Per aspera ad astra
Das Buch hat mich beeindruckt. Zuerst fühlte es sich wie ein Coming-Of-Age doch steckt viel mehr dahinter. Ein Mädchen, das einem Lehrer ins Gesicht schlägt, oder das Haushaltsgeld entwendet, um ihre Gesangsstudien zu bezahlen, stundenlang tagtäglich vor einem Gebäude steht in der Hoffnung im Chor mitsingen zu dürfen, bis sie tatsächlich ihr Ziel erreicht. Ihre Beharrlichkeit ist bewundernswert. Wenn sie von einem Jungen angegriffen wird,der zu “den Jungs mit geschwollenen Kehlköpfen” 8s. 151) gehört, sehen Mädchen aus Molls Klasse tatenlos zu, lassen sie allein, drehen sich weg. Doch Moll kann sich wehren und schlägt zurück. Moll weigert sich mitzusingen, als der Chorleiter einen Jungen wegen seiner Leibesfülle mobbt.
Molls Weigerung den Verlust ihrer Mutter anzuerkennen ist konstant, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, bis wir erfahren, was eigentlich passiert war als “Mutter kurz weggegangen ist” (S. 168). Nun verstehen wir auch, wieso sie dem Lehrer eine blutige Nase verpasst hat
Am schönsten fand ich die Idee, dass Ludvig van Beethoven eine Frau gewesen ist. Und nur die Nachwelt sich beharrlich weigert, diese Tatsache anzuerkennen.
Kloeble versteht es meisterhaft, die Gestalten im Roman vor unseren Augen mit Leben zu füllen. Der Vater, der in seiner Trauer versinkt und seine Tochter vernachlässigt, findet erst allmählich und durch Moll zum Leben zurück, Molls Mutter, unangepasst, in der Dorfgemeinschaft immer aneckend, liebt ihre Tochter über alles. Bernhardina, die alte Frau, Molls einzige Freundin nach dem Weggang der Mutter, Lehrer und Bewohner aus der Schule. Die Jungen im Knabenchor, die drei Chorleiter, die in ihrer Art Moll fördern und unterstützen. Sie alle bewegen, handeln, reden in den Buchseiten, bilden dabei den Rahmen, in dem Arkadia Fink, genannt Moll, von ihrem Leben erzählt. Sie ist dreizehn Jahre alt, kennt den Schmerz, den kein Kind je erleben sollte, ist erfüllt von einer Musik, die nur sie hören kann, will unbedingt in einem berühmten Knabenchor mitsingen und schafft es auch. So wie sie sich die Welt zurecht deutet muss man ihr Recht geben. Moll akzeptiert kein Nein. Sie will im Knabenchor singen und setzt es durch. Wenn andere sie angreifen, setzt sie sich zur Wehr. Man sagt ihr, sie habe kaputte Ohren, nun, sie schafft dem direkt Abhilfe, auch wenn es nichts nützt. Noch kann sie mit ihren Gefühlen nicht umgehen, sie muss das erst lernen, ein langwieriger und schmerzhafter Prozess. Der Tiefgang, der dabei zu Tage tritt, ist berührend. Kein Kitsch, kein Pathos, einfach ein Mädchen mit der unstillbaren Sehnsucht nach der Mutter, allein gelassen, bekommt Hilfe von unerwarteter Seite. Wie es der Titel schon sagt, muss Moll sich durchkämpfen, allein durchkämpfen, bis sie endlich die Unterstützung erhält, die sie braucht, um nach den Sternen zu greifen.
Die Sprache ist schlicht, doch voller Bilder, weckt unsere Neugier, der Leser will weiter und weiter lesen. Das Ende ist viel zu schnell da. Wir würden Arkadia, genannt Moll, zu gerne weiterhin begleiten, vielleicht nach Tokio, zu anderen Konzerten, hinaus ins weite Leben.
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ASIN/ISBN: 3608966579 |