Für mich eindeutig ein Lesetiefpunkt des Jahres.
Das habe ich nach der entsprechenden Leserunde veröffentlicht:
Da ich in diesem Forum sowie drüben bei Leserunden.de mit meiner Meinung allein auf weiter Flur stehe und schon an meiner Urteilsfähigkeit zu zweifeln begonnen hatte, habe ich mich in anderen Foren umgesehen und drei weitere Leserunden zum Roman entdeckt. Zwei habe ich mir komplett durchgelesen und die dritte angelesen. Jetzt bin ich ziemlich erleichtert: Ich bin doch nicht allein. Interessanterweise gefällt das Buch den Lesern gar nicht, die Leserinnen jedoch sind begeistert (es gibt aber Ausnahmen, siehe u. a. mich). Ist "Collector" also eher was für die Damenwelt? Sozusagen "Twilight" im All?
Wie auch immer. Für mich persönlich ist "Collector" einer der tiefsten Tiefpunkte des Lesejahres. Zugegeben, das Buch liest sich schnell, aber liegt das wirklich nur am Autor? Der Verlag hat das Buch im Ziegelstein-Format veröffentlicht, mit großer Schrift und schön viel Platz an den Rändern. Mein aktuelles Buch hat fast 200 Seiten mehr zu bieten und ist trotzdem wesentlich kleiner und schmaler.
Mein Fazit:
Der Roman spielt eintausend Jahre in der Zukunft. Wirkt aber nicht so. Ich würde auf allerhöchstens 150-200 Jahre tippen. Wenn man bedenkt, welchen Sprung die Technik allein in den letzten hundert Jahren gemacht hat, dann überkommt zumindest mich tiefe Ehrfurcht. Und wenn ich meine "P. M." lese, dann staune ich jedes Mal über die neuesten technischen Entwicklungen, die allein in den letzten Monaten stattgefunden haben. In "Collector" beträgt der Zeitraum 10x 100 Jahre. Eine für den menschlichen Geist kaum fassbare Zahl. Gut, es gibt Chimären, Cyborgs, Raumschiffe und Aliens - aber was hat sich sonst geändert? Die Scheibenwischer eines Trucks quietschen offenbar immer noch. In eintausend Jahren.
Zu den Figuren habe ich keinerlei Zugang gefunden. Einmal glaubte ich, in Faye eine sympathische Figur gefunden zu haben - das erste Kapitel mit ihr ist in meinen Augen das Beste im Buch. Aber danach tritt Faye in den Hintergrund und hat nur noch ein-zwei Szenen, in denen mir es dann auch schon ziemlich wurscht war, was mit ihr passierte. Kurz fand ich auch die intrigante CoDriverin interessant - aber sie wurde auf ein Pheromonpüppchen reduziert und verlor bereits nach drei Seiten ihren Reiz.
Was Kris angeht - ich fand an ihm kaum etwas Echtes. Er hätte eine brauchbare Nebenfigur abgegeben, denn er agiert kaum und reagiert überwiegend. Als Hauptfigur ist er einfach zu blass.
An die anderen erinnere ich mich ein paar Tage nach dem Lesen schon gar nicht mehr.
Diejenigen, die kein Technogebrabbel und umständliche astrophysikalischen und anderweitigen wissenschaftlichen Erklärungen mögen, kommen auf ihre Kosten. Aber die Logik leider sehr darunter. Allein wegen der Theorie zur Erschaffung eines Schwarzen Lochs würde sich Einstein im Grabe umdrehen (ich fand's aber dann doch ganz lustig). Oder auch Kollisionsalarm im All - dramaturgisch zum Spannungsaufbau nachvollziehbar, aber physikalisch (außerhalb einer Raumschlacht natürlich) sehr-sehr unwahrscheinlich.
Im Nachwort steht, dass "Collector" ein Space-Fiction-Roman ist. Ein bißchen Science hätte Space nicht geschadet. Ein Hauch hätte ausgereicht und den gibts sogar bei Google. Dann hätte man auch herausgefunden, dass die Sonne nicht aus Eisen und Nickel besteht, sondern zu über 70 % aus Wasserstoff und etwa 25 % aus Helium.
Und was ist eigentlich ein Collector? Offenbar das Äquivalent des "schwarzen Mannes", dazu da, um bei Lesern Unbehagen auszulösen. Hätte fast funktioniert.
Aber man erfährt gar nichts über die Fremden - weder wie sie aussehen, noch woher sie kommen. Nur, dass sie von einem bestimmten Stoff abhängig sind. Eine in meinen Augen etwas dünne Motivation für ihr Tun.
Aber die Logik ist in diesem Buch sowieso so eine Sache... Ein Beispiel: Die Flucht von Anatol und Theresa auf Putin. Äh, ja, diese Handlung hatte wahnsinnig viele Konsequenzen...
Vieles wird auch nicht ausreichend erklärt, z. B. das Interim-Syndrom. Wenn man es hat, blutet man aus allen Körperöffnungen, sehr lecker und aufschlußreich.
Manche Figuren gehen sang- und klanglos unter, und als Leser fragt man sich, warum diese übehaupt eingeführt worden sind.
Gefallen haben mir die Anspielungen auf die SF-Filme und -Serien. Die Erwähnungen von "Babylon 5" und Kithomer (collectorische Schreibweise: Kitomea) haben mir Spaß gemacht. Und die Hommage an den großartigen Film "Die Zeitmaschine" ebenso.
Die fehlende Logik im Buch hatte aber auch was Gutes: Man rätselt die ganze Zeit darüber, ob das so vom Autor beabsichtig war und nicht vielleicht doch irgendetwas Spektakuläres dahinter steckt. Viel Raum also für unterhaltsamste Vermutungen! Für mich aber definitiv ein ganz furchtbarer Roman!
Das Buch lässt sich schnell lesen, ja. Für manche Leser scheint dies das wichtigste Kriterium zu sein, das eindeutig auf großartige Literatur hinweist. Sei's drum. Ich muss nicht dieser Meinung sein
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Aeria