'Siddharta' - Erster Teil: "Der Sohn des Brahmanen"

  • Hallo,


    ich konnte heute erst anfangen zu lesen und habe die ersten beiden Kapitel beendet.
    Ich finde es läßt sich sehr flüssig lesen und bin angenehm überrascht, weil ich Hermann Hesse eigentlich gar nicht mag. Dieses Buch allerdings, hinterläßt bei mir momentan nicht diesen merkwürdigen Nachgeschmack und das Bedürfnis, jetzt ganz schnell einen profanen Krimi lesen zu müssen um wieder auf gute Gedanken zu kommen. Vielleicht liegt es auch daran, daß ich mir selbt immer gerne Gedanken über den Sinn des Lebens mache. Ansonsten habe ich mit Indien eigentlich gar nichts am Hut. Weder mit Kultur noch Religion, so daß das Thema an sich eigentlich absolutes Neuland für mich ist. Trotzdem macht es mir keine Schwierigkeiten mich in diese Geschichte herreinzufinden.


    Zitat

    Ich hatte beim Lesen immer das Gefühl, Siddharta einen guten Psychiater empfehlen zu müssen.


    Ha, genau das selbe Gefühl hatte ich bei meinem letzten Buch von Hesse "Der Steppenwolf". Dieser Typ war so manisch depressiv, daß ich mich irgendwann bei dem Gedanken ertappte: "Weißt'e was. Murks dich doch jetzt einfach ab, dann ist dieses Buch auch schneller zu Ende" :rolleyes. Jetzt werden mich sehr wahrscheinlich alle Steppenwolf-Fan's steinigen, aber dieses Buch war im Vergleich zu diesem hier, einfach nur eine Qual.


    Liebe Grüße Serendipity

  • Zitat

    Original von Patricia_k34


    Ich stelle mir Siddhartha vor als leicht gebräunter Jüngling mit samtweicher Haut – auch wunderschön, verwöhnt,… Ist er nun den Männern zugetan? Oder sind Govinda und Siddhartha einfach NUR Freunde?


    Hallo Patricia,


    ich denke, diese Frage stellt sich für Siddhartha in diesem Abschnitt des Buches gar nicht.


    Er ist so "weltentrückt", daß ihn Dinge wie geschlechtliche Liebe einfach nicht interessieren.


    Govinda ist sein Freund seit Kindertagen, seine Anwesenheit und seine folgsame Treue sind eine Selbstverständlichkeit für ihn. Homosexuelle Gedanken vermag ich beim besten Willen nicht zu erkennen.


    Soviel sei vorweggenommen: Später wird er sich für eine bestimmte Frau interessieren.


    Lieben Gruß,


    die Fride. :wave

  • Zitat

    Original von Friderike
    Gotama geht nicht seinen eigenen Weg, sondern den Buddhas.


    Gotama = Buddha, Du meinst Govinda oder?


    Ich stimme Friderike voll und ganz zu.
    siehe ->Unterm Rad,
    es gibt einige Bücher in denen man einfach nicht weiß ob die Hauptperson nun homosexuel ist oder nicht. Bei Siddhartha wird hingegen nur von der Anhänglichkeit usw. geredet also einer Liebe wie ein Mensch sie zu einem ganz treuen Hund hat.

  • Nun bin ich auf Seite 40 angelangt. Meine Eindrücke unterscheiden sich allerdings stark von euren.
    Mir erscheint der Anfang des Buches ein wenig wie Faust I, Siddhartha wie Dr. Faustus.
    Ein junger Mann auf der Suche nach dem, was die Welt zusammen hält.
    Natürlich gibt es kulturell bedingte Unterschiede zwischen Siddhartha und Faust, doch beide vereint eben diese Suche nach dem Ursprung der Dinge, nach Glückseligkeit.
    Während Faust seinen Weg über Bildung und die Wissenschaften sucht, daran scheitert und sich dann der Hilfe des Teufels bemächtigt, sucht Siddhartha seinen Weg über die verschiedenen Formen der "Innerlichkeit". Beiden geht es nicht um das eigene Ich als solches, beide sind nicht auf einem "Identitätsfindungsegotripp". Sie sind auf der Suche nicht nur für sich selbst, sondern auf der Suche nach einem Prinzip.


    Die Sprache finde ich wunderschön. Sie fließt ganz langsam, schafft prächtige, manchmal sogar pompöse Bilder (Königsauge) und ist in ihrer Pracht zu Beginn dem Stand Siddharthas angemessen. Als Siddhartha bei den Samanas ist und karg lebt, wird auch Hesses Sprache karger.

  • Zitat

    Original von Friderike


    Siddhartha ist auf der Suche nach dem "Weg der Wege", nach dem "Nirwana". Er strebt nach Erkenntnis und ist vielleicht daher mit dem Faust zu vergleichen, der sich aber vorranging auf der weltlichen Ebene/Naturwissenschaften um Erkenntnis bemühte.


    Bei Siddhartha sehe ich es eher als Suche nach geistiger Erlösung.


    Zitat

    Original von Ines


    Natürlich gibt es kulturell bedingte Unterschiede zwischen Siddhartha und Faust, doch beide vereint eben diese Suche nach dem Ursprung der Dinge, nach Glückseligkeit.
    Während Faust seinen Weg über Bildung und die Wissenschaften sucht, daran scheitert und sich dann der Hilfe des Teufels bemächtigt, sucht Siddhartha seinen Weg über die verschiedenen Formen der "Innerlichkeit". Beiden geht es nicht um das eigene Ich als solches, beide sind nicht auf einem "Identitätsfindungsegotripp". Sie sind auf der Suche nicht nur für sich selbst, sondern auf der Suche nach einem Prinzip.


    Die Ähnlichkeiten zu Faust habe ich auch gespürt.


    Aber ich meine doch, daß Siddhartha eher nach Glückseligkeit strebt als Faust. Siddharthas Motive erscheinen mir schon egoistischer als die des Faust.


    Faust will kein "Nirwana" erreichen. Faust möchte wissen, "was die Welt zusammenhält", also Erklärungen und Prinzipien. Ich zumindest habe bei Faust diesen Drang zur Selbsterkenntnis, wie ich ihn bei Siddhartha spüre, nicht gespürt. Faust begreift die Suche meines Ermessens globaler.


    Nun liegt meine Lektüre von Faust auch schon etliche Jahre zurück, aber ich werde ihn unter den Eindrücken dieser Leserunde nochmals lesen.


    Liebe Ines,


    vielen Dank für die Ausführungen zur Sprache.


    Mir kam es auch so vor, als daß Hesse die Sprache inhaltskonform gestaltet. Ich hatte jedoch eher die Vermutung, daß mit Siddharthas Sprache eher seine herausgehobene Stellung deutlich werden sollte.


    "Karg" und "Sprache" habe ich noch nie jemanden in Zusammenhang setzen sehen, aber es gefällt mir. Ich werde mir das Samana Kapitel diesbezüglich noch einmal ansehen.


    Mir war irgendwie klar, daß Hesse mit seiner Sprachwahl etwas bezweckt, aber was es genau war, konnte ich nicht sagen....


    Danke für die Anregung!


    Lieben Gruß,


    die Fride. :wave

  • Liebe Friderike,


    entschuldige, ich hatte überlesen, dass du den Faust bereits erwähnt hattest.


    Ich kann an Siddhartha nichts Egoistisches oder Überhebliches finden. Ich denke wirklich, dass es beiden (also Faust und S.) um ein Prinzip ging.
    Jetzt ist Siddhartha natürlich Angehöriger der höchsten Kaste. Er wird die Gepflogenheiten, die Sprache dieser Kaste nicht einfach ablegen können.
    Und möglicherweise sind Nirvana und das Ding, das die Welt zusammen hält, die gleichen Sachen. Ich erinnere, dass Faust ja mit dem berühmten Satz: "Wenn ich zum Augenblicke sage: Verweile doch, du bist so schön" letztendlich auch die Glückseligkeit sucht.


    Die Frage ist nun: Worin unterscheiden sich Nirvana und Glückseligkeit.


    Friderike; ich kann mich mit den Sprachwahl auch arg vertan haben.


    Grüße von

  • Zitat

    Original von Ines
    Die Frage ist nun: Worin unterscheiden sich Nirvana und Glückseligkeit.


    Ich verstehe das so: Glückseligkeit ist ein emotionaler Zustand, da gibt es noch eben diese Empfindung.


    Das Nirvana als buddhistisches Heilziel steht über allen Empfindungen, es ist die Loslösung von allem.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

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  • Definition von Glückseligkeit aus dem Lexikon der Philosophie:


    Die Glückseligkeit ist der Zustand vollkommener Befriedigung, vollkommener Wunschlosigkeit.

  • Zitat

    Original von Friderike


    "Nirwana" ist ein sehr komplexer und vielfältiger Begriff, kein Gegenstand sondern eine spirituelle Erfahrung. Die Erfahrung von der Abwesenheit von Wünschen und Denken, eine Art "geistiger Ruhe".


    -von Wikipedia-


    Zitat

    Original von Ines als Gast


    Definition von Glückseligkeit aus dem Lexikon der Philosophie:


    Die Glückseligkeit ist der Zustand vollkommener Befriedigung, vollkommener Wunschlosigkeit.


    Hallo Ines,


    Also die Abwesenheit von Wünschen scheint Nirwana und Glückseligkeit zu einen.


    Aber in der Glückseligkeit fehlt mir das spirituelle Element, daß ich mit dem Nirwana verbinde.


    Glückseligkeit kann ich auch erreichen, in dem ich mich über etwas sehr freue, nach einem beruflichen oder privaten Erfolg. Aber ich merke gerade, dass sich meine Definition von Glückseligkeit mit der aus Ines philosophischem Lexikon nicht gleicht: Wenn ich mich über etwas sehr freue, heißt das ja noch lange nicht, das ich deshalb nun vollkommen wunschlos bin. :gruebel


    Also einige ich mich darauf, daß es große Ähnlichkeiten zwischen Nirwana und Glückseligkeit gibt, die Begriffe aber meines Ermessens nicht 100% deckungsgleich sind. Wie hoch der Grad der Deckung ist, vermag ich nicht zu beurteilen.


    -----


    Mit "egoistisch" in Bezug auf Siddhartha meinte ich nicht Überheblichkeit. Die konnte ich auch nicht feststellen. Mir ging es eher um die Herangehensweise. Egoistisch heißt doch zunächst nur, dass Siddhartha seine Suche nach dem eigenen "Weg der Wege" in den Vordergrund stellt. Faust setzt nach meiner Empfindung höher an....


    Aber wir drehen uns ein wenig im Kreis. :-(


    Ich werde erst nocheinmal den Faust lesen und dann weiterschreiben. Ich kann zu wenig Faust-Fakten nennen und gerade nur aus dem Gefühl argumentieren. Das mache ich eigentlich nicht so gerne...


    Bezüglich der Sprachwahl:


    Ich habe es auch nicht als "letzte Weisheit" sondern als Anregung aufgefaßt. Vieles wird Spektulation bleiben, weil wir Herrn Hesse ja nicht mehr direkt befragen können. Schade eigentlich.


    Lieben Gruß,


    die Fride. :wave

  • Hallo, Friderike,


    ich bin ja auch erst auf Seite 40. Im Grunde kann ich noch gar keine Meinung zu diesem Buch haben; höchstens einen ersten Eindruck.


    Mir passiert es sehr leicht, dass ich Glück oder glücklich sein mit Glückseligkeit verwechsle. Aber wenn ich es recht betrachte, so hat der Begriff Glückseligkeit auch sehr viel Spiritualität in sich. Zumindest habe ich es im kirchlichen Umfeld schon oft gehört. Glückselig sind die, die da....


    Ja, einigen wir uns darauf, dass Nirvana und Glückseligkeit einander ähneln.