Sabine Wassermann - Goldhorus

  • Sabine Wassermann, Goldhorus
    HC: 387 S., geb. mit SU. Eichborn, Frankfurt 2000. ISBN: 3-8218-0853-5; Euro 19,90.



    Über die Autorin:
    Sabine Wassermann, wurde 1965 in Simmern geboren. Schon früh begann sie sich mit der antiken Sagenwelt auseinanderzusetzen, die ihr die Motive für ihr schriftstellerisches und künstlerisches Werk lieferte. Sie studierte Kunst, unter anderem an der Städelschule in Frankfurt/Main, und hat ihr Oeuvre bereits in mehreren Ausstellungen präsentiert. Sabine Wassermann lebt heute als Malerin und Schriftstellerin in Bad Kreuznach.
    (Quelle: eichborn.de)



    Über das Buch:
    Der ägyptische Kronprinz Amunhotep wird während eines Feldzug gegen rebellische Syrier von seiner Truppe getrennt. Unter Mühen gelingt es ihm mit Hilfe der jungen Sklavin Hadjet, nach Ägypten zurückzukehren, wo er unterdessen für tot erklärt wurde und sein Erscheinen als Wunder gepriesen wird. Seine geliebte Frau Schischwa ist während seiner Abwesenheit unter rätselhaften Umständen verstorben, seine Schwester Meritamun liegt schwerkrank im Haus des dubiosen Wesirs Seuna. Amunhoteps Vater, der gottgleiche Pharao Thutmosis III., scheint sich ganz und gar in dessen Hände begeben zu haben. Als Amunhotep den seltsamen Zuständen in der Residenz Theben auf den Grund gehen will, begegnet er einer Mauer aus Schweigen und Intrigen. Allein einige Jugendfreunde und die treue Hadjet, die er zu seiner Fächerträgerin erkoren hat, halten zu ihm. Als er einen Mordanschlag nur knapp überlebt, weiß Amunhotep, daß er einem ungeheuerlichen Geheimnis auf der Spur ist...
    (Quelle: eichborn.de)



    Meine Meinung:
    Amunhotep, Sohn des Pharao Thutmosis III. des Großen und Kronprinz von Ägypten, wird auf abenteuerliche Weise aus syrischer Gefangenschaft befreit und kehrt zurück in seine Heimat, wo er längst für tot erklärt und ein anderer Leichnam an seiner Stelle bestattet worden ist. Noch auf dem Weg zurück muß er erfahren, daß seine geliebte Frau gestorben ist, ein Ereignis, das den arroganten jungen Mann völlig aus der Bahn wirft. Die Umstände ihres Todes und die Tatsache, daß sein Vater sich vollkommen auf seinen neuen Wesir Seûna stützt, veranlassen ihn zu Nachforschungen, die ihm immer neue Rätsel stellen, immer mehr Opfer in seiner Umgebung fordern und ihn in immer größere Gefahr bringen. Als er beinahe einem Anschlag zum Opfer fällt, nichts mehr zu verlieren hat, kommt er dem Geheimnis, das zum Tod seiner Frau führt, auf die Spur, und mit der Hilfe eines Erzfeindes gelingt ihm der Befreiungsschlag aus der Umklammerung dieser Intrige.


    Amunhotep ist kein sympathischer Protagonist - zumindest nicht zu Beginn der Geschichte; er ist ein sperriger Charakter. Geprägt von der Erziehung zum Gottkönig, trägt er Eigenschaften, die sich auch in den späteren Darstellungen seiner Person als Pharao Amenophis II. wiederfinden, nämlich der eines wahren Herkules, der auch ohne die Hilfe von Truppen mit Feinden fertigzuwerden verstand. Ein solcher Charakter aus der Feder einer Frau, konsequent geschildert in seiner Ambivalenz und überbordenden Männlichkeit, ist eine Seltenheit. Umringt wird dieser bei all seiner Selbstherrlichkeit dennoch sehr menschliche, emotional verletzbare Mann von zahlreichen Charakteren, von denen kein einziger den Makel einer modernen europäischen Persönlichkeit in frühzeitlicher Umgebung trägt. Mag auch vieles in diesem Konstrukt des Lebens im Alten Ägypten des Mittleren Reiches mangels Quellen auf Spekulation beruhen, so ist diese dennoch klar strukturiert, stimmig und glaubwürdig, eine mögliche Deutung und Rekonstruktion der Quellen neben vielen anderen.


    Ich habe auch dankbar bemerkt, daß hier nicht der geringste Versuch unternommen wurde, dieser Vergangenheit matriarchalische oer feministische Züge unterzuschieben, wie das so oft geschieht in Romanen, die sich mit vor- und frühgeschichtlichen Kulturen befassen. Die Regentschaft der Pharaonin Maatkarê Hatschepsut, die der Herrschaft des Thutmosis III. vorausging, wird in ihrer Bedeutung als Abschluß einer jahrtausendelangen Ära keineswegs abgewertet - aber auch nicht mystifiziert. Thutmosis setzte seit seiner Inthronisation alles daran, das Gedächtnis seiner Stiefmutter auszulöschen, und dieser Konflikt wird in Sabine Wassermanns Deutung zur Ursache für grundlegende Charakterzüge und Handlungsweisen des Pharaos. Und gerade die Tatsache, daß die durch historische Belege erwiesenen (auch späteren) (Selbst)Darstellungen und Handlungsweisen der historischen Persönlichkeiten als Grundlage einer stimmigen psychologischen Fundierung der Charaktere dienen, ist ein besonders hervorzuhebendes Qualitätsmerkmal dieses Romans.


    Hinzukommt, daß die Perspektive wie eine over the shoulder camera ständig den jungen Kronprinzen Amunhotep verfolgt, somit dem Leser scheinbar nur dessen Perspektive bietet. In Wirklichkeit liefert der Roman, da ein Leser nie identisch ist mit der darin handelnden Person, durch die Beobachtungshaltung einen Kenntnisvorsprung, der bisweilen bestätigt, manchmal raffiniert überlistet wird. Dies ist eines der besonderen, immer wiederkehrenden Spannungsmomente des Romans.


    Insofern ist es beileibe keine Schande, zuzugeben, daß mir der Goldhorus sogar den Schlaf geraubt hat, weil es sehr schwer war, das Buch einfach aus der Hand zu legen, ein Buch, das ein farbenfrohes, glaubwürdiges Bild des Lebens im Alten Ägypten erschafft, und darin eingebettet eine spannende Geschichte um Macht und Angst.

  • Das hab ich vor ein paar Tagen einfach mal so auf Risiko als ME gekauft. :grin


    Zitat

    Ich habe auch dankbar bemerkt, daß hier nicht der geringste Versuch unternommen wurde, dieser Vergangenheit matriarchalische oer feministische Züge unterzuschieben, wie das so oft geschieht in Romanen, die sich mit vor- und frühgeschichtlichen Kulturen befassen.


    :anbet *dankbarbin*


    lg Iris

  • Oh, noch eins. :-)
    Gibt es irgendeinen Zusammenhang zwischen den Büchern? Eine Reihenfolge?


    Und kann mir mal jemand einen Eimer Zeit zum lesen besorgen? :grin

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Hallo,


    Ich habe "Goldhorus" Mitte letzten Jahres gelesen, laut meiner Leseliste genau vom 26 Juni bis 4 Juli, und ich war wirklich begeistert ! ich hätte das Buch am liebsten nicht mehr aus der Hand gelegt, was ledier nicht ging.


    Aber Ägypten-Fans wärmstens empfohlen ! :-] :-)

    liebe Grüsse melanie


    Wenn man Engeln die Flügel bricht, fliegen sie auf Besen weiter !
    :keks


    :lesend )

  • Ich hab Goldhorus inzwischen gelesen und mir hat es ehrlich gesagt nicht gefallen.


    Es ist nicht angegeben, aber läßt sich relativ leicht herausfinden, dass es sich bei Thutmosis und seinen Sohn Amunhotep um Thutmosis III. und Amunhotep II. handelt. Die Familienverhältnisse hab ich so wieder gefunden, wie sie im Buch beschrieben waren. Auch Rechmire war wie im Buch beschrieben, zu Thutmosis Zeiten Wesir Unterägyptens und hat später auch unter Amunhotep II. gedient. Den Wesir Seuna hab ich hingegen nicht gefunden.


    Dazu, dass Thutmosis III. die Denkmäler der Hatschepsut zerstören ließ, hab ich folgendes gefunden:


    „J. Tyldesley gibt für die Zerstörung der Denkmäler der Königin einen einfachen aber durchaus logischen Erklärungsversuch: "Hatschepsuts einziges Verbrechen [...] bestand in der Tatsache, dass sie eine Frau war." Hiermit meint die Ägyptologin, dass Thutmosis III. möglicherweise am Ende seiner Regierungszeit die Meinung vertrat, dass eine Frau, die 20 Jahre auf dem Thron Ägyptens saß, gegen die Maat verstößt. P. H. Schulz hingegen vertritt die Annahme, dass die Zerstörungsaktionen unter die Herrschaft Amenhotep II. fallen, und damit in einen Zeitraum, der nach der Herrschaft Thutmosis III. zu datieren ist.“
    (Quelle: http://www.meritneith.de/thutmosisIII.htm)


    Sabine Wassermann vertritt die erste These, wobei mir der darum konstruierte Plot aber ziemlich weit hergeholt schien. Darüber dass Thutmosis seine minderjährigen Söhne sexuell missbraucht und sich völlig in die Hände seines Wesirs Seuna gegeben haben soll, habe ich nichts finden können. Aber selbst wenn sich tatsächlich alles so abgespielt haben sollte wie im Buch beschrieben, hätte mir das Buch nicht gefallen. Die Sprache ist meiner Meinung nach eher schlicht, die Sätze sind kurz und einfach gestrickt. Die Dialoge haben auf mich hölzern und konstruiert gewirkt, wenn man überhaupt von Dialogen reden kann. Ich hatte oft das Gefühl, dass die Personen den Gesprächsfaden ihres Gegenübers gar nicht aufgreifen, sondern einfach irgendwas sagen und dabei ziemliche Gedankensprünge machen.


    Die Charaktere erschienen mir eher zweidimensional: diejenigen, die am Anfang gleich Misstrauen erwecken, bleiben am Ende die Bösen, die Guten missbrauchen das in sie gesetzte Vertrauen auch nicht, und bei denen, die am Anfang gleich lüsterne Blicke werfen, bleibt auch durchgehend die einzige herausragende Charaktereigenschaft, dass sie dauerhaft notgeil sind. Die Personen verhalten sich meiner Meinung nach manchmal überhaupt nicht nachvollziehbar. Ihr Verhalten passt entweder nicht zur Situation, oder nicht in die Zeit oder nicht zu ihrem emotionalen Zustand, oder alles zusammen. Wenn die Personen nicht Lendenschurze getragen und Sänften benutzt hätten, hätten sie von Verhaltens- und Denkensweise auch genauso gut heute leben können. Besonders Tiaa, Amunhoteps spätere Gemahlin und „ein quirliges Persönchen” (Zitat Thutmosis III.) wirkte auf mich wie eine moderne europäische Frau. Die eingebauten Bettszenen hab ich als völlig unerotisch und plump empfunden. Eigentlich ging es nur darum, dass irgendjemand irgendjemandem an sein pralles [zensiert] fasst.


    Insgesamt kein Buch, das ich empfehlen würde.

  • ich habe die autorin in einem thread von katerina timm "getroffen" und auf ihre empfehlung hin mit diesem als meinem ersten buch von ihr begonnen.
    in vielen punkten stimme ich iris zu, in einigen auch delphin.
    mir hat das buch sehr gut gefallen, 8 von 10 punkten, aber so interessant ich die erklärung auch finde, dass der vater die zwanzig jahre der regierung von hatschepsut auslöschen wollte, so unwahrscheinlich erscheint mir dies in der durchführung, wie sie uns hier geschildert wurde. schließlich müsste es doch noch genug lebende gegeben haben, die sich an hatschepsuts regierungszeit erinnern konnten.
    und dann hat mich eine stelle gewundert:
    tiaa hob eines der aus geschnürten gänsen gefertigten tischbeine auf.
    tischbeine aus gänsen?
    wem dieses buch gefallen hat, dem könnte auch von pauline gedge:
    herrin vom nil
    gefallen.
    :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Der Vergleich ehrt, Herrin vom Nil war ein schönes Buch. ;-)


    Ein solches Möbel kennt man; ich glaube, da waren es Enten, getrocknet oder mumifiziert und dann eingeschnürt, aber so richtig erinner ich mich nicht mehr dran und hab auf die Schnelle jetzt auch kein Bild gefunden.

  • danke für die erklärung, sabine.
    sag mal, könntest du vielleicht etwas (hoffentlich appetitlichers als gänsetischbeine*lächel*) zu meinem thread in der plauderecke beisteuern
    "aus alter zeit frisch auf den tisch"?
    möglicherweise hast du ja ein altes rezept für uns...
    :knuddel1 :wave :anbet

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)