Das Geschenk des Meeres von Julia R. Kelly

  • Eine Reise an die raue schottische Küste ...

    Es ist bitterkalt, der Wind pfeift und die Wellen toben als der Fischer Joseph mit einem kleinen Jungen im Arm vom Strand kommt. Wenn die Vernunft einen nicht des Besseren belehren würde, könnte man glauben, ein Wunder wäre geschehen und der kleine Moses sei zurück, der vor einigen Jahren in genau so einer Nacht für immer im Meer verschwand. Für seine Mutter Dorothy reißen alte Wunden auf. Die Vergangenheit, die sie so vehement zu bekämpfen sucht, um wieder ein wenig Normalität in ihr Leben zu bringen, holt sie wieder ein. Damals wie heute gehört sie in der eingeschworenen Dorfgemeinschaft zu den Außenseitern. Ihr wird vorgeworfen stolz und unnahbar zu sein, dabei gehorcht sie doch einfach nur den Worten, die ihr die eigene Mutter vor vielen Jahren immer wieder eingebläut hat. Sie ist stark und doch so verletzlich, einsam und gefangen in sich selbst. Hat sie nicht auch ein bisschen Glück verdient? Die Autorin, selbst Mutter von fünf Kindern, schafft es neben den wunderbaren Beschreibungen der rauen Landschaft mit seinen Wetterkapriolen auch die Enge des Dorflebens einzufangen. Geschickt legt sie die Kraft zerstörerischer Worte und grausamer Gerüchte dar, die von den Dorfbewohnern ausgeht. Aber sie versteht es auch die geheimen Sehnsüchte Dorothys und Josephs freizulegen, zwei Menschen, die sich lieben und sich dennoch stets selbst im Weg stehen. Manchmal wollte ich den Beiden einfach nur zurufen: „Traut euch doch endlich!“ Mit seiner Poesie, den fast schon mystischen Aspekten und der dichtgewebten Atmosphäre fängt Julia R. Kelly das einsame Schottland vor über hundert Jahren ein. Leider bleiben einige Personen, z. B. Mrs. Brown, die den ortsansässigen Krämerladen führt, ein wenig blass und auch ein paar kleine Längen störten manchmal ganz leicht den Lesefluss. Von mir gibt es aber dennoch vier berührende Sterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung. Wer intensive, unter die Haut gehende Romane liebt, ist „Das Geschenk des Meeres“ bestens beraten.


    ASIN/ISBN: 3866487487

    Edit: ISBN ergänzt, zwecks Verlinkung. Gruß Herr Palomar

  • Ende des 19. Jahrhunderts verlässt Dorothy Aitken Edinburgh und zieht in das kleine Fischerdorf Skerry., dort hat sie eine Stelle als Lehrerin bekommen. Sie verliebt sich, heiratet, bekommt einen Sohn Moses, den sie sechsjährig ans Meer verliert, ein Verlust, den sie nie verarbeiten kann. Jahre später, im Jahr 1900 wird ein Junge vom Meer angespült, der Moses sehr ähnlich ist, etwa gleiches Alter, gleiche Haarfarbe, und er trägt nur einen Schuh an den Füßen, während einer von Moses Schuhen nach seinem Verschwinden am Strand gefunden wurde. Zunächst nimmt der Pfarrer den Jungen bei sich auf, doch dann bittet er ausgerechnet Dorothy, für ihn zu sorgen, bis man weiß, woher er gekommen ist.


    Als Dorothy nach Skerry kommt, hat sie keine leichte Zeit hinter sich. Sie wuchs bei einer dominierenden und manipulierenden Mutter auf, die ihre Psyche nachhaltig beeinflusst hat. So fällt es Dorothy schwer, Kontakt zur Dorfbevölkerung aufzunehmen, ständig sucht sie auch nach Fehlern bei sich. Aus Angst, dass man über sie redet, verhält sie sich manchmal so, dass erst recht über sie geredet wird. Ihr Leben auf Skerry hat viele Tiefs und wenige Hochs, oft aber auch deshalb, weil sie Dinge nicht anspricht, sondern sich auf Annahmen und Mutmaßungen verlässt und Manipulationen von außen zulässt.


    Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven. Im Mittelpunkt stehen neben Dorothy weitere Personen, deren Leben auf gewisse, nicht immer positive, Weise mit ihrem verbunden ist. Nicht jedes Denken und Handeln ist ohne weiteres nachvollziehbar, oft ist es aber dennoch auf gewisse Weise verständlich. Schmunzeln musste ich manchmal über den Pfarrer, dessen Vermutungen manchmal das Gegenteil von dem waren, was tatsächlich war.


    Erzählt wird auch in zwei Zeitebenen: Damals und Jetzt, letzteres beginnend mit dem Auffinden des Jungen, Jahre nachdem Moses im Meer verschwand.


    Mich hat der Roman sehr berührt, vor allem Dorothys Emotionen. Aber nicht nur sie, auch andere Charaktere haben ein Päckchen zu tragen. Es gibt charakterliche Entwicklungen, es gibt überraschende Entwicklungen, es gibt Ungesagtgebliebenes, es gibt Reue, Mitgefühl, Liebe, Hass, Misstrauen und so viel mehr. Auch ich hatte beim Lesen viele Emotionen, und musste auch mehrmals weinen. Auch wenn ich manchmal den Kopf schütteln musste, im Grunde verstehe ich, wie es zu den jeweiligen Verhaltensweisen gekommen ist, die Charakterzeichnungen sind durchgehend gelungen.


    Mit dem Ende bin ich, so wie es ist, zufrieden, man hätte sich auch mehrere andere Enden vorstellen können, aber dieses passt für mich perfekt zum Roman.


    Der Roman hat mich emotional mitgenommen, auf verschiedenen Ebenen, ich habe mitgefühlt, aber mich auch manchmal geärgert über das Verhalten der einen oder anderen Person, am Ende ergibt sich ein rundes Bild. 9 Punkte

  • Der Junge aus dem Meer


    Das Geschenk des Meeres, Roman von Julia R. Kelly, EBook aus dem mareverlag.


    Der Sohn des Fischers


    Es war im Winter 1900, als der Fischer Joseph, einen leblosen Jungen an Land trug. Er wurde zum Pfarrer gebracht und dort aufgepäppelt. Ein unheimliches Ereignis, denn Jahre zuvor ist der Sohn der Lehrerin Dorothy, der dem Jungen verblüffend ähnelt, in einer stürmischen Nacht, ins Meer geschwemmt. Da die Frau des Pfarrers kurz darauf selbst ein Kind zur Welt bringt, meinte der Pfarrer, dass es eine gute Idee wäre, wenn sich Dorothy weiterhin um den Jungen kümmert. Nach anfänglichem Widerstand erklärt sie sich doch bereit, das Kind aufzunehmen, bis die Herkunft des Jungen geklärt ist. Nicht nur Dorothy und Joseph finden das Auftauchen des Jungen als befremdlich, sondern die ganze Dorfgemeinschaft rätselt. Auch darüber was Dorothy und Joseph, die sich einstmals gut verstanden haben, entzweit hat. Viele Geheimnisse und Unausgesprochene Gefühle kommen nach und nach an die Oberfläche.
    Das Buch ist in zwei Zeitsträngen verfasst, damals und heute. Die Kapitel in auktorialem Stil wechseln hauptsächlich aus der Sicht von Joseph und Dorothy, doch auch die anderen Dorfbewohner sind an der Erzählung beteiligt. Die verschiedenen Zeitebenen haben mich etwas verwirrt, da hat sich kein Lesefluss einstellen können, die Geschehnisse von damals und was zwischen den Hauptfiguren passiert ist, erklären sich im Laufe der Lektüre, einfacher wäre es zum Verständnis jedoch gewesen, wenn der Leser, die Fakten von Beginn an präsentiert bekommen hätte. Zum Ende zu, begegnen sich die beiden Stränge jedoch und dann ist es so spannend, dass man das Buch kaum mehr aus der Hand legen will.

    Dorothy die von ihrer Mutter sehr streng erzogen wurde hat es nicht leicht als sie als junge Lehrerin nach Skerry kommt. Vermutlich ist das der Grund warum sich alles so entwickelt hat. Die Dorfbewohner jedoch haben es der jungen Frau aber auch nicht leicht gemacht. Oft habe ich ihre Handlungen nicht nachvollziehen können, sie ist mir lange fremd geblieben. Joseph war meine Lieblingsfigur, ein einfühlsamer ehrlicher und grundanständiger Mensch. Eine tolle Entwicklung jedoch hat die Gemischtwarenhändlerin Mrs Brown hingelegt, zuerst dachte ist diese verbissene Frau, hat viel dazu beigetragen, dass Dorothy anfangs nicht akzeptiert wird, aber auch Mrs. Brown hatte ihr Päckchen zu tragen. Letztendlich hat sie jedoch Dorothy auf den richtigen Weg gebracht.

    Ein wenig mehr Offenheit, mehr Vertrauen und weniger Vorurteile, es ist heute wie damals, das würde das Leben oft leichter machen.
    Es ist ein dunkles, emotionales und sehr poetisches Buch, das Setting ist rau und hervorragend beschrieben, die karge und wilde Landschaft prägt deutlich den Charakter der Figuren. Das ist stimmig und authentisch. Ich hätte noch ewig weiterlesen mögen, es wäre sicher noch einiges zu berichten gewesen. Insgesamt und nach den anfänglichen Startschwierigkeiten habe ich mich beim Lesen sehr wohl gefühlt, ich kann das Buch allen empfehlen, die die Wildheit der schottischen Küste mögen, auch für die Fans von tiefgehenden Geschichten geeignet.


    Ein ergreifendes Debüt. Von mir 8 Punkte.