Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Marcel Proust

  • 38

    Diese ellenlangen Ausführungen über die völlig unbekannten jungen Mädchen erscheinen mir etwas befremdlich. Da erscheinen sie ja, die Mädchenblüten.

    Das ist eine der Stellen, wo ich meine, es ist ein ferner Planet, von dem da die Rede ist.

    Es ist immer wieder erstaunlich, wie gründlich er seine Umgebung beobachtet und einordnet. Wenn man noch bedenkt, dass er als junger Mann eigentlich nur Bekanntschaft mit diesen Mädchen machen möchte. Das Ganze Drumherum sollte ihm doch nebensächlich sein.


    Mich erstaunt diese Mädchengruppe. Ich hatte bisher die Vorstellung, dass damals die jungen Leute, vor allem die Mädchen, viel gesitteter waren. Aber das hier beschriebene Verhalten würde ich als ungezogen und respektlos bezeichnen. Anscheinend war die Jugend früher auch nicht besser. :lache


    II/39.


    Ich frage mich, wie lange Marcel sich schon in Balbec aufhält. Das müssen doch schon Monate sein.

    Immerhin hat er die Erkenntnis gewonnen, dass Schreiben nicht immer Spaß machen muss, sondern einfach Arbeit ist.

    40

    Oh je, jetzt ist er auch noch betrunken und seine Schilderungen werden noch eigenartiger. Eine plötzliche Verwandlung in einen "Lebemann".

    Die Beschreibung der Kellner hat mir besonders gut gefallen. Er wundert sich, wie sie es schaffen, die Speisen an den Tisch zu bringen, ohne dass sie herunterfallen. Er wäre sicher nicht in der Lage gewesen.

  • Vermutlich bleiben sich junge Menschen immer gleich. Nur die Sitten und die Ansichten von uns Alten ändern sich. :lache

    Beeindruckt hat mich auch die Schilderung des nächsten Tages, an dem Marcel sicherlich einen Kater hat und gar nicht richtig aufwachen will. Interessant, dass die Großmutter gar nicht auftaucht. So besorgt wie sie sonst ist.

  • Beeindruckt hat mich auch die Schilderung des nächsten Tages, an dem Marcel sicherlich einen Kater hat und gar nicht richtig aufwachen will.

    Ja, das hat mir auch gut gefallen. Aber ebenso wie bei der Beschreibung seines Besäufnisses am Abend vorher, kommt er mir sehr distanziert vor. Da kommen keine solchen Sätze vor wie: "Oh, Mann, was hab ich da gestern Abend bloß gemacht! Hoffentlich hab ich mich nicht blamiert."

    Interessant, dass die Großmutter gar nicht auftaucht. So besorgt wie sie sonst ist.

    Das ist mir auch aufgefallen. Was die wohl so alles treibt. :lache

    43 und 44

    Mir gefallen die Beschreibungen der Bilder Elstirs und seine Ausführungen zu den Kunstwerken in der Kirche.

    Einfach grandios!


    Die Aussage, dass man in der Malerei Dinge nicht nach seinem Wissen darstellen soll, sondern nach den optischen Täuschungen, hat mich an eine Erkenntnis in meiner Kindheit erinnert: Wenn ich die Blätter eines Baumes ansehe, dann haben sie für mich optisch unterschiedliche Grüntöne, obwohl sie alle farblich identisch sind. Da kann es sein, dass manche Blätter sogar schwarz aussehen.

  • II/45. - 48.


    Ich wundere, mich wie schnell Marcel und Elstir ein Verhältnis aufbauen, das über Oberflächlichkeit hinausgeht. Elstir veranstaltet sogar eine Matinee, damit Marcel die Mädchen kennenlernt.


    Es ist witzig, wie Marcel Pläne macht, wie er Kontakt mit den Mädchen aufnehmen kann, die aber alle schief gehen. :lache

    Und als er endlich Albertine kennenlernt, ist von ihr enttäuscht.Sie ist eben anders, als er sie sich vorgestellt hat.


    Aber da sind ja noch ihre Freundinnen. Ich habe den Eindruck, dass Albertine bewusst eine Kontaktaufnahme mit ihren Freundinnen unterbindet. Ist sie einfersüchtig?

    Aber Marcel ist der Hahn im Korb. Als Andree ihn auf Distanz hält, interessiert ihn Gisele, vergisst sie aber ganz schnell, als sie abgereist ist, und wendet sich den anderen zu.


    Und was ist mit seiner Freundschaft mit Saint-Loup? Unwichtig!


    Sehr überrascht bin ich, dass Marcel sich jetzt als junger Mensch vorstellt, wie diese Mädchen in 30 Jahren aussehen werden. Das ist doch in diesem Alter nicht normal. Zum Glück beeinflusst ihn das jetzt nicht weiter und er genießt erst mal die Zeit.

  • II/49. - 51.


    Marcel hat es nicht leicht mit den Mädchen :lache. Andree hat wohl ein Auge auf ihn geworfen. Sie zerpfückt Giseles Aufsatz. Will sie ihm dadurch imponieren? Sie mag es auch nicht, wenn er von Albertine schwärmt.

    Doch er hat sich mittlerweile für Albertine entschieden. Mit ihr will er seinen Roman haben. Was für eine schöne Formulierung!


    Und dann das Ringleinspiel! Das hört sich nach Kinderkram an. Aber ich glaube, früher haben die Jugendlichen solche Spiele gerne mit Erotik unterlegt. Auch das Blinde-Kuh-Spiel bot sich für so etwas an.


    Im 52. Abschnitt gefällt mir, wie er Andree beschreibt. Und auch das Gespräch mit dem Weißdorn fand ich schön.


    Wieder legt er sich eine Taktik zurecht. Das ist doch schon mal schief gegangen. Er spielt Albertine Gleichgültigkeit vor.


    II/53.


    Und als sie ihn für den Abend in ihr Zimmer einlädt, glaubt er sich am Ziel seiner Wünsche. Was hat sie sich bloß dabei gedacht? Was empfindet sie eigentlich für ihn?


    II/54. - 55.


    Am Ende stellt Marcel fest, dass die Menschen anders sind, als sie scheinen.

  • III/1.-3.


    Jetzt tauchen wir mit dem Erzähler in die Welt der Guermantes ein. Er hat Probleme, sein phantasievolles, verklärtes Bild von den Guermantes mit den realen Personen in Einklang zu bringen.


    Ich habe versucht, mich zu erinnern, ob ich so eine Situation selbst erlebt habe. Sicher schwärt man mal in der Jugend (oder auch später) von Idolen und malt sich aus, wie die so sind. Aber sie dann wirklich kennenzulernen ist doch eher unwahrscheinlich.


    Im zweiten Abschnitt hat mir sehr gut gefallen, wie Francoise mit ihren Ecken und Kanten beschrieben wird. Die Szene war ja zu köstlich, wie das Klingeln der Herrschaft mit der Theaterklingel verglichen wird: Erst beim dritten Mal geht es los. :lache


    Sehr aktuell ist der Satz bei min 15:33:

    „Francoise hatte noch nicht begriffen, dass unsere gefährlichsten Gegner nicht diejenigen sind, die uns widersprechen und uns zu überreden versuchen, sondern die, welche Nachrichten übetreiben oder erfinden ..."

  • III/4.-5.


    So ganz verstanden habe ich das nicht, warum ihm jetzt die Berma gefällt. Auf jeden Fall hat es etwas damit zu tun, dass er beim ersten Mal falsche Vorstellungen gehabt hatte. Jetzt versteht er ihre Schauspielkunst. Gerade weil man die Kunst nicht wahrnimmt, wirkt es so echt, nicht aufgesetzt.


    Marcel beobachtet die Zuschauer ganz genau. Eigentlich ist das für ihn genauso eine Theatervorstellung wie das, was sich auf der Bühne abspielt. :lache


    Wirklich grandios ist sein Vergleich der Zuschauerlogen mit einer märchenhaften Unterwasserwelt.

  • Da habe ich allerhand aufzuholen :)


    Jedenfalls kann ich berichten, dass man Cabourg an einem schönen Sommersonntag dringend meiden sollte. Trotzdem konnte ich Casino und Grand Hotel - von außen - bewundern. Schwierig sich vorzustellen, wie es wohl tatsächlich zu Prousts Lebzeiten war. Das Städtchen kann damals nicht groß gewesen sein.


    Inhaltlich dann bald wieder. :wave

  • Ja, der Urlaub war sehr schön, es ist aber auch daheim wieder sehr schön.

    Seltsamerweise hatte ich im Urlaub auch gar keine Zeit zum Hören. Wir waren recht viel unterwegs. Aber dazu ist der Urlaub auch da :)


    Und hier, das berühmte Grandhotel. Mal von der Stadtseite, mal vom Strand aus. An der Kirche wird gebaut, die habe ich mir geschenkt.

  • Vom Ende des Abschnitts in Balbec habe ich leider nicht mehr alles mitgekriegt. Jetzt ist es nicht mehr in der Audiothek zu finden.

    Mir haben aber die Schilderungen der Mädchenclique und des etwas naiven Marcel dabei sehr gefallen.

    Ich denke, die Jugendlichen haben diese Spiele mit ganz anderen Hintergedanken gespielt. Sie sind eben auch

    in einer anderen Welt aufgewachsen.


    Ach ja, die Guermantes. Er kann eigentlich nur enttäuscht werden. Die Vorstellung, nur weil jemand aus dem Hochadel kommt, müsste er auch ein besserer Mensch sein, ist schon erstaunlich. Zumal das Bürgertum damals gerade selbstbewusster geworden war.


    Über die Szene, in der Marcels Mutter schüchtern geklingelt hat und die Bediensteten es für eine Zumutung hielten nach stundenlanger Mittagspause wieder an die Arbeit zu gehen, war köstlich. Ich frage mich, über wen sich der Autor wohl mehr amüsiert hat?

  • III/6.-10.


    Ich finde es ja "riesig" (wie es ja in diesem Buch immer wieder heißt) peinlich, wie Marcel der Herzogin nachstellt. Und dann kommt er auf die Idee, Saint-Loup als Vermittler einzuschalten. Ich finde, er benutzt ihre Freundschaft. In Balbec hatte er es nicht geschafft, seinen Freund zu besuchen, weil er lieber mit den Mädchen zusammen war. Erst jetzt, wo er ihn braucht, denkt er an ihn. Und dann spricht er nicht einmal ehrlich mit ihm. Er versucht ihn zu manipulieren. Robert scheint ihn zu durchschauen, aber er verzeiht es ihm. Ich kann mir das nur so erklären, dass er nachfühlen kann, wie peinlich Marcel das alles ist. Ich denke, heute würde man das unter so engen Freunden nicht als so peinlich empfinden.

  • Er überspitzt auch so einiges. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass er als der erwachsene Erzähler die "Heldenverehrung" seines jüngeren Selbst nicht auch kritisch sieht.

    Es gibt übrigens ein interessantes Buch über den Einfluss von Prousts Vater auf ihn. Der war ein bekannter Mediziner Adrien Proust und sein Sohn Marcel.


    Das werde ich mir mal besorgen.

    Kürzlich habe ich "Der Mann im roten Rock" von Julian Barnes gelesen. Seine Hauptfigur ist ein Zeitgenosse Prousts, der französische Arzt Dr. Pozzi. Auch da erfährt man einiges über das Gesellschaftsleben dieser Zeit.

  • III 4 und 5


    Ich meine, den wichtigsten Grund, warum ihm die Berma jetzt gefällt, hat er gar nicht genannt. Er hat in der Zwischenzeit selber so viel Neues gelernt und aufgenommen und sich weiter entwickelt.

    Das spielt mit Sicherheit eine ganz große Rolle.


    Was ich auch nicht recht verstehe ist, was er sich vor Jahren eigentlich erwartet hat. Für mich hört es sich fast so an, als habe er eine Art göttliche Erscheinung erhofft. Da kann man nur enttäuscht werden.

  • III/11. - 14.


    Marcel zieht seinen Aufenthalt in Doncieres ganz schön in die Länge. Ich habe erwartet, er würde nur ein oder zwei Tage dort bleiben, um Saint-Loup als Fürsprecher bei der Herzogin zu gewinnen. Es freut mich für ihn, dass er sich dort so wohl fühlt und Ablenkung von seinem Liebeskummer findet.

    Die ganzen Ausführungen zur Kriegskunst hätte ich nicht gebraucht. Interessant hingegen fand ich, dass es zwei Gruppen von Adligen gibt, die sich gar nicht grün sind: den alten Adel und den des Kaiserreichs.

    Völlig daneben finde ich, wie er sich an die Herzogin ranmachen will. Glaubt er allen Ernstes, sie würde ihn einladen, ein Bild Elstirs bei ihr anzuschauen? Er weiß doch, dass sie sich durch ihn belästigt fühlt.


    Absolut grandios finde ich in Abschnitt 14 die Beschreibung des Telefonats mit seiner Großmutter und dann später seiner überraschenden Rückkehr. Er hatte das Privileg, „der eigenen Abwesenheit beizuwohnen“.