Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Marcel Proust

  • Mir fällt gerade die Parallelität der Liebesgeschichte unseres Autors mit der Swanns mit Odette auf.

    Das ist dann wohl auch der Grund, warum der Autor dieser Liebesgeschichte im ersten Band so viel Platz eingeräumt hat.

    Wobei ich mich frage, ob die Liebe mehr Gilberte oder ihrer Mutter gilt.

    Ich glaube nicht, dass er in Odette verliebt ist. Aber sicher ist er fasziniert von ihr.

    Dieses auf eine Laufbahn verzichten, nur um in der Nähe von Gilberte bleiben zu können ist doch befremdlich.

    Aber das hat es doch schon oft gegeben, dass eine Karriere aufgegeben wurde, weil man sich örtlich nicht verändern wollte. Ich denke mir auch, dass Gilberte nicht der einzige Grund ist. Ich kann mir ihn im Moment nicht vorstellen, wie er irgendwo anders allein ohne Familie neu anfängt.

    Zudem muss er älter sein als ich dachte, wenn er frei gegen den Willen der Eltern über das ererbte Silber seiner Tante Leonie verfügen kann.

    Das stört mich auch, dass man nie weiß, wie alt er ist.

  • II/17.


    Er hat gemerkt, dass Gilberte seiner überdrüssig ist. Ich finde es lobenswert, dass er sich vornimmt, aus der Sache rauszukommen, ohne dass sie ihn verachtet. Er überlegt sich eine Strategie der Entwöhnung.

    Ich kann mir aber nicht recht vorstellen, dass er das durchzieht. Er ist ja nicht der Typ dafür, Vorsätze umzusetzen. Beim Schreiben klappt es ja auch nicht. Er sollte besser einen harten Schnitt machen.

  • 17

    Es ist schon beim Zuhören quälend, denn eigentlich sucht er die Möglichkeit, sie durch sein Verhalten stärker an sich zu binden und damit wird er wohl scheitern.


    18

    ist dann wieder recht witzig anzuhören, denn ich habe das doch wohl richtig verstanden, dass er in Odettes Gesellschaft gelandet ist, weil Gilberte ausgegangen ist?

    Diese gesellschaftlichen Gepflogenheiten sind tatsächlich abstrus, auch wenn man sich mittlerweile ein wenig auskennt.

  • 18

    ist dann wieder recht witzig anzuhören, denn ich habe das doch wohl richtig verstanden, dass er in Odettes Gesellschaft gelandet ist, weil Gilberte ausgegangen ist?

    Es war ja Teil seiner Strategie der Entwöhnung, zu den Swanns zu gehen, wenn Gilberte nicht da ist. Zumindest redet er sich ein, dass er mit der Zeit leichter loskommt, wenn er zunächst noch in ihrer Nähe ist. Und sie soll nicht glauben, dass er ihr nachläuft.

    Ich gehe aber davon aus, dass er in seinem Unterbewusstsein einkalkuliert, dass er sie dort persönlich antrifft.

  • Folge 20

    Die Schilderung der Garderobe von Mme Swann ist sowohl eindrücklich als auch teilweise unverständlich. Gerade forsche ich nach, was ich so herausfinden kann.

    Ein "suivez-moi jeune homme" sind am Kleid befestigte Stücke Spitze, die Madame hinter dem Kleid fallen lassen kann. Une ein "saute en barque" war ursprünglich ein voluminöser Mantel für Bootsführer, dann ein kurzer, kurzärmliger Damenmantel.

  • Folge 20

    Die Schilderung der Garderobe von Mme Swann ist sowohl eindrücklich als auch teilweise unverständlich. Gerade forsche ich nach, was ich so herausfinden kann.

    So genau will ich das gar nicht wissen. :lache

    Für mich hört sich das sehr abenteuerlich an: verschiedenste Stile durcheinander.

    Aber gut. Wenn man Talent hat, kann das ja durchaus ansehnlich sein. :grin

  • Das ging mir gerade in den beiden letzten Folgen auch so. Ich habe mir den Text runtergeladen, hilft aber auch nur bedingt.

    Dabei sind die Gedankengänge häufig interessant.

    Oft wird auch eine Idee in zig Varianten hin und her gewendet. Das finde ich manchmal doch ermüdend.


    Die Idee, dass man sich selbst im Laufe der Zeit auch verändert und so die Erinnerungen nie von dem Menschen erinnert werden, der sie gemacht hat, ist ja schon wichtig. Nur ist es eine echte Kunst, das minutenlang zu verbreiten.

  • Dabei sind die Gedankengänge häufig interessant.

    Das ist wahr. Und hie und da frage ich mich, ob er diese Gedanken schon als junger Mensch hatte oder erst im fortgeschrittenen Alter. Er würde sich aber wohl an vieles nicht erinnern, wäre an ihm vorbei gegangen, wenn es ihn nicht schon damals beschäftigt hätte.

    Ich bin auch erstaunt, wie sehr es ihm klar war, dass das Bild, das er von Gilberte hat, sich sehr von der wirklichen Gilberte unterscheidet. Das klingt so reflektiert, auch seine Pläne zur Trennung von Gilberte.

  • II/22.


    In diesem Abschnitt wird Odettes Auftritt (oder soll ich sagen Hofhaltung?) bei einem Spaziergang beschrieben und die Abgrenzung der Gesellschaftsschichten. Der Club der Zaungäste! :lache

    Gibt es das heute auch noch? Im Showgeschäft oder im Sport auf jeden Fall.


    Ich bin sehr verwundert, dass ein Mann sich so genau die Kleidung einer Frau anschaut, wie Marcel es tut.

    2 Jahre später


    Er hat sich von Gilberte gelöst. Nur ab und zu bringen kleine Ereignisse vergessene Erinnerungen an die Oberfläche. Ich finde den Gedanken interessant, dass gerade die relativ unbedeutenden Ereignisse, die man schnell vergisst, die Auslöser für spätere Erinnerungen sind.


    Es fiel mir anfangs schwer zu verstehen, wie das funktionieren soll, dass er sich im ersten Schritt langsam durch Gewohnheit von Gilberte löst und dann durch den Wechsel der Gewohnheit, z. B. Ortswechsel endgültig den Schlussstrich zieht. Er hat es mit Genesung verglichen. Mir fiel der Vergleich mit Trauer ein. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, denkt man zunächst ständig an ihn. Erst mit der Zeit wird das weniger. Und irgendwann ist der Zeitpunkt da, an dem man seine Kleidung weggibt.


    Zum Thema Ortswechsel: Ich denke, er wäre heute ein begeisterter Anhänger von Flugreisen. Einen abrupteren Ortswechsel gibt es ja nicht.

    Das ist eine bemerkenswerte Gegenüberstellung: Der Unterschied von Zug zu Auto ist wie der eines Bildes im Museum zu einem in einer eingerichteten Wohnung.

  • Bei 22 war ich auch gerade.

    Mich verblüfft dieser besondere Stellenwert der Kleidung immer mal wieder.

    Dafür fehlt mir ein wenig das Verständnis. Obwohl ich auch schöne Klamotten mag, hätte ich nicht die geringste Lust, mir stundenlang Gedanken um meine Toilette zu machen. Vom Geld für das Zeugs gar nicht zu sprechen.


    Aber es war eben ein Mittel der Abgrenzung. Wie die gute Wohngegend, die luxuriöse Kutsche. Eben fast genauso wie heute. :grin


    Mir erscheint es ein wenig paradox, sich auf der einen Seite von Gilberte zu lösen und dann jeden Sonntag ihrer Mutter die Aufwartung zu machen. Als müsste er sich beweisen, dass er das kann.

    Da ist mir der Ortswechsel schon plausibler, zumal er mit Swanns ja nie in Balbec gewesen ist.


    Dasist eine bemerkenswerte Gegenüberstellung: Der Unterschied von Zug zu Auto ist wie der eines Bildes im Museum zu einem in einereingerichteten Wohnung.

    Das ist eine eigenartige Gegenüberstellung und ich verstehe sie nicht.


    Um mich von den tiefschürfenden Gedanken zu erholen, höre ich zwischendurch die Forsythe Saga :lache

  • Das ist eine eigenartige Gegenüberstellung und ich verstehe sie nicht.

    Ich glaube, es geht um den Kontrast. Er empfindet den Unterschied zwischen dem Abfahrtsort und dem Ankunftsort stärker, wenn er den Weg mit den Zug zurücklegt als mit Auto. Dadurch wirkt der Ortswechsel stärker.

    Genauso verhält es sich mit einem Kunstwerk. Der Kontrast zur nüchternen Umgebung eines Museum ist stärker als in einer vollgestellten Wohnung und kommt dadurch besser zur Geltung.

    Um mich von den tiefschürfenden Gedanken zu erholen, höre ich zwischendurch die Forsythe Saga :lache

    Ich höre zwischendurch auch andere Hörbücher. Ich war letzte Woche fast am Aufgeben, aber im Moment ist es gerade wieder einfacher.

  • Ich glaube, es geht um den Kontrast. Er empfindet den Unterschied zwischen dem Abfahrtsort und dem Ankunftsort stärker, wenn er den Weg mit den Zug zurücklegt als mit Auto. Dadurch wirkt der Ortswechsel stärker.

    Genauso verhält es sich mit einem Kunstwerk. Der Kontrast zur nüchternen Umgebung eines Museum ist stärker als in einer vollgestellten Wohnung und kommt dadurch besser zur Geltung.

    Möglicherweise war das Empfinden damals noch ganz anders, da man ja nicht so häufig reisen konnte.

    Andererseits haben sich die Regionen noch stärker voneinander unterschieden. Wenigstens in den Städten kann man heute häufig gar nicht mehr genau sagen, wo man eigentlich ist, wenn man nicht gerade vor einem besonderen Wahrzeichen steht.



    Ich denke oft mal über die "verlorene Zeit" nach, darüber, an wie viele Dinge ich mich gar nicht mehr erinnern kann oder nur sehr undeutlich. Manchmal ist dann eine Bemerkung von Proust der Auslöser, dass ein Bild im Kopf auftaucht. Es ist mir aber nach wie vor ein Rätsel, wie er sich nach Jahren noch an Einzelheiten von Odettes Garderobe bei einem Sonntagsspaziergang erinnern kann.


    Auch wenn ich bestimmt nicht jeden Gedankengang nachvollziehen kann und bestimmt vieles gar nicht wirklich mitkriege, bin ich doch noch motiviert.

    Mut zur Lücke eben.

  • Es ist mir aber nach wie vor ein Rätsel, wie er sich nach Jahren noch an Einzelheiten von Odettes Garderobe bei einem Sonntagsspaziergang erinnern kann.

    Das ist wirklich unglaublich. Deshalb frage ich mich, ob das alles wirklich so stimmt. Vermutlich vermischen sich bei ihm die Erinnerungen, wie es eben allen Menschen passiert. Ich habe mir auch schon mal überlegt, ob er, weil er doch schon immer Schriftsteller werden wollte, von Zeit zu Zeit kleine Texte über erlebte Szenen verfasst hat, sozusagen als Skizzen, oder Tagebuch geführt, auf das er später zurückgegriffen hat.

    Mut zur Lücke eben.

    :thumbup:

  • Und ich weiß noch nicht einmal mehr genau, in welchem Jahr der Minirock Schlagzeilen machte. :grin


    Folge 23

    Manchmal frage ich mich wirklich, ob das die gleiche Person ist, die da erzählt. Einmal will er am liebsten Gilberte heiraten und besucht ein Bordell und dann kann er nicht ohne die Mama an die See reisen.

    Manchmal scheint uns der Autor ein wenig veralbern zu wollen.

    Aber die Schilderung des Sonnenaufgangs gefällt.

  • Einmal will er am liebsten Gilberte heiraten und besucht ein Bordell und dann kann er nicht ohne die Mama an die See reisen.

    Und dabei fährt doch auch noch seine Großmutter mit!


    Witzig finde ich, dassd er Arzt ihm Bier gegen Erstickungsanfälle empfiehlt. Okay zur Entspannung kann das helfen. Und dann hat er wohl einen Schwips. Er spricht jedes Wort langsam und betont aus. Wie er die blaue Farbe des Vorhangs wahrnimmt! Man könnte fast auf die Idee kommen, er hätte anderweitige Drogen genommen. Und dann bittet er den Schaffner, bei ihnen Platz zu nehmen. :rofl

    Aber die Schilderung des Sonnenaufgangs gefällt.

    Ja, und die Nacht im Zug mit den Geräuschen.

  • II/24.


    Hier durchlebt Marcel ein Wechselbad der Gefühle, mal himmelhoch jauchzend, dann zu Tode betrübt.

    Wobei ich denke, dass seine Hochstimmung, in die er durch den Anblick der jungen Bäuerin gerät, eher durch die Morgenstimmung, vor allem aber durch die romantisierende Vorstellung eines Großstädters vom Landleben ausgelöst wurde.

    Kaum ist er am Zielort angekommen, ist er maßlos enttäuscht, weil (wieder einmal) nichts so ist, wie er es sich vorgestellt hat.


    Seine Großmutter gefällt mir.

  • 24 habe ich heute auch gehört.

    Ich denke, der Autor muss sich doch auch über sich selbst lustig machen. Diese verklärten Vorstellungen vom Leben mit dem jungen Bauernmädchen müssen doch in der Rückschau eher zum Lachen sein.

    Und in Balbec die übliche Enttäuschung.

    Ich habe schon wieder vergessen, ob das in Wirklichkeit Caen sein soll? Sollte ein Wunder geschehen und wir Ende Mai nach Frankreich fahren, werde ich auf dem Weg die Kathedrale anschauen.


    Gefallen hat mir die Beschreibung des Hoteldirektors. Sehr treffende Gedankengänge.

    Soso und der junge Herr fühlt sich nicht wohl. So ein Hypochonder. :grin