'Berlin Alexanderplatz' - 8. + 9. Buch

  • Ich bin baff, habe das 8. Buch in einem Rutsch durchgelesen, und es hat mir richtig gut gefallen! :wow Das lag vor allem an der durchgängigeren Schreibweise, es war nicht mehr so "verzettelt", die Handlung - zwar immer noch mosaikartig zusammengefügt - las sich trotzdem mehr "aus einem Guss".


    Besonders gut haben mir diese Szenen gefallen:
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    S. 378/379: Der Abschnitt über Mieze. Ein gefühlvoller Abriss ihres Lebens, genau die richtige Mischung aus biographischen Daten und Emotionen, fand ich sehr schön!!
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    S. 382 ff.: Franz erkennt die Wahrheit. Zum allerersten Mal wird er RICHTIG menschlich, er kann es nicht fassen, leidet, bricht um eines anderen Menschen willen zusammen, er sieht nur sie, und nicht die Gefahr in der er selbst steckt. Meine tiefe Sympathie für Franz an dieser Stelle!
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    S. 388 ff.: Die Friedhofsszene. Diese Idee und ihre Umsetzung hat mich sehr beeindruckt, der herumirrende Franz auf der Suche nach Mieze, begegnet den Lebenden und den Toten, deren Schicksal er am Rand erfährt.
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    S. 394/395: Die Engel. Der Gedanke, dass Engel den Gefallenen begleiten und ihn schützen, weil er trotz seiner Vergangenheit und seiner Schicksalsschläge noch "aufrecht steht" und ihm dafür weiterhin Kraft geben, gefällt mir.
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    Doch es scheint nichts zu nutzen (d.h. die Engel haben auch keine "Allmacht", sonden begleiten ihn nur auf dem Weg, den er geht), Franz wird verhaftet, nachdem er auf einen Polizisten geschossen hat und die Engel verlassen ihn.


    Ich frage mich, WARUM hat er das überhaupt getan? Er wusste, dass dort eine Razzia stattfindet, er geht extra dorthin, und schießt dann auf einen Polizisten. Vielleicht WOLLTE er verhaftet werden?


    Ich muss gestehen, JETZT bin ich doch gespannt, wie das Buch endet... :wow

  • :bruell FEEEEEEERTIG!!!


    Zum 9. Buch, dem letzten Kapitel:
    Franz hungert sich fast zu Tode, hat sich aufgegeben. Der Kontrast zwischen den Debatten der Ärzte untereinander, und den Wahnvorstellungen von Franz, während er mit dem Tode kämpft, verdeutlicht das Absurde dieser Situation.

    Gut gefallen haben mir die Dialoge zwischen dem Tod und Franz, der Tod macht ihm seine Mitschuld an Miezes Ermordung deutlich und drängt ihn dazu, sich aufzugeben. Nacheinander treten all die Personen, die einen Wendepunkt in Franzes Leben darstellen vor ihn und sprechen mit ihm: Ida, Lüders, Reinhold, Mieze. Erst als sich Franz dadurch bewusst wird, was er falsch gemacht hat, erwachen seine Lebensgeister durch seine Reue. Der "alte" Franz stirbt, und es erwacht eine neuer Franz, der sich nach der Entlassung aus der Anstalt im Prozess gegen Reinhold (HA! Welch Genugtuung, dass seine Tarnung aufgeflogen ist und er sich selbst verraten hat!) aussagt, und somit beginnt sich tatsächlich seinem Leben zu stellen. Ein gelungenes Ende für ein insgesamt eher durchwachsenes Buch!


    Mein Fazit zu dem gesamten Buch:
    „Das Werk zählt zu den großen Epen unserer Zeit“ steht vorne im Buch, doch mir blieb die Faszination dieses Werkes weitgehend verschlossen. Auch wenn Döblin mosaikartig ein detailliertes Bild des Berliner Lebens in den 20er Jahren entwirft und sich dabei vor allem auf die sozialen Randgruppen konzentriert, was an sich sicher interessant ist, konnte ich mit seinen zahlreichen Stilmitteln, die mir das Lesen erschwert haben, nicht viel anfangen. Zwischen lautmalerischen Sätzen („Rummer di rummer di rumm“), Gedankenfetzen, eingeschobenen biblischen Szenen, Zeitungsartikeln, und politischen Debatten und das alles in abruptem Wechsel von Berliner Dialekt zu Hochdeutsch oder Verbrecherjargon, blieb mir zuwenig Verbindung zwischen den eigentlichen Handlungssträngen. Man musste sie förmlich konzentriert herauslesen, um der eigentlichen Handlung folgen zu können.


    Die Geschichte an sich, die des Franz Biberkopf, eines ehemaligen Sträflings, der versucht anständig zu bleiben und doch, durch Schicksalsschläge gebeutelt, immer wieder auf die schiefe Bahn gerät, hat vor dem zeitlichen Hintergrund der 20er Jahre in Berlin sicherlich Potential, und wurde zur Zeit des Erscheinens sicher zu Recht heftig diskutiert. Doch die Sprache Döblins und seine Montagetechnik der Momentaufnahmen überschatteten das Lesevergnügen doch sehr, so dass ich mich zwischenzeitlich zwingen musste, überhaupt weiter zu lesen, dies gilt bis zum 7. Kapitel.


    Die letzten beiden Kapitel haben mir dagegen recht gut gefallen, nicht zuletzt, weil sie sich zusammenhängender lesen lassen und mir die hier eingefügten Stilmittel besser gefallen. Warum nicht gleich so? Den mühsamen Eindruck des Großteil des Buches konnten sie jedoch nicht wieder wett machen, und so würde ich das Buch nur denen empfehlen, die o.g. Stilmittel mögen und die sich gerne durch einen Wust von Informationen wühlen, um die Handlung herauszupicken.


    Zusatzinformation: Im extra zugelegten Lektüreschlüssel wird das Buch in einem Atemzug mit „Ulysses“ von James Joyce genannt .



    @ Meine tapferen Mitstreiterinnen :wave, bin sehr gespannt auf eure Anmerkungen zu diesen letzten beiden Kapiteln und natürlich auf eure Abschlussmeinungen!

  • Langsam aber sicher geht es dem Ende zu :grin


    Zum 8. Buch:


    Da kann ich eigentlich millas Erläuterungen nichts mehr hinzufügen. Die Friedhofsszene fand ich ganz wunderbar.


    Warum Franz geschossen hat, das ist mir auch ein Rätsel.


    Variante 1: ihm ist schon alles egal, sein Leben ist so oder so verpfuscht, da sitzt er dann wenigstens schuldig im Gefängnis


    Variante 2: er bekam die Panik (was ich aber nicht glaube, denn vom Charakter und vom Temperatment her würde ich ihn eher phlegmatisch einschätzen).


    So, auf gehts in das letzte Buch!!

  • :bruell ICH HABE FERTIG !!


    Das 9. und letzte Kapitel hat mich dann doch wieder mit dem Buch versöhnt.


    Das Zu-Tode-Hungern ist sehr anschaulich beschrieben, wie Franz schön langsam ins Delirium kommt, wie sein ganzes Leben bzw. die Personen in seinem Leben der Reihe nach auftauchen, wie er dann doch zu sich selber findet und seine Fehler einsieht. So irgendwie stelle ich mir auch das Sterben vor.....


    Ebenfalls gut gefallen hat mir das Gespräch der Ärzte, was man denn mit dem Nahrungsverweigerer macht. - Althergebrachte Behandlungen, oder psychologisch so in Richtung Freud?


    Franz's Tod und seine Wiedergeburt ..... hier verwendete Döblin Elemente, die er auf seinem Indien-Besuch kennen gelernt hat (im Nachwort zu einem Neudruck, 1955 sagt er:
    "Ich kam damals sozusagen frisch aus Indien, damals, um die Mitte der Zwanzigerjahre"


    Auch hier wieder die biblischen Motive, der Sieg des Todes über die Hure Babylon. Und Franz' neues Leben. Ob es diesmal besser wird?????????????


    Dieses letzte Buch ist fast schon esoterisch, man bedenke, dass es in den 20-er-Jahren geschrieben wurde!


    An irgendeiner Stelle im Buch wird sogar erwähnt, dass diese Geschichte des Franz Biberkopf 2, ja sogar 3 Mal gelesen werden sollte. Wäre wohl für das bessere Verständnis eine gute Idee, aber ich in diesem Leben nicht mehr :lache :lache


    ... und die Moral von der Geschichte?
    - wachsam sein
    - nicht unbedacht drauflosrennen
    - nicht dem "Schicksal" die Schuld geben


    DANKE milla  :knuddel1 für die Begleitung, ohne dich hätte ich das Buch schon längst an die Wand geschmissen. Und so bin ich jetzt fast stolz darauf sagen zu können: "Ich habe es gelesen" :knuddel1

  • ... und für alle die noch nicht genug haben gibts als krönenden Abschluss am Donnerstag, 29.9.2005 um 1.05 (!) auf ARD die Verfilmung aus dem Jahr 1931 dieses Werkes!


    hier