Fabio Geda - Ein Sonntag mit Elena

  • ASIN/ISBN: 3446267956


    Originaltitel : Una Domenica

    Gebundene Ausgabe : 240 Seiten

    ISBN-10 : 3446267956

    ISBN-13 : 978-3446267954

    Größe und/oder Gewicht : 12 x 2.2 x 19 cm

    Herausgeber : hanserblau; 2. Auflage (17. August 2020)


    Inhaltsangabe:


    Einst reiste er als Ingenieur um die Welt und baute riesige Brücken. Nach dem Tod seiner Frau aber ist es still geworden in der Turiner Wohnung am Fluss. Sein Sohn lebt in Finnland, mit der jüngeren Tochter hat er keinen Kontakt, nur die älteste sieht er ab und zu mit ihrer Familie. An einem Sonntag kocht der ältere Mann ein traditionelles Mittagessen für sie. Doch sie sagt kurzfristig ab. Im Park lernt er Elena und ihren Sohn kennen und lädt sie spontan zum Essen zu sich ein. Diese zufällige Begegnung wird alle drei für immer verändern.


    Autoreninfo:


    Fabio Geda, 1972 in Turin geboren, arbeitete viele Jahre mit Jugendlichen und schrieb für Zeitungen. Bereits sein erster Roman „Emils wundersame Reise“ war in Italien ein Überraschungserfolg; das Buch „Im Meer schwimmen Krokodile“ brachte ihm auch international den Durchbruch.


    Meine Meinung:


    Titel: Wenn eine Begegnung dein Leben verändert...


    Aufgrund der hübschen Aufmachung bin ich über das Buch gestolpert und gespannt begann ich mit der Lektüre.


    In der Geschichte geht es um Giulias Vater, der von seinen Kindern am Mittagstisch versetzt wird, weshalb er einen Spaziergang macht und dort Elena begegnet. Ist der Tag gerettet? Und was für einen Einfluss haben die beiden auf ihr weiteres Leben?


    Das Besondere an dem Roman ist, dass nicht die Hauptfigur als Erzähler fungiert, sondern eine seiner Töchter. Zu Beginn weiß man noch gar nicht genau wer dort berichtet, bis dann klar ist, dass es sich um Giulia handelt.


    Richtig gut gefallen hat mir der Schreibstil, denn es gibt so viele sprachliche Bilder und schöne Formulierungen, dass es einem leicht fällt sich alles vorzustellen.


    Die Begegnung zwischen dem älteren Herren und Elena weiß zu berühren, denn sie geben einander Halt, wo sie es gerade am meisten brauchen, weil sie sich zum Zeitpunkt der Begegnung sehr einsam fühlen.


    Die große Schwäche des Romans ist jedoch die Erzählweise, denn während der eigentlichen Handlung wird dauernd abgeschweift, was das Lesen sehr anstrengend macht und den Lesefluss bei mir gestört hat. Viele Einschübe bringen die Haupthandlung nicht wirklich voran, sondern verwirren eher. Fast hatte man das Gefühl, dass hier Seitenfüller eingesetzt werden, obwohl die Geschichte das gar nicht nötig hat.


    Fazit: Süße Begebenheit mit einigen Schwächen. Kann man lesen, wenn einem der Schreibstil wichtiger ist als die Handlung. Ich kann nur bedingt eine Leseempfehlung aussprechen.


    Bewertung: 5/ 10 Eulenpunkten

  • 40 Jahre lang ist er durch die Welt gereist, um Brücken und Überführungen zu bauen. Nun ist der Ingenieur 67 Jahre alt und verwitwet. Und in seiner Turiner Wohnung ist es still um ihn geworden. Dann, an einem Sonntag, durchkreuzt der Zufall sein Leben. Weil ihn seine Tochter und deren Familie versetzen, lädt er kurzerhand stattdessen die Mittdreißigerin Elena und ihren 13-jährigen Sohn Gaston zum Essen ein. Es wird eine Begegnung, die mehrere Menschen verändern wird.


    „Ein Sonntag mit Elena“ ist ein Roman von Fabio Geda.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus angenehm kurzen Kapiteln, die weder nummeriert noch überschrieben sind. Neben dem gegenwärtigen Geschehen sind zwischendurch Rückblenden, in Form von Erinnerungen, eingefügt. Erzählt wird in der Ich-Perspektive, allerdings aus Sicht der Tochter Giulia. Das hat mich zunächst ziemlich irritiert und kommt immer wieder ein wenig unglaubwürdig rüber, weil auch Szenen, bei denen die Tochter selbst gar nicht anwesend war und die sie nur aus Erzählungen kennt, detailliert beschrieben werden.


    Sprachlich ist der Roman insgesamt dennoch gelungen. Der ruhige, aber anschauliche und einfühlsame Schreibstil mit seinen ansprechenden Beschreibungen und passenden Metaphern gefällt mir gut.


    Die drei Protagonisten sind alles andere als Heldenfiguren. Mit ihren Ecken und

    Kanten wirken sie authentisch und durchaus fehlerbehaftet. So wird schnell klar, dass „Papa“ nie der perfekte Vater war und nun im fortgeschrittenen Lebensabschnitt ein wenig wie ein alter Kauz dargestellt wird. Trotzdem schafft es der Autor, Sympathie für seine Charaktere zu wecken, sodass man gerne ihre Geschichte verfolgt und Verständnis für sie entwickelt.


    Thematisch ist der Roman erstaunlich vielfältig und tiefgründig. Die Familie spielt dabei eine wichtige Rolle. Es geht auch um Reue, Einsamkeit, Verlust und zwischenmenschlichen Problemen, was der Lektüre mitunter eine melancholische und teilweise traurige Atmosphäre verleiht. Andererseits ändert sich die Stimmung mit dem Auftauchen von Elena und ihrem Sohn zum Positiven. Beim Lesen wird bald deutlich, dass im Leben nicht nur die Brücken im wörtlichen Sinn bedeutsam sind, sondern auch die zwischen den Menschen. In der Geschichte stecken somit einige Denkimpulse und viele Emotionen, die mich durchaus erreichen konnten.


    Die Handlung nimmt nur sehr langsam Schwung auf und bleibt überwiegend in einem ruhigen Fahrwasser. Durch die Rückblenden wird zusätzlich Tempo aus der Geschichte genommen. Langeweile kommt beim Lesen allerdings nicht auf.


    Das Cover mit seinem Stillleben passt insofern zum Inhalt des Buches. Der deutsche Titel ist etwas ausführlicher als das italienische Original („Una domenica“) und sagt mir sogar noch etwas mehr zu.


    Mein Fazit:

    Für seinen Roman „Ein Sonntag mit Elena“ wählt Fabio Geda eine ungewöhnliche Erzählperspektive, deren Umsetzung ich problematisch finde. Wer jedoch über dieses Manko hinwegsieht, den erwartet eine gleichsam berührende wie unterhaltsame Lektüre.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

  • Über Brücken


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    Der titelgebende Sonntag findet in Turin statt, zeitlich in der Nähe des Jahrtausendwechsels, und erlebt wird er vom Vater und Großvater, der vor acht Monaten seine Frau bei einem Autounfall verloren hat, der zu seiner aktiven Zeit überall in der Welt Brücken gebaut hat (Achtung, Metapher) - und heimliche Liebschaften pflegte, von denen die drei Kinder wissen, die Ehefrau aber vielleicht nicht wusste. Er bereitet am Vormittag dieses Sonntags in der großen, leeren Wohnung, in der die Familie ihr gesamtes gemeinsames Leben verbracht hat, ein Festessen vor, denn eine der beiden Töchter will mit Mann und Kindern zu Besuch kommen. Er kocht viel, er kocht zum ersten Mal überhaupt in seinem Leben, sich akribisch an die fast heilige Rezeptsammlung haltend, die die Frau hinterlassen hat. Doch eine Enkelin fällt vom Baum, bricht sich den Arm und muss ins Krankenhaus, also wird das Essen ausfallen. Der Mann geht spazieren und landet im Skaterpark, wo er die junge Elena und ihren Sohn Gaston kennenlernt. Nach einigem Hin und Her lädt er die beiden, die unter der Geldnot der Frau leiden, dazu ein, bei sich zu Hause das Essen zu verzehren, das er für die Familie zubereitet hat. Sie verbringen den restlichen Tag bei ihm.


    Diese Geschichte, die die Geschichte einer Familie ist, erzählt die Tochter Guilia, die Theaterregisseurin geworden ist, und die immer glaubte, ihr Vater würde diesen Beruf, diese Berufung nicht akzeptieren. Sie erzählt von diesem Tag, sie erzählt aber auch vom Davor und Danach, von Kindheiten und vom Erwachsenwerden und vom Erwachsensein, sie springt in die Zukunft. Der Mikrokosmos ist komplex und kompliziert, aber man umkreist einander ja doch, und man kann nicht anders. Eigentlich will man auch nicht anders - so sind Familien eben.


    Es geht in diesem Wohlfühlroman, der sehr poetisch geschrieben ist, aber dramaturgisch wenig bietet, um Liebe, um Bindungen, um Enttäuschungen, um Offenheit, um Selbstverwirklichung und um Verständnis füreinander. Es geht um die Über-Brückung von Missverständnissen, von Hindernissen, auch und vor allem von solchen, die man sich selbst in den Weg legt. „Ein Sonntag mit Elena“ ist äußerst sanft, atomsphärisch dicht, sehr einfühlsam und auch kunstvoll erzählt, löst aber nicht gerade spannungsbedingte Atemnot aus. Am Ende steht die überwiegend unbeantwortete Frage, was das sollte, und leider wird dieser Makel durch Kunstfertigkeit und Poesie nicht ausgeglichen. Das gibt der Geschichte leider etwas Lapidares.