Chris Lloyd - Die Toten vom Gare D'Austerlitz

  • Klappentext

    Freitag, 14. Juni 1940: An dem Tag, als die Nazis in Paris einmarschieren, werden an der Gare d'Austerlitz vier Polen ermordet aufgefunden, und ein weiterer begeht kurz darauf Selbstmord. Inspecteur Éduard Giral beginnt gegen alle Widerstände zu recherchieren. Sehr bald mischen sich in seine Ermittlungen Wehrmacht, Gestapo und Geheime Feldpolizei ein, während im Hintergrund der enigmatische, skrupellose Major Hochstetter von der Abwehr die Strippen zieht und ihm mal als Gegenspieler, mal als Verbündeter begegnet.

    Als unvermittelt Girals verlorener Sohn Jean-Luc auftaucht, der seinen Vater für einen Opportunisten und Feigling hält, muss er multidimensionales Überlebensschach spielen, mal mit der einen, mal mit der anderen der beteiligten Gruppen (schein)paktieren, um seinen Sohn irgendwie aus der Schusslinie zu schaffen und letztendlich seinen Job als Polizist zu machen und die Morde aufzuklären.


    Über den Autor

    Chris Lloyd studierte Spanisch und Französisch, lebte über 20 Jahre in Katalonien, später in Grenoble, im Baskenland und in Madrid, wo er Englisch unterrichtete und für eine Schulbuchverlag sowie als Reiseschriftsteller arbeitete. Heute lebt er als Übersetzer und Schriftsteller in Südwales.


    Mein persönliches Fazit

    Eduard Giral ist Polizist der Pariser Polizei und wird eines Tages mit zwei sehr unterschiedlichen und doch sehr weitreichenden Ereignissen konfrontiert. Zum einen marschieren die Nazinalsozialisten in Paris ein und übernehmen dort die Macht. Zum anderen muss er den Mord an vier ermodeten Polen am Gare D'Austerlitz untersuchen. Dabei wird er mit seinen Erlebnissen aus dem ersten Weltkrieg konfroniert, die er nie wirklich verarbeiten konnte. Die Übernahme der Stadt durch die Deutschen erschwert Girals Arbeit ungemein und seine Ermittlungen gleichen einem Tanz auf Messers Schneide.


    Der Anfang des Buches war wirklich gut und vielversprechend. Der Anspannungen, die durch die permant anwesenden Deutschen Besatzer ausgelöst werden, sind deutlich spürbar. Ebenso die Abneigungen beider Parteien, die unterschiedlichen Ansichten und auch die Ängste und Verunsicherungen. Wie überall gibt es Nutznießer, die sich den Besatzern anbiedern und auf eine neue und glorreiche Zeit - vor allem für sich selbst - vorhersehen. Das "alte" Paris scheint wie eine Erinnerung aus einem weit entfernten Leben. Von der viel gepriesenen Leichtigkeit ist nichts mehr zu merken, jeder versucht das Leben auf seine Weise zu "überstehen".


    Unter diesen Bedingungen eine Mordermittlung zu führen, deren Opfer auch noch zu den vielgehassten Polen gehören, erscheint beinahe aussichtslos. Ich war also sehr gespannt darauf, wie sich hier die Ermittlungen und politische Lage ergänzen. Leider driftet die ganze Geschichte letztlich in so viele Einzelheiten ab, die nur noch weit entfernt mit dem Mord zu tun haben. Ich verstehe schon die Intention dahinter, aber mir hat die Umsetzung nur mittelmäßig gefallen. Eduard Giral gefällt mir als Hauptfigur sehr gut, er ist nicht durch und durch patriotisch, hat mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen und versucht einfach nur, in dieser Welt zurechtzukommen. Dabei hadert auch immer wieder mit sich selbst, ob seine Handlungen vertretbar sind und wem sie nützen. Er moralisiert nicht, im Gegenteil, er hat viel Verständnis für die Umstände der Menschen um sich herum.


    Alle anderen regelmäßig auftretenden Figuren blieben mir leider sehr fremd und ich wurde kein Stück mit ihnen warm. Vielleicht liegt es auch daran, dass der Fokus der Geschichte sich irgendwann von den Mordermittlungen zum Machtwechsel in Paris in den Verflechtungen zwischen Wahrmacht und Gestapo verlagert hat. Diese Teile nehmen viel Platz ein und ich muss gestehen, dass ich sie zum Teil sehr ermüdend fand.

    Die Auflösung des Mordfalls erfolgt dann am Ende auf den letzten Metern, als ob sie noch schnell ins Buch müsste.


    Das ist wirklich schade, denn das Buch hat gut angefangen und die Geschichte hätte viel Potential für einen mitreißenden Polit-Thriller gehabt, leider verliert sich der Autor im Lauf der Geschichte in politischen Details und Verschwörungen, so dass die eigentliche tragische Geschichte auf der Strecke bleibt.


    ASIN/ISBN: 3518471368

  • Krimi vor dem Hintergrund des Einmarsches in Paris 1940

    Als absoluter Fan von historischen Krimis, die sich historisch auch nahe an den Gegebenheiten halten, ist der erste Roman von Chris Lloyd aus dem besetzten Paris sehr gut gelungen.

    Am Bahnhof "Gare d`Austerlitz" werden 4 tote Menschen in einem Güterwagen mit Gas umgebracht. Es scheint, dass es sich um polnische Flüchtlinge handelte und Inspecteur Giral soll ermitteln. Wie schwer das allerdings ist, da die deutsche Wehrmacht überall im Weg steht, 2/3 aller Einwohner geflohen sind und selbst im eigenen Dezernat die Einstellungen auf die neue Situation weit auseinandergehen, kann man sich gar nicht vorstellen. War der Mord politisch motiviert, steckt vielleicht die Gestapo dahinter, wurden französische Polizisten bestochen....?

    Von Anfang an, taucht und saugt das Buch einen, in eine sehr dunkle und bedrohliche Atmosphäre eines 1940, indem die Besatzer versuchen, durch Ausgangssperren eine gewissen Normalität zu erreichen. Der Schreibstil ist sehr gut und Giral ist ein sehr interessanter Charakter. Früher als harter Hund bekannt, denken alle heute nur, dass er seine Zähne verloren hat und lieber wegschaut. Doch keiner kennt die dunklen Gedanken, die in Girals Kopf seit dem ersten Krieg herumspuken und ihm keine Ruhe lassen.

    Auf der anderen Seite ist er unbequem und lässt sich nicht von seinen permanenten Nachforschungen vertreiben. Er zeigt sich auch gegenüber den Besatzern sehr unnachgiebig, auch wenn er dafür verprügelt wird. Das Buch ist nicht unbedingt für eine sich immer weiter steigende Spannung gut, dafür aber überzeugt der Inhalt. 1 Stern Abzug gab es für mich eigentlich nur durch die Familiengeschichte und der verlorene Sohn, der meiner Meinung als Lückenbüßer hier fungiert und außer sinnlosem nervigem Protest, nichts konstruktives zu der Geschichte beiträgt. Ist aber wahrscheinlich nur meine Meinung!

    Die Aufmachung, der Schreibstil, die dichte Atmosphäre haben mir ansonsten sehr überzeugt und ich würde es jederzeit weiter Empfehlen. Ansprechen könnte es Freunde von Volker Kutscher, Alex Beer, Thomas Christos oder Thomas Ziebula.
    Für mich 4 Sterne !