Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Marcel Proust

  • VI/5. - 7.


    Nicht nur Marcel, sondern auch Albertine scheint die Trennung schwer zu schaffen zu machen. Zumindest deutet ihr Briefwechsel das an.

    Es würde einen nicht wundern, wenn die zwei wieder zusammenkämen.

    Doch dann ist alles zu spät. Albertine verunglückt bei einem Reitunfall tödlich! Wie tragisch!

  • VI/8. - 16.


    In diesen Abschnitten denkt Marcel über seine Liebe zu Albertine nach. Wie sie sich verändert hat, wie ihre Beziehung hätte sein können, wenn …

    Er beschreibt, wie er in anderen Frauen Albertine wiederzufinden versucht, allerdings erfolglos, wie seine Erinnerungen, Eifersucht und Liebe wellenartig langsam verblassen. Jetzt ist sie ihm endgültig entflohen.


    Das ist wirklich phänomenal, wie der Erzähler sein ganzes Innenleben auf's genaueste analysiert und beschreibt. Doch leider wirkt dadurch alles so distanziert und emotionslos.

  • VI/17. - 23.


    Als Marcel ins gesellschaftliche Leben zurückkehrt, trifft er Gilberte wieder. Ich bin entsetzt, wie nicht nur die Gesellschaft, sondern auch Gilberte ihren jüdischen Vater veleugnet und totschweigt, obwohl er doch zu Lebzeiten ein angesehener Mann war. In gewisser Weise habe ich Verständnis für sie, da es für sie um ihre Heiratschancen geht. Andererseits wird nicht klar, wie weit sie ihren Vater selbst ablehnt.

    Es ist schrecklich, wie kalt darüber gesprochen wird, wie selbstverständlich dieses Verhalten angesehen wird.


    Da Marcel immer noch die Ungewissheit umtreibt, wie weit Albertine ihn belogen hat, versucht er, aus Andree die Wahrheit herauszulocken. Sie erzählt ihn einiges, was ihm nicht gefällt. Die Frage ist allerdings, ob er ihr glauben kann.

    Erst jetzt macht er sich Gedanken darüber, was ich mich schon lange gefragt habe, nämlich, dass es womöglich Albertines Ruf geschadet hat, dass sie solange bei ihm gewohnt hat. War das der Grund, dass sie ihn schließlich verlassen hat?

  • VI/24. - 27.


    Endlich geht ein Traum in Erfüllung: Marcel reist mit seiner Mutter nach Venedig. Er scheint den Tod Albertine verwunden zu haben. Doch dann kommt eine Depesche mit dem Inhalt:

    Lieber Freund, die Totgeglaubte ist noch sehr lebendig und wünscht ein Wiedersehen, um über Heirat zu sprechen, wann Rückkehr? Alles Liebe Albertine.


    Ich habe erwartet, dass er sofort aus dem Zimmer stürmt und seiner Mutter davon berichtet. Statt dessen macht er sich weit und breit Gedanken, was das für ihn bedeutet. Will er noch eine Beziehung zu ihr? Hat sie sich verändert? Gut, die Gedanken sind natürlich viel schneller, als sie erzählt werden können. Wahrscheinlich hat sich das in einem Bruchteil einer Sekunde abgespielt.


    Aber warum erzählt er seiner Mutter nichts davon? Ist das ein Verdrängungsmechanismus?


    Und dann stellt sich das alles als ein Irrtum heraus! Der Beamte vom Telegrafenamt scheint wohl Probleme mit Gilbertes Handschrift gehabt zu haben und den Rest hat Marcel falsch gelesen. Hat er das gelesen, was er gerne gelesen hätte?

    Offensichtlich hat er doch nicht so mit Albertine abgeschlossen, wie er glaubt.

  • VI/28. – 30.


    Die Freundschaft zwischen Marcel und Robert kam mir ja von Anfang an seltsam vor. Marcel kann es kaum glauben, dass Robert homosexuell ist, und hinterfragt viele vergangene Situationen mit ihm. Hat er sich manchmal nur so verhalten, um seine Neigungen zu verstecken oder hat er sie womöglich lange Zeit verdrängt?


    Mir fällt auf, dass in Marcels Bekanntenkreis viele homosexuell sind. Und sie unterhalten geschlechtliche Beziehungen zu beiden Geschlechter. Natürlich müssen sie aus gesellschaftlichen Gründen heiraten. Aber es scheint mir, dass sie durchaus auch Neigungen zum anderen Geschlecht haben. Das wundert mich. Ich dachte, die meisten würden sich festlegen.


    Ende von Band VI.

    :freude

  • VII/1. – 13.


    Nach Jahren besucht Marcel Gilberte, seine erste (wenn ich mich recht erinnere) große, wenn auch unerfüllte Liebe. Er kann nicht mehr nachvollziehen, was ihm an ihr so gefallen hat. Interessant, wie sie beide jetzt über diese Zeit reden.


    Mittlerweile ist der 1. Weltkrieg ausgebrochen. Ich vermute, dass mich in diesen Tagen des Ukrainekriegs die Beschreibungen von Verdunkelung und Luftangriffen mehr berühren, als es sonst gewesen wäre. Und mich regt die Affektiertheit der Madame Verdurin maßlos auf, wenn sie Migräne bekommt, wenn sie nicht ihre üblichen Hörnchen zum Frühstück bekommt. Diese Frau ist einfach nur schrecklich! Ich verstehe immer noch nicht, was Marcel dazu bringt, diesen Salon zu besuchen.

    Ewig lange Monologe über Politik nerven mich.


    Andererseits ist es schön für mich zu lesen, dass es auch Menschen gibt, die nicht völlig dem Patriotismus verfallen, sondern eine Objektivität gegenüber den Kriegsparteien bewahren, wie z. B. Charlus oder Robert.

  • VII/14. - 16.


    Das ist ja wirklich krass! Marcel gerät nichtsahnend in ein Männerbordell. Aber anstatt dass er so schnell wie möglich das "Hotel" verlässt, wie ich es erwartet hätte, beobachtet er genau. Auch wie Charlus sich masochistisch behandeln lässt.


    Ob der Autor das alles wirklich so erlebt hat, ist ja fraglich. Aber dass er das in der damaligen Zeit so veröffentlicht hat, wundert mich doch sehr.

  • VII/18. - 25.


    Etliche Jahre scheinen vergangen zu sein. Der Autor ist kein junger Mann mehr und ihn plagen weiterhin Selbstzweifel an seinen literarischen Fähigkeiten, weil er nicht mehr im Stande ist, Natur zu empfinden und zu beschreiben.


    Bis zu diesem Zeitpunkt hat mir der Autor leid getan, weil sich mir sein Leben als vergeudet darstellt. Auch ihm geht das so. Doch dann hat er sozusagen ein „Erweckungserlebnis“. Auf einen Schlag verschwinden seine Zweifel. Er empfindet wieder Beseeligung wie beim Geschmack der Madeleine. Endlich ist er bereit, sein großes Werk in Angriff zu nehmen. Er weiß jetzt, wo sein Fehler all die Jahre gelegen hat: Es geht nicht darum, eine kinematografische Schau festzuhalten.


    Und hier läuft der Autor wieder zu der Hochform auf, die ich vor allem anfangs bewundert habe. Es geht um Assoziationen, den Kampf von alten und neuen Erinnerungen etc.


    Ein paar schöne Vergleiche:


    Ein Buch ist ein Friedhof, bei dem man die Namen auf dem Grabstein nicht mehr lesen kann.


    Der Leser ist ein Leser seiner selbst. Das Buch ist wie ein optisches Hilfmittel, um in sich selbst hineinzuschauen.


    Es gibt soviele Welten wie Künstler.

  • Ohne Corona hätte ich das bestimmt nicht durchgehalten. Und zugegebenermaßen habe ich manche Abschnitte so unkonzentriert angehört, dass ich da nicht viel mitgekriegt habe. Ich weiß, dass noch viel mehr in dem Werk steckt, das mir verborgen geblieben ist.


    Jetzt könnte ich mich auch fragen, ob das dann verlorene Zeit war.
    Aber nun weiß ich ja, wie man sie wiederfindet. :lache

  • 26 - 34


    Viele Jahre sind vergangen, als der Autor wieder einmal den Salon der Guermantes betritt. Er kommt sich vor, als wäre er auf einem schaurigen Maskenball mit dem Motto "Alte Menschen", als hätten sich die Menschen, die er von früher kannte, kostümiert und Masken aufgesetzt. :D


    Es ist ein Genuss, wie der Autor in einem surreal anmutendem Bild die Metamorphose der Gesellschaft beschreibt. Nicht nur, dass die einzelnen Personen sich in ihrem Äußeren so verändert haben, dass er sie teilweise nicht mehr erkennt, auch die Gesellschaftshierarchien haben sich verändert.

    Diese Szene hat mich an eine frühere erinnert, als er den Zuschauerraum eines Theaters mit einem Aquarium vergleicht.


    Einfach großartig!

  • VII/35. - Ende


    Bei der Beschreibung dieses „Maskenballs“ musste ich an Klassentreffen denken, wenn man ehemalige Mitschüler nicht mehr erkennt, wenn sie einen ganz anderen Lebensweg eingeschlagen haben, als man ihnen früher zugetraut hätte.


    In den letzten Abschnitten geht es auch darum, wie einzelne Personen unterschiedliche Erinnerungen an die selben Menschen und Situationen haben. (Ist das der Grund, warum manche alte Ehepaare so viel streiten?)


    Der Autor macht sich Gedanken darüber, wie ihm nahestehende Menschen und seine Beziehungen zu ihnen, jetzt wären, wenn er sie nicht verloren hätte.


    Die ruinöse Kraft des Altern macht dem Autor Angst. Er befürchtet, dass ihm nicht mehr genug Zeit bleibt, die nach Jahrzehnten wiedergefundene Zeit festzuhalten. Aber offensichtlich hat er es geschafft.


    Eigentlich habe ich ihn die ganze Buchreihe hindurch immer wieder bemitleidet, dass er in seinem ganzen Leben bis kurz vor seinem Ende nichts zustande gebracht hat.

    Dass er jetzt am Ende seines Lebens den Sinn darin sehen kann, dass er jetzt einen Weg gefunden hat, daraus ein literarisches Meisterwerk zu schaffen, ist tröstlich.


    ENDE