Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Marcel Proust

  • In Doncieres bin ich auch gerade und höre in der 9. Folge über die Arten des Schlafes :grin

    Genau, die verschiedenen Schlafphasen, ich erinnere mich.

    Seltsame Art von Ferien in einer Garnisonsstadt. Der Gute bräuchte dringend etwas Sinnvolles zu tun.

    Zum Thema "Etwas Sinnvolles tun":

    Ich habe mal in einem Buch gelesen, ich glaube, das war von Stefan Zweig, dass das gehobene Bürgertum in Deutschland (oder war es Österreich?), also Unternehmer, Selbständige etc. das Ziel hatte, seinen Kindern so viel Vermögen zu vermachen, dass sie davon einigermaßen leben konnten. Für gehobenere Ansprüche mussten sie dann selbst etwas verdienen.

    Ich kann mir denken, dass das in Frankreich ähnlich war. Das verleitet natürlich zum Schlendrian. Aber wenn die Jungs heiraten wollten, mussten sie sicher eine gute berufliche Position vorweisen, um eine gute Partie zu machen.

  • Wer für seinen Lebensunterhalt sorgen muss, kann für so einen Schlendrian nicht viel Sympathie aufbringen. Dabei bin ich durchaus für Mußestunden zu haben. :)


    Heute habe ich meinen Schreibtisch aufgeräumt und ein Zitat von Flaubert gefunden, dass auch für unseren Erzähler passt: "In den Gedanken ist mehr Wirklichkeit als in den Dingen".

    Bei solch einer Einstellung kann man vom Leben nur enttäuscht werden. Ich muss dabei an Emma Bovary denken.

  • Zitat

    In den Gedanken ist mehr Wirklichkeit als in den Dingen.

    Was für ein Satz!

    Nachdem ich mich den Dingen gewidmet habe (Großeinkauf), kommen jetzt die Gedanken zum Zug.

    Spontan denke ich, dass die Dinge viel wirklicher sind als Gedanken. Andererseits kann ich in Gedanken viel mehr Wirklichkeit nacherleben, sowohl räumlich als auch zeitlich. Ich kann vorausdenken. Ich kann viel tiefer in einen Sachverhalt eindringen, weil ich ihn verstehe.

    So gesehen passt dieser Satz auf den Erzähler. Er nimmt viel mehr von der Wirklichkeit wahr, nicht nur weil er sehr genau beobachtet, sondern weil er sich Gedanken darüber macht.

  • Für mich kann man es drehen und wenden wie man will, ohne die Wirklichkeit sind Gedanken nichts und ohne Gedanken ist die Wirklichkeit eher hirnlos. :grin



    Aber unser Erzähler kann vor lauter Gedanken die Wirklichkeit häufig nicht so sehr genießen, sondern ist enttäuscht von ihr. Mehr als nötig wäre.

  • III/15.


    Zurück in Paris stellt Marcel schon wieder Madame de Guermantes nach. Ich hatte gedacht, er würde darüber hinweg kommen.


    Ich frage mich, ob Robert mit seiner Tante wegen Marcel gesprochen hat. Zumindest hat er wohl ganz vorsichtig angeklopft. Und ihre Reaktion war wohl so eindeutig, dass er Marcel lieber eine Alternative anbietet. :grin


    Francoise scheint im Rentenalter zu sein. Ich habe den Eindruck, sie kann sich nicht entscheiden, ob sie in Paris in Stellung bleiben oder zurück aufs Land gehen möchte. Sie scheint eine Zwischenlösung gefunden zu haben. Sie nimmt sich selbst frei, wann es ihr passt. :lache


    III/16.


    Marcels Vater rät ihm, über den Salon der Madame de Villeparisis den Herzog de Guermantes kennenzulernen, d. h. den Ehemann seiner Angebeteten. Das wäre ein heikle Situation.


    Immer wieder spielt die Dreyfus-Affäre eine Rolle. Die muss damals die Gesellschaft sehr gespaltet haben.


    Er lernt Roberts Freundin kennen. Ich war zuächst sehr verwundert, dass Robert an ihrer Liebe zu ihm zweifelt. Aber später war mir das klar.


    Was macht man als Freund in so einer Situation? Ihn über seine Freundin aufklären?

  • Verrückt vor Liebe.

    "verrückt" trifft es.


    III/17. - 20.


    Jetzt lernt auch der Leser Rahel kennen. Was für ein Luder! Sie macht im Theater eine Schauspielerin lächerlich.

    Sie provoziert Roberts Eifersucht immer wieder. Bei ihm habe ich den Verdacht, dass er weiß, was für eine sie ist. Er will es jedoch nicht wahrhaben und verdrängt es. Doch die Eifersucht kann er nicht verdrängen und macht ihn aggressiv. Er verprügelt einen Journalisten und einen Typen, der ihm Avancen macht. Diese beiden Szenen sind wunderbar beschrieben. Auch wie die Freunde des Journalisten ihn im Stich lassen. :lache

    Für uns heutige Leser ist es unangenehm zu lesen, wenn in Verbindung mit Homosexualität Begriffe wie „ernste Einkehr“ und „bessern“ verwendet werden.

  • Jetzt bin ich bei Folge 11 angekommen. Da ich keinerlei Ahnung von Kriegstaktiken habe, kann ich mir das alles ganz entspannt anhören. Allerdings ist es bedrückend zu hören, wie da über den Tod von vielen Menschen gesprochen wird.


    Die Dreyfuß Affäre hat in Frankreich einen gewaltigen Aufruhr verursacht. Es war ein echter Skandal.

  • Allerdings ist es bedrückend zu hören, wie da über den Tod von vielen Menschen gesprochen wird.

    Geht das überhaupt anders, wenn man freiwillig zur Armee geht? Ich weiß nicht, wie die Stimmung damals war. Der 1870/71-er Krieg war ja noch nicht so lange her. Gab es einen gesellschaftlichen oder familiären Druck auf die jungen Männer, Offizier zu werden? Oder war das Thema immer noch mit Begriffen wie "Heldentum" und "Vaterland" verklärt?

  • In bestimmten Adelskreisen gab es sicherlich einen gewissen Druck auf die jüngeren Söhne, zum Militär zu gehen. Heute habe ich die Folge 13 gehört. Interessant ist, dass es Eifersüchteleien und Intrigen zwischen "altem" und "neuem" Adel gab.

    In Deutschland war das Militär ja auch noch eine ganz eigene Gesellschaftsklasse, so eine Art Staat im Staate. Das war in Frankreich vermutlich ähnlich.

  • Heute habe ich die Folge 13 gehört. Interessant ist, dass es Eifersüchteleien und Intrigen zwischen "altem" und "neuem" Adel gab.

    Vermutlich gab es das in Deutschland auch. Sicher haben die Familien mit Stammbaum bis ins Mittelalter über neue Nur-Vons (neu Geadelte :lache) die Nase gerümpft. Und dann gabs ja noch erblichen und nichterblichen Adel. Oder war das in England?


    Dann kannst du dich schon auf den 14. Abschnitt freuen. Das Telefongespräch mit seiner Großmutter und seine Gedanken drumherum sind super.

  • Ich bin jetzt mit dem 26. Abschnitt fertig. Mittlerweile nervt es mich. Der Autor beschreibt einen Abend im Salon der Madame Villeparisis. Anfangs ist das ja noch interessant, weil man einen Einblick in diese Gesellschaftsschicht bekommt. Allerdings kommen so viele Personen vor oder werden erwähnt, bei denen ich den Eindruck habe, der Leser sollte die kennen. Tu ich aber nicht. Das Gleiche gilt für die Dreyfus-Affäre.


    Unbestritten ist er ein hervorragender Beobachter und versteht es, seine Beobachtungen wiederzugeben. Ich frage mich aber, welchen Eindruck er auf die anderen Anwesenden macht. Jemand, der nur dasteht, kein Wort sagt und schaut.

    Zum Glück taucht am Ende Robert auf.

  • Dann kannst du dich schon auf den 14. Abschnitt freuen. Das Telefongespräch mit seiner Großmutter und seine Gedanken drumherum sind super.

    Das war eine der Stellen, für die ich Prousts Gedanken liebe. Wir nehmen Dinge wie das Telefon als völlig selbstverständlich hin.

    Beim Zuhören habe ich mich erinnert, wie faszinierend ich als Kind - wir selbst hatten erst Telefon, als ich schon 12 oder 13 war - diese Stimmen aus dem Hörer fand.


    Es gab schon einige Szenen, bei denen ich dachte, der zeitgenössische Leser konnte mit den geschilderten oder erwähnten Personen etwas anfangen, ich aber leider nicht.

    Immerhin habe ich in den beiden letzten Jahren einige Bücher über die Zeit vor dem 1. Weltkrieg in Frankreich gelesen - da ging es allerdings meist um Personen, oft Künstler, die ich wenigstens dem Namen nach kannte. Besonders viel hilft mir das aber nicht.

  • Ich bin bei 20/21 angekommen. Diese lange Beschreibung der Empfänge ist wirklich ein wenig schwierig. Was ich dabei allerdings interessant finde, auch wenn viele der auftauchenden Menschen nur Namen sind, ist, die vielen kleinen Gemeinheiten der Damen untereinander und auch der Herren zu verfolgen.

    Offenbar wird jede Gelegenheit genutzt, den anderen eins auszuwischen.

  • Diese lange Beschreibung der Empfänge ist wirklich ein wenig schwierig. Was ich dabei allerdings interessant finde, auch wenn viele der auftauchenden Menschen nur Namen sind, ist, die vielen kleinen Gemeinheiten der Damen untereinander und auch der Herren zu verfolgen.

    Auf jeden Fall ist mir klar geworden, dass diese Empfänge nicht nur zum Vergnügen da sind. :lache Es geht darum die richtigen Leute zu treffen und die richtigen Worte zu finden. Jede Menge Interessen stecken dahinter. Und dann braucht man Fingerspitzengefühl dafür, wer wen wem vorstellen darf. Puh!

    Es ist mir früher schon aufgefallen, habe es dann aber vergessen. Gerade höre ich die Folge 23 und Bloch blamiert sich so gut er kann. Er verwendet seltsamerweise fast wörtliche Wendungen Homers aus der Odyssee bei einigen Beschreibungen.

    Das muss schon in den vorherigen Bänden gewesen sein, als Marcel bei Familie Bloch eingeladen war. Das war der übliche Umgangston mit seinen Schwestern. Seltsam.

  • Ja, ich erinnere mich. Vermutlich wollte er mit seiner Bildung hausieren gehen.


    Stimmt, ein Vergnügen können diese Empfänge nicht gewesen sein. Und dennoch ungemein wichtig - besonders für die nicht geladenen.


    Übrigens habe ich gestern im Deutschlandfunk diesen Beitrag über den Vater von Marcel Proust gehört. Er ist nicht so lang und ich fand ihn ganz lohnend.Adrien Proust

  • Bei Folge 26 angekommen. Nachdem die Dreyfus- Affäre selbst in den Salons so großen Raum einnimmt, musst e ich doch mal nachlesen, habe doch viel vergessen.

    Jedenfalls hat es die Gesellschaft gespalten wie kaum ein anderes Thema.


    Aus der Bib habe ich einen Band der Graphic Novel aus dem vorigen Buch mitgebracht. Sie haben dort rätselhafterweise nur zwei aus verschiedenen Büchern. Wie mir mein Französischlehrer schon gesagt hat - die Bände sind hervorragend gemacht. Die Illustrationen sehr anschaulich öfter ist auf einem Bild die Aussage einer ganzen Seite zu sehen. Mal sehen, ob ich mir mal welche in Frankreich kaufe. Wird aber ein teures Vergnügen.