicht durchgehend gefolgt ist, aber er hat sich vielleicht doch ein wenig zu viel aufgebürdet.

    Zitat

    Original von SiCollier




    Jetzt hoffe ich nur, daß Du nicht den „falschen jungen Herrn“ aus „Stolz und Vorurteil“ meinst. Auf einem meiner Notizzettel fand sich der Name „Mr Collins“ :chen


    Mr. Collins hat für mich etwas allzu Egoistisches an sich, als dass er sich mit Allen "messen" könnte. Nein, meine Gedanken gingen eher in Richtung des zauberhaften Herrn, der die älteste Bennett-Tochter heiratet.

    Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Mit Schuld und Sühne ist das so eine Sache. Was ist Sühne überhaupt? Wiedergutmachung? Rache? Buße? Es könnte alles sein. Für mich ist alles - bis vielleicht Wiedergutmachung - an Schuld geknüpft. Wenn wir uns auf das Strafrecht beschränken wollen: Voraussetzung ist wenigstens Fahrlässigkeit. Und Schuldfähigkeit, über die könnten wir auch diskutieren.
    Wie kann ich an etwas schuldig werden, dass sich meinem Einfluss entzieht? Trotzdem kann ich das Bedürfnis haben, den Schaden zu begrenzen, wiedergutzumachen. Das ist für mich aber etwas anderes als Sühne.


    Schuld und Sühne sind zwei Begriffe, die ich nicht beschränken kann. Sie haben immer nicht nur eine rechtliche Seite, sondern auch eine moralische, ethische, abgesehen davon für mich auch eine theologische. Über die Letztere werde ich hier kein Wort verlieren, auch wenn sie für mich einen breiten Raum einnimmt.


    Worauf es mir ankommt, kann ich vielleicht an einem Beispiel verdeutlichen, das ich ohne Namensnennung vornehme, weil für Leser, die noch nicht so weit sind, es nicht eine wie auch immer geartete Überraschung geben soll:
    Es möchte wohl die Situation auftreten, in der man über einen Begriff reden könnte, den unser heutiges Strafrecht kennt, nach meiner Vermutung aber nicht das damalige im Vereinigten Königreich, nämlich das des strafbefreienden Rücktritts (§ 24 Strafgesetzbuch). Nimmt man zugunsten der Person, die dies betrifft, dies an, ist die strafrechtliche Seite erledigt. Ist aber damit die Schuld aus der Welt (jetzt mal ganz abgesehen davon, dass man trotzdem immer noch mit einem weiteren Begriff aus dem Strafrecht argumentieren könnte/würde)? Ist, weil die Schuld nur rein rechtlich aus der Welt ist, auch keine Sühne nötig oder möglich? Das glaube ich eben nicht: Die Person hat, ob nun strafbewehrt oder nicht, schwere Schuld auf sich geladen, die immer ein Teil ihrer selbst sein wird. Ihre Sühne liegt für mich weniger, trotzdem aber auch in dem, was sie im Anschluss der Ausführung ihrer Tat tut, sondern in dem, was in ihrem Inneren, in ihrem Gewissen vorgeht (und ich werde mich weigern, die Hoffnung daran aufzugeben, dass die Menschheit sich nicht nur daran erinnert, dass sie ein solches hat, sondern es auch einsetzt, obwohl zugegebenermaßen die Enttäuschungen größer werden). Ihre – tätige – Reue ist Teil dieser Sühne, Scham über Plan und/oder Tat ebenso (und ich meine damit nicht die eventuelle Scham darüber, dass der Plan nicht gelingen könnte). Von dieser Person nehme ich an, dass, egal welches noch zu erreichende Alter Collins ihr zubilligen würde, sie das Ausmaß ihrer Schuld nicht vergessen wird – auch damit sühnt sie, denn in den Momenten, in denen sie sich mit ihrem Plan, ihrem Tun auseinandersetzt, ist sie wieder in ihrer Schuld verhaftet, ist sie nicht frei. Das bedeutet nicht, dass die Person für den Rest ihres Lebens gramgebeugt ist: Die Person muss sich innerlich mit ihrer Tat auseinandersetzen, wenn sie „zur Ruhe kommen will“, sie muss letztlich an einen Punkt kommen, an dem sie sich selbst verzeihen kann (was das in Bezug auf die Vergebung, das Verzeihen des Gegenübers, dem ihr Plan galt, bedeutet, lasse ich jetzt einmal außen vor). Dann hat sie für mich ihre Schuld letztlich gesühnt.
    Das ist nur ein Einzelbeispiel aus dem konkreten Fall des Buches, aber vielleicht zeigt er auf, auf was es mir ankommt. Und von denen, die an der Person schuldig wurden in der Weise, dass sie – die Person – allein in neuer Schuld einen (Aus)Weg sah, wäre ja im Zweifel auch noch zu sprechen.


    Edit möchte noch anfügen, dass ich mir bewusst bin, dass solches Denken als nicht sonderlich modern gilt. Und dass dieses Denken nicht bedeutet, dass man Sekunde für Sekunde darüber nachzudenken hat, welcher Schuld resp. Sühne man sich gerade zu widmen hat.

    Zitat

    Original von SiCollier


    Was meinst Du? Meine Ausgabe hat so ganz andere Seitenzahlen, so geht in meinem Buch dieser Abschnitt von Seite 205 - 252.


    Ups, da hab ich zudem eine Zahl falsch angegeben, gemeint habe ich natürlich Seite 342. Es geht um Midwinter, der sich wieder auf Wanderschaft begibt und für einen Hund ein Steak gekauft hat und es diesem verfüttert. Der Metzger bezeichnet das Stück Fleisch als "Gottesgabe", "ein Sonntagsessen für einen Christenmenschen", außerdem solle "dieser Mr. Midwinter ... mal ordentlich hungern müssen". Wir als Leser wissen natürlich Bescheid über Midwinter, aber Collins schreibt noch: "Soweit das Urteil der Kleinbürger über den im Regen verschwundenen Midwinter. Naturen wie die seine werden vom Kleinbürgerstandpunkt aus nie anders beurteilt, solange die Welt besteht". Mir stehen dann natürlich sofort die "Moralprediger" und "Scheinheiligen" aus dem Vorwort vor Augen, deshalb mein Einwurf der sanften Ohrfeige. Sie werden sie trotzdem gemerkt haben ... hoffe ich.


    Kann es sein, dass wir unterschiedliche Übersetzungen lesen? Meine ist von Eva Schönfeld.

    Zitat

    Original von SiCollier
    @ Lipperin
    Nun, der erste Band ist ja noch etliche Jahre vom Krieg entfernt, was im zweiten (den ich heute oder morgen beginnen werde) schon anders ist.


    Der 1. Weltkrieg fing weit, sehr weit vor 1914 an. Wie weit vorher, hat mich nicht nur, aber hauptsächlich Oliver Janz gelehrt. Von daher ist es gut, dass Büchle nicht erst mit dem Krieg oder der Juli-Krise beginnt. :wave

    Ein ganz dickes Dankeschön auch von mir.
    Mittlerweile habe ich alle drei Bände hier, aber ich werde Abstand brauchen, um mich ihnen widmen zu können.


    Zitat

    Original von SiCollier


    „'Ein langweiliger Tag, sagt Oettinger', brummte Hannes." (S. 320) Wie hieß das doch anderweitig? „Er fiel im Oktober 1918, an einem Tag, der so ruhig und still war an der ganzen Front, daß der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu vermelden.“ („Im Westen nichts Neues“, Erich Maria Remarque.) Gerade diese „stillen“ Tage empfand ich als die emotional belastendsten.


    Es gibt ein ganz schmales, ganz neues Buch von Jean Echenoz, es trägt den schlichten Titel "14", es handelt von ein paar Menschen, denen der 1. Weltkrieg geschieht (anders kann ich das nicht ausdrücken). Mich hat es berührt wie "Im Westen nichts Neues", emotional in einem ungeheuren Maße aufgewühlt, dass ich mir nicht zutraue, dazu eine Buchvorstellung zu schreiben. Empfehlen kann ich es aber unbedingt!
    Ein weiteres Buch, das vielleicht nicht nur Dich interessieren könnte, ist von Arnold Zweig und trägt den Titel "Junge Frau von 1914". Der Große Krieg für die, die zuhause bleiben. Für die, die Geschäfte meinen machen zu müssen. Für die, die auch bezahlen müssen, auch wenn sie keinen einzigen Schuss abgegeben haben. (Man muss keine Angst haben, weil der Autor so sehr von der DDR-Führung hofiert wurde, man brauchte eben große Namen. Ob es allzu weit her war mit seinem Sozialismus, wage ich doch einigermaßen zu bezweifeln. Und ob er alles verstanden hat, was ihm in der DDR geschah, auch.)

    Zitat

    Original von SiCollier
    Mein Vater wurde in den letzten Tagen des Ersten Weltkrieges geboren. Ich habe mich oft gefragt, wie das damals für die Menschen wohl gewesen ist, in was für eine Welt die Kinder hineingeboren wurden.


    Einer meiner Großväter war Teilnehmer an diesem Krieg. Seine Erlebnisse und Traumata haben auch die Enkelgeneration noch beeinflusst. Teilweise eben auch durch sein Schweigen, durch sein Handeln. Wie sehr seine Gefühle beschädigt waren, habe ich nie wirklich herausfinden können, aber ich fürchte, er war nicht der Einzige, dem es so ging. Und ich glaube, dass vieles, was dann nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs und in der Weimarer Republik geschah, seine Ursache auch in den nicht aufgearbeiteten Folgen des Krieges hatte.


    Für mich war diese Frage wichtig, denn sie nimmt natürlich das Motiv der Schuld auf. Allan wurde ja sozusagen schuldlos schuldig, wäre er nicht erbberechtigt gewesen. Was ebenso natürlich wieder zur Problematik der Sühne führt. Kann man sich von Schuld lösen, wenn sie einem nicht einmal bekannt ist? Kann man für etwas sühnen, wenn man selbst
    a) nicht weiß, dass man schuldig geworden ist,
    b) nichts für die Schuld kann, sie "ererbt hat?


    Interessant ist ja doch, wie dieser "Unterhaltungsroman" Fragen ganz tief in meinem Inneren berühren kann, wie ein Schriftsteller, ob nun bewusst oder unbewusst, an Fragen rührt, die hochkomplex sind und für die man ein mehr als gutes Nervenkostüm, eine große innere Sicherheit und eine fast schon absolut zu nennende Gewissheit braucht, um einer Antwort nahekommen zu können.

    Zitat

    Original von Rumpelstilzchen


    Das englische Erbrecht war bis zum 20. Jahrhundert ziemlich seltsam. Es gab eine Unterscheidung zwischen "real estate" (= Grundbesitz nebst Gebäuden) und "personal estate" und bis ins 19. Jahrhundert hinein kein Erbrecht des Ehegatten, diese hatten nur eine Art Nutzungsrecht.
    Damit erschöpft sich mein Wissen allerdings auch.....


    Danke für die Aufklärung!


    Zitat

    "Unser" Allan Armadale erbt ja nach der Seite seiner Mutter als letzter lebender männlicher Verwandter. Da er einer gültigen Ehe entstammt - alle waren zwar entsetzt, aber angefochten wurde sie ja von niemand ( wäre evtl möglich gewesen wegen der erschlichenen Zustimmung des Vaters ) - ist sein Erbrecht wohl kaum zu bezweifeln.


    Und trotzdem bleibt bei mir ein leiser, leiser Zweifel ... :-(

    Mir war zwar, es würde noch einen anderen Thread zu diesem Thema geben, aber da ich ihn nicht wiederfinde, hier ein Hinweis:


    Von Zeit zu Zeit les ich „die horen“ gern und hüte mich, sie abzutun. So manches kluge Wort ist da zu lesen. Und die Ausgabe 253 bietet für mich Aufregendes, heißt sie doch „Wiederentdeckungen“. Es geht um vergessene Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Die Beitragenden (je ein Kulturschaffender widmet sich einem Vergessenen) tragen wohlklingende Namen, es sind unter anderem dabei Kathrin Schmidt, Josef Haslinger, Lutz Graner, Wilhelm von Sternburg, Ruth Klüger und Clemens Meyer.


    Da ja nun, wie wir alle wissen, alle Theorie grau ist, liste ich neben den besprochenen Vergessenen auch meine eigenen Erfahrungen bzw. gestehe meine Unwissenheit (und vielleicht, so meine Hoffnung, kann man neugierig machen, aufs Heft und auf die Vergessenen):


    Immanuel Weißglas – aber der dürfte uns doch nicht unbekannt sein, da weiß man doch, wer das ist: Der, der das Wort prägte vom „deutschen Meister“, dem „Tod“. Doch, doch, das ist auch von Celan, aber Weißglas war früher diesem Mysterium auf der Spur, erheblich früher …


    Hermann Ungar - „Die Klasse“ kenne ich, die eine oder andere in Anthologien verzeichnete Erzählung wohl auch. Hat er mich denn gar nicht gereizt, ihm treu zu bleiben? Zu viel anderes kam wohl in den Blick.


    Leo Perutz – Er steht immer noch im Regal, aber ihn zu lesen verlangt von mir vor allen Dingen eines: Ruhe. Weil er uns zu genau kennt, und weil er zu genau beschreibt, was wir von uns selber gar nicht wissen wollen.


    Ernst Weiß – Kenn ich, lieb ich (besonders den Band „Die Kunst des Erzählens“), geb ich nicht mehr her.


    Peter Hille – Außer verstreuten Gedichten mir bedauerlicherweise unbekannt.


    Hermann Harry Schmitz – Mir gänzlich unbekannt.


    Franz Blei – Sein „Bestiarium literaricum“ ist ein Kabinettstück für sich, ein Band mit Essays findet sich im Regal. Er ist bemerkenswert klar im Ausdruck, er hat einen überaus scharfen Blick.


    Ludwig Hohl – Ach je. Ach ja. Ihn habe ich gelesen, weil ich ihn verwechselt habe. Mit Hohler. Schlimm, Schande über mich. Offensichtlich hat es mich nicht so beeindruckt, dass mich nach mehr von ihm verlangte.


    Oskar Loerke – Er hat Gedichte geschrieben, die mich nicht verlassen habe, seit ich sie gelesen habe. Wer weiß, was „jeder Baum“ ist, nämlich „Gott im Schlummer“, dem ist meine Zuneigung gewiss. Man hat gemeint, seine Gedichten in die Schublade „Naturlyrik“ schieben zu müssen, mir erscheint das eher fragwürdig.


    Ina Seidel – Ach Ina, wie konntest du nur? Musstest du dich so andienern bei den Nazis, bei Hitler? Dabei hattest du doch Anderes, Besseres zu sagen. Dass du als Kind deiner Zeit andere Themen in den Fokus rücktest wie wir, ist ja klar. Aber erzählen konntest du.


    Paul Zech – Tut mir leid, Fehlanzeige. Den Namen las man schon, allein, das wars. Aber Thomas Kunst hat dermaßen für ihn geworben, dass ich mir Kenntnis über ihn erwerben werde.


    Bruno Frank – Für ihn gilt, was ich zu Ernst Weiß sagte. Was aber nicht bedeutet, dass man die beiden vergleichen und in eine Linie stellen könnte. Weit gefehlt! Frank ist ein eleganter Parlierer, ihn zu lesen tut nicht so weh wie manchmal Weiß, aber es geht über den bloßen Begriff „Unterhaltungsliteratur“ doch wohl hinaus. Wer kennt nicht „Sturm im Wasserglas“ - das ist nämlich auch von ihm.


    Theodor Kramer – Trost muss her: Man kann nicht alles kennen.


    Adrienne Thomas – Da reicht ein Titel „Die Katrin wird Soldat“ - man lese das Buch nur einmal im Kontext zu Remarques „Im Westen nichts Neues“. „Reisen Sie ab, Mademoiselle“ ist ein weiterer ihrer Romane, ich kenne nur diese beiden, beide haben mit Krieg, mit Leid, mit Gewalt, mit Grausamkeit und Grauen zu tun. Wer „Der Rauch über Birkenau“ von Liana Millu schätzt, sollte „Reisen Sie ab, Mademoiselle“ sich nicht entgehen lassen.


    Louis Fürnberg – Ja … ach ja … „die Partei“ … Sein Fehler war, dass die Zeilen sich allzu genau auf eine Partei festlegen ließen. Die man nicht überall mochte, der man das beanspruchte Recht, Recht zu haben, nicht überall zubilligen mochte. Weitere Ausführungen verbieten sich an dieser Stelle. Jedenfalls: Von ihm habe ich nicht viel, nur zwei Bände Briefe und ein Buch über ihn, von Gerhard Wolf, das zählt vielleicht auch, weil er ihn zitiert, mehr als hin und wieder.


    Günther Weisenborn – Ja, ich meine: Nein. Will ich ihn kennenlernen? Ich weiß doch nicht.


    Manfred Streubel – Kenn ich nicht. Was natürlich nicht stimmt. Den Namen verband ich nicht mit dem „Fragment Bonhoeffer“ und auch nicht mit der „Stagnation“. Wo hab ich ihn gelesen? Ich weiß nicht mehr. Aber ich weiß, dass ich mehr von ihm lesen will. Unbedingt.


    Karl Mickel – Jemand erzählte mir von ihm, vor Jahren muss das gewesen sein. Aber sonst? Der Name tauchte irgendwo auf, wo mag das gewesen sein? In einer Biografie? Erinnerungen? Briefwechsel?


    Harald Gerlach – Einer, so sagt Wulf Kirsten, der Thüringen brauchte, Thüringen dichtete, Thüringen erwanderte usw. Einer, der Vorbilder hatte namens Bobrowski und Babel. Einer, den ich noch entdecken muss.


    Ralf-Günter Krolkiewicz – Ein Unterdrückter in der DDR, hab ich ihn denn jemals wahrgenommen, als er abgeschoben wurde? Bei der Büchergilde Gutenberg ist ein Band von ihm erschienen, sagt der Beitrag von Joachim Walther. Hab ich es bemerkt? Würd ich fragen, wenn ich hätte?


    Matthias BAADER Holst – Der Name steht da wirklich so. Mehr als der Beitrag von Peter Wawerzinek berichtet, weiß ich nicht.


    Reinhard Lettau - „Schwierigkeiten beim Häuserbauen“ steht im Fach, sein lakonisches, aber nicht unwitziges (oder muss man sagen: nicht unkomisches?) Erzählen hatte mir gefallen.


    Hubert Fichte – Ein Leseversuch in der letzten Schulklasse. Wir passten nicht zusammen und was Clemens Meyer erzählt, lässt mich vermuten, dass wir auch heute nicht zusammen passen.


    Thomas Valentin – Ist mir unbekannt.



    Ein schöner Band ist das, die Beiträge sind allesamt lesenswert, manchmal von Humor, manchmal von einem Hauch Bitterkeit umwoben, immer aber, das spürt und liest man, spricht da jemand, der weiß, wovon er spricht.


    Beim Betrachten der Regalwände fielen mir einige Namen auf, die vielleicht auch hätten vertreten sein können: Albrecht Goes zum Beispiel, und gibt es noch Leser für Ernst Barlach oder Sigrid Undset?

    Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Lipperin, bei Laudanum musste ich sofort an Simmons "Drood" denken.


    Ja, das schwirrte mir auch kurz durch den Kopf. Obwohl ich gestehen muss, dass ich immer noch an dem Buch leide ... äh ... lese.



    So, dann will ich mal aufzudröseln versuchen, was mir etwas unausgegoren im Hirn rumschwebte. Warum ich zum Beispiel glaube, dass die Erbangelegenheit nicht so klar ist, wie sie scheint. Warum ich zum Beispiel auch glaube, dass Lydias Gedanken in eine bestimmte Richtung gingen, als sie sagte, sie sei „eigentlich“ die Herrin von Thorpe-Ambrose.
    Listen, so sagt man, sollen helfen, Klarheit zu bringen, versuch ich es also mal:


    1. Über das britische Rechtswesen in den Jahren ab etwa 1830 bis etwa 1860 weiß ich nichts.
    2. Man darf wahrscheinlich als gesichert ansehen, dass die Begriffe „Ehre“ und „Gentleman“ für die britische Gesellschaft jener Jahre herausragende Bedeutung besaßen.
    3. Es gibt ganz offensichtlich zwei Allan Armadales, d. h., vier, wenn man die jeweiligen Väter hinzurechnet.
    4. Der eine Vater Allan Armadale hat seinen Sohn (Allan Armadale jun., der sich später auch Fergus Ingleby nennt) verstoßen und enterbt (S. 38 der Taschenbuchausgabe).
    5. Er hat bei dem Sohn des verstorbenen Mathew Wrentmore und dessen Frau, deren Vetter er ist (S. 37), die Patenschaft übernommen und ihn später zu seinem Erben bestimmt, unter der Voraussetzung, er nehme seinen Namen an (S.38).
    6. Unstreitig dürfte sein, dass Fergus Ingleby alias Allan Armadale unter seinem ursprünglichen Namen sich in das Vertrauen von Mr. und Miss Blanchard geschlichen hat, um Letztere zu heiraten (unter dem Namen Allan Armadale), obwohl diese für jemand anderen „vorgesehen“ war.
    7. Allan Armadale alias Fergus Ingleby ist mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, weiteres wird nicht ausgeführt, alles, was er besitzt, ist das Vermögen seiner Frau, deren von mir vermutete Zuneigung und ein Sohn.
    8. Wäre der Betrug, der zur Hochzeit von Miss Blanchard und Allan Armadale alias Fergus Ingleby geführt hat, bekannter geworden als der Familie, hätte es, so vermute ich, rechtliche und gesellschaftliche Folgen gehabt. Fraglich erscheint mirdeshalb, ob und inwieweit Mrs. Armadale resp. ihr Sohn dann überhaupt erbberecht gewesen wären, als der Gatte und Vater gemordet wurde.
    9. Dessen ungeachtet bleibt, dass Miss Blanchard den „falschen“ Allan Armadele geheiratet hat.
    10. Lydia Gwilt wurde von ihrem Mann Ozia Midwinter umfassend und vertrauensvoll in Kenntnis gesetzt über seine dramatische und tragische „Vorgeschichte“.
    11. Ozia Midwinter trägt diesen Namen, mit dem er sich anscheinend wohlfühlt, nicht zu Recht, sein wahrer Name ist Allan Armadale. Er ist der Sohn des Mannes, der Miss Blanchard zugedacht war, der sie auch gerne geheiratet hätte.
    12. Ganz abgesehen von den Plänen, die sich für Lydia Gwilt aus dieser Namensdoppelung ergeben: Angesichts ihres geistigen Zustandes, den ich mit zunehmender Dauer des Romans durchaus nicht mehr als „frisch“ bezeichnen würde, musste ihr klar sein, dass sie zwar den „falschen“, aber dennoch, wäre alles den – von der Elterngeneration – geplanten Gang gegangen, den „richtigen“ Allan Armadale geheiratet hat.
    13. Daraus mag sich für sie ergeben haben, dass sie, wären die Pläne unter Punkt 12 in Realität umsetzbar gewesen, nunmehr die Herrin von Thorpe-Ambrose wäre und sie keine weiteren Pläne mehr machen müsste, sondern Besitz und Ehemann genießen könnte. Sie wird nicht einen Gedanken daran verschwendet haben, ob der Sohn von Miss Blanchard und Allan Armadale, der ursprünglich Wrentmore hieß, mehr als nur entfernte Ähnlichkeit mit Ozia Midwinter gehabt haben würde, noch, ob es überhaupt ein Sohn gewesen wäre.
    14. Dass Collins das Rätsel um die Erbangelegenheit nicht aufdröselt, scheint mir Programm zu sein, diente es seiner damaligen Leserschaft vermutlich/vielleicht als zusätzlicher Nervenkitzel.
    15. Möglich wäre auch, dass er es selber aus dem Blick verloren hat oder nicht mehr als so wichtig eingestuft hat. :-(
    16. Für mich war die Erbangelegenheit jedenfalls der einzige Punkt des Romans, über den ich keine Klarheit erlangen konnte.


    Entschuldigung, wenn ich das einfach mal so ausführlich ausgeführt habe, in der Hoffnung natürlich, dass man versteht, was ich eigentlich sagen will
    :grin

    Zitat

    Original von Liesbett


    Das Verhalten von Midwinter kann ich nicht recht verstehen. Seine frühere Leidenschaft für Lydia, sein tiefes Empfinden und Leiden scheint wie weggeblasen. Kann es nicht Lydia und Allan gleichzeitig für ihn geben? Mir scheint, er hat nur Kraft für je eine Person in seinem Leben.


    Vielleicht, weil seine Liebe zu Allan "älter" war, vielleicht tiefer ging? Vielleicht auch, weil Collins ein Gegenstück zu Lydias Liebe darstellen wollte, sprich: Reine Liebe gegen Liebe, die immer auch etwas von Berechnung an sich hat (von der sexuellen Komponente mal ganz abgesehen. Es wäre interessant, sich mal mit Herrn Collins persönlich zu beschäftigen, glaube ich).


    Zitat

    Lydia jedenfalls kehrt zu ihren finsteren Plänen zurück. Wäre sie bei einer glücklich verlaufenen Ehe eine besser denkende Frau geworden? Hätte ihre Vergangenheit sie nicht doch eines Tages eingeholt? Wie auch immer, sie hat sich dennoch verändert. Ihre Sicherheit, ihre Skrupellosigkeit und Kaltschnäutzigkeit verlieren sich sehr oft, wenn sie an Midwinter denkt. Der Mann hat sie verändert!


    Midwinter hat die Schichten um ihr besseres Ich angekratzt, glaube ich. Ob der Firnis jemals wirklich verschwinden würde, wage ich ein bisschen zu bezweifeln. Es würden mit Sicherheit immer mal wieder Gelegenheiten kommen, in denen sie Zuflucht zu ihren alten Gewohnheiten nehmen wird. Ich glaube nicht, dass sie die ablegen könnte wie ein altes Kleid.

    Zitat

    Original von Regenfisch
    Ich denke tatsächlich, dass es eines ungeheuren Selbstbewusstseins und einer gehörigen Portion Lebenswillen bedarf, um sich von einer so schweren Kindheit zu befreien wie Midwinter sie erlebt hat.
    Dabei spielt die Bürde des Verbrechens seines Vaters nur eine Rolle.
    Die Erziehung ist schon prägend für einen Menschen- allerdings keine Entschuldigung und Ausrede für eigene Fehlentscheidungen.


    Ozias trifft natürlich überhaupt keine Schuld, dennoch kann ich seine tiefe Zurückgezogenheit in sich selbst nachvollziehen, auch seinen Drang, auf Wanderschaft zu gehen, um Abstand zu gewinnen. Und auch das Gefühl, an Allan etwas gut zu machen bzw. ihm etwas Gutes zu tun.
    Ozias ist eine sehr interessante Figur, finde ich.


    :write

    Zitat

    Original von Regenfisch



    Das ist mir ebenfalls immer noch ein Rätsel. Vielleicht stehe ich auch auf dem Schlauch, aber ich habe außerdem immer noch nicht verstanden, warum sie sich als "rechtmäßige" Herrin von Thorpe -Ambrose fühlt.


    Des Pudels Kern, nach dem ich mal suchte! Irgendein Detail in dem Brief von Midwinters Vater ließ mich mehrfach darüber nachdenken, ob die Erbangelegenheit wirklich so klar ist, wie sie sich dann im weiteren Verlauf des Romans darstellte. In den nächsten Tagen muss ich das noch einmal nachlesen, aber wenn Midwinter durch sein Schweigen auch noch seine eigenen Erbansprüche hintanstellte, dann muss man wohl von wahrer (Freundes-)Liebe sprechen.

    Zitat

    Original von SiCollier


    Das Buch selbst empfinde ich als ungemein anstrengend zu lesen; ständig habe ich das Gefühl, hochkonzentriert lesen zu müssen und dennoch nicht alles zu erfassen bzw. verstehen, was der Autor schreibt. Ob das an mir oder am Buch liegt, vermag ich derzeit nicht zu sagen.


    Vielleicht weil er so viel hineinpackt? So habe ich es zumindest empfunden, es steht sehr viel auf den Seiten, viele, vielleicht manchmal zu viele Details, die, so meine ich, hin und wieder einfach seinem Spaß am Erzählen geschuldet sind. Oder uns auf eine falsche Fährte locken sollen.


    Zitat

    Das beginnt damit, daß ich mir nicht sicher bin, ob ich den Grundkonflikt überhaupt verstanden habe bzw. nachvollziehen kann. Soll der darin bestehen, daß der den Brief schreibende Vater befürchtet, in der nächsten Generation könnte wieder ein Mord geschehen? Fürchtet er, daß sein Sohn als Rache für die eigene Tag umgebracht wird? Oder was sonst?


    Darüber haben wir wohl alle gerätselt, später hatte ich noch eine andere Idee dazu, die ich aber hier nicht verraten will ... und weil sie auch nur "passt", wenn man meine Gedanken, die Du ja schon gelesen hast (in einem späteren Abschnitt), eben so hat wie ich sie hatte.