Schwanentage – Zhang Yueran

  • Ecco-Verlag, 2025

    224 Seiten


    Kurzbeschreibung:

    Das Kindermädchen Yu Ling arbeitet für ein wohlhabendes Ehepaar der chinesischen Elite und kümmert sich hingebungsvoll um deren siebenjährigen Sohn. Yu Ling kennt die Geheimnisse der Familie bis ins Detail, ihre Arbeitgeber hingegen ahnen nicht, dass auch sie einiges verbirgt. Eines Tages plant Yu Ling in der Hoffnung auf Lösegeld und ein besseres Leben, den Jungen zu entführen. Doch es kommt ganz anders: Großvater und Vater des Jungen werden wegen Korruptionsverdachts verhaftet, die Mutter verschwindet spurlos – und Yu Ling ist plötzlich gezwungen, Entscheidungen zu treffen, die weit in die Zukunft reichen, für sich wie für den Jungen …

    Über die Autorin:

    Zhang Yueran ist eine der einflussreichsten Autorinnen Chinas und eine der wichtigsten Stimmen junger urbaner Literatur. Schon 2012 zählte sie das taiwanische Unitas-Magazin zu den 20 wichtigsten Schreibenden unter 40. Ihre Romane und Erzählungen wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Ihr Roman "Cocoon" wurde von der New York Times zu den besten Büchern 2022 gewählt und gewann in Frankreich den Prix Transfuge 2019 für den besten asiatischen Roman.


    Über die Übersetzerin:

    Karin Betz übersetzt chinesische und englische Literatur. Zu den von ihr ins Deutsche übertragenen Stimmen gehören u. a. der Friedenspreisträger Liao Yiwu und der Literaturnobelpreisträger Mo Yan. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit der August-von-Schlegel-Gastprofessur für die Poetik der Übersetzung an der FU Berlin 2021 und dem Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis 2024.


    Mein Eindruck:

    Schwanentage bedeutet die Entdeckung einer modernen chinesischen Schriftstellerin mit gesellschaftsrelevanen Themen.


    Das Kindermädchen Yu Ling, das sich um den kleinen Huan Huan kümmert, gerät in eine Ausnahmesituation, als ihr reicher Arbeitgeber wegen Geldunterschlagung verhaftet wird und die Mutter des Jungen verschwunden ist. Auf sich allein gestellt, muss sie den Jungen versorgen. Dabei zieht sie gedanklich auch eine Art Lebensbilanz und stellt die bisherigen Klassenunterschiede in Frage.


    Der Autorin gelingt es, viel Atmosphäre aufzubauen. Es ist ein gelungenes und sehr interessantes Werk. Ich würde gerne mehr von ihr lesen und hoffe auf weitere deutsche Veröffentlichungen ihrer Romane.


    ASIN/ISBN: 3753001112

  • Das ist übrigens wieder ein Buch, bei dem der Originaltitel in der Deutschen Übersetzung abgeändert wurde.


    Der Originaltitel entspricht "Schwanenhotel"

    Das ist ein guter Titel, weil der kleine Junge im Roman einen Platz für eine Gans einrichtet, die er fälschlicherweise für einen Schwan hält. Diesen Platz nennt er Schwanenhotel.


    "Schwanentage" ist im Gegensatz zum originalen "Schwanenhotel" bewusst mehrdeutig und umfasst sowohl den Aspekt der Zeit als auch des Raums.

    Okay, das kann man akzeptieren.


    Trotzdem wäre mir der OT lieber gewesen, obwohl ich glaube, dass er weniger verkaufsträchtig wäre.

  • Das habe ich gerade eben recherchiert, hat aber gedauert, da ich den Originaltitel erst in der Leseprobe der englischen Übersetzung nachgesehen habe.

    Ich denke, dass "Schwanentage" fast besser passt, übrigens auch besser als "Women, seated", aber dieses Cover macht mich sprachlos. Was ist da in den Verlagsetagen los?


    Edit: Das englische Cover spricht mich deutlich eher an.

  • Chinesische Gesellschaft


    In Büchern kann ich viel über andere Kulturen lernen. Sei es über Religionen, Feiertage oder das Gesellschaftsbild. So lerne ich in Zhang Yuerans Schwanentage mehr über das Leben in China.


    Yu Ling arbeitet als Kindermädchen für die wohlhabenden Eltern von Kuan Kuan. Sie selbst, aus ärmeren Verhältnissen, erlebt im Alltag der Familie Luxus pur, kennt aber auch deren Geheimnisse. Sie plant, Kuan Kuan zu entführen- doch dann kommt alles anders….


    Ich finde die Idee, mehr über Chinas Gesellschaft zu erfahren, sehr interessant. Allein der Klappentext zeigt, wie groß die Diskrepanz zwischen Arm und Reich ist. Viele Arme werden von wenig Reichen beschäftigt und klein gehalten, was Yueran gut verdeutlicht. Sei es, dass die Mutter Yu von oben herab behandelt oder der Vater sie nicht wahrnimmt. Auch werden die Entscheidungen oft in Frage gestellt (sei es der Ausflug oder der Umgang mit der Abwesenheit der Eltern).


    Doch auch Yu Ling selbst ist nicht ohne. Sie zeigt den anderen deutlich, dass sie als Kindermädchen die Macht um Falle der Abwesenheit hat und wirkt manipulativ und falsch. Allerdings kümmert sie sich intensiv um Kuan Kuan, zeigt taktische Kompetenzen bei der Vorbereitung der Entführung und ist zuverlässig in ihren Aufgaben. Das macht sie für mich zu einem schwierigen Charakter.


    Auch die übrigen Charaktere kommen für mich manipulativ, kühl und ichbezogen rüber. Sei es die Lehrerin, die Yu klar macht, dass sie keine Kompetenz hat, Kuan Kuan abzumelden, oder Yus Partner bei der Entführung, der prahlt, er könnte alleine alles besser. Dadurch entsteht ein kühles, egoistisches Bild der Chinesen und ihrer Geselschafft, was in den Medien auch mal anders gezeichnet wird.


    Auch wenn das Gesellschaftsbild durchaus interessant ist, fällt es mir schwer, den Roman einzuordnen. Ist es ein Krimi? Belletristik? Oder gar eine Satire? Das erschließt sich mir leider nicht.


    Versöhnlich stimmt mich die Sprache im Buch. Es ist gut lesbar und viele Details sowie bildhafte Beschreibungen ermöglichen es mir, eine Vorstellung vom Geschehen vor den inneren Auge zu haben. Das macht es einfacher, der Geschichte zu folgen.


    Insgesamt bekommt das Buch von mir aufgerundet vier Sterne. Besonders empfehlen kann ich das Buch für alle Interessierten an gesellschaftlichen Romanen und der chinesischen Kultur.