"Abriss Leipzig" von Henner Kotte

  • Klappe


    Da Riddim – die Kids der Stadt zucken im Rhythmus. Nach einem Konzert im Haus Auensee wird der siebzehnjährige Steven Bärnstorff auf offener Straße erstochen. Vieles deutet auf einem Raubüberfall hin. Dann erhält die Polizei Hinweise, dass sich Steven prostituierte.
    Als ein zweiter Junge nach einer Jugendweihfeier brutal niedergeschlagen wird, sucht die Mordkommission II einen Serientäter, der sich seine Opfer unter jungen Männern sucht. Die Medien machen mobil, Leipzig gerät immer mehr in Panik. Doch Hauptkommissar Lars Kohlund mag nicht an die These vom Serientäter glauben. Die Spuren führen ihn direkt in die eigene Familie. Join da Riddim!


    Abriss Leipzig ist der erste Fall der Leipziger Mordkommission unter Hauptkommissar Lars Kohlund, der gerne den Misanthropen gibt, aber mit Herz und Seele ermittelt. Kotte zeigt Leipzig zwischen WM-Boom und der gescheiterten Olympia-Bewerbung, er zeichnet eine Stadt, deren Koordinaten in ständiger Bewegung sind. Hier überlebt nur, wer im Riddim tanzt.


    Autor


    Henner Kotte wurde 1963 in Wolgast geboren, wuchs in Dresden auf und lebt seit 1984 in Leipzig. Er hat ein Germanistikstudium in Leipzig, Moskau, Stuttgart und Dresden hinter sich, arbeitete als wissenschaftlicher Assistent, als Dozent für Deutsch als Fremdsprache, war Arbeitsloser, ABMler und ist heute Kulturredakteur beim Stadtmagazin BLITZ!.


    Quelle: Henner-Kotte.de


    Meine Meinung


    Da hatte ich mal in einer Lesung von Henner Kotte gleich bei mir um die Ecke im "Noch besser leben" seine preisgekrönte Krimigeschichte "Taxi" gehört und dachte: "Mann oh Mann, starker Tobak!"


    Und dann, vor ein paar Wochen, empfahl mir mein Buchhändler den ersten richtigen Krimi-Roman von Henner Kotte. Inzwischen habe ich ihn gelesen, sacken gelassen, und ich muss wieder sagen: "Starker Tobak!"


    Die Story hat es in sich, geht gleich ziehmlich heftig zur Sache. Die Beschreibung einer Schwulen-SM-Nummer im Wald ist kein Einstieg für sanfte Gemüter.
    Aber es geht in diesem Roman nicht um billige Effekthascherei. Es geht um einen Leipziger Komissar und sein Team, das einen Mord in der Schwulenszene aufklären muss. Um Menschen, deren Alltag genauso kalt und grau ist wie diese riesigen trostlosen Plattenbauten im Ghetto von Leipzig, ihre Lebenslügen, ihre Träume, die zerplatzen wie Seifenblasen und sich in mörderischer Wut entladen.
    Henner Kotte macht es seinem Leser nicht leicht. Seine Sprache ist so spröde wie die Figuren, die ihren Platz in der Gesellschaft, in dieser Stadt suchen, die angeblich die Boomstadt im Osten Deutschlands sein soll. Keine Kuschellektüre! Erinnert mich an "Die Commitments", als Jimmy zum Fotografen sagt: "Ich will kein Scheiß Postkartenmotiv. Ich will den Verfall dieser Stadt!" In dem Punkt ist der Autor schonungslos, aber gerade deshalb wachsen mir die Protagonisten, die Beschreibungen der Schauplätze in diesem Buch wieder ans Herz - sie wirken einfach ehrlich!


    Einen Vorwurf muss ich Henner Kotte dennoch machen. Er hat ganz schön viel reingepackt in diesen Roman. Weniger wäre da manchmal mehr gewesen. Aber offenbar fällt dem Autor noch eine Menge dazu ein....sein Buch endet mit einem Cliffhanger, der zweite Teil ist schon geschrieben. Ich freue mich drauf!


    bo :-)

    Es gibt nur einen Weg das herauszufinden...

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  • Schön, das war mal keiner dieser betulichen Regionalkrimis mit liebenswürdig granteligen Ermittlern vor einer beschaulichen Heimatkulisse.
    Nein, in dieser furchtbaren Stadt möchte man nicht begraben werden, sämtliche Kommissare sind irgendwie auch Arschlöcher, die nicht einmal den Fall ordentlich zu Ende bringen. Und auch wenn die Auflösung für sich betrachtet etwas dick aufgetragen zu sein scheint, ist die Geschichte schlüssig, ja sogar originell und es ist vollkommen einleuchtend, warum die Protagonisten das tun, was sie tun.


    Etwas unglaubwürdig erscheint, dass die Geschichte in Leipzig spielen soll, diesem Dorf von Großstadtgröße. Natürlich könnten diese Verbechen hier passiert sein, allerdings ist "der Rythmus dieser Stadt", dem Kotte durch die manchmal sehr gewollt wirkende "Rappersprache" (oder das, was er dafür hält) Leben einhauchen will, vielleicht die Vorstellung der Pseudogangsta, die vor den Kaufhallen rumlungern, hat aber mit dem Lebensgefühl dieser Provinzstadt nicht viel zu tun: Grünau ist eben nicht St. Denis oder Brixton.


    Trotzdem: die Geschichte erzählt überzeugend von persönlichen Tragödien und selbst einige Handlungsstränge, die man auf der Strecke geblieben glaubt, machen am Ende, jenem besagten Cliffhanger, plötzlich doch noch Sinn.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • he, dd!


    freut mich, endlich noch jemanden zu lesen, der zum ersten kotte seinen kommentar abgibt!


    hab ein exemplar der erstauflage gerade noch vor ein paar tagen über ebay bekommen und mich sehr darüber gefreut. ein tolles geschenk!


    bo :-)

  • ...und auf Seite vier steht: Erstauflage 2008.
    Hätte ich Bogarts Rezi nicht gelesen, hätte ich geglaubt den dritten Band zu lesen, was auch die Autorenvita im Klappentext so erscheinen lässt- schwer unseriös, weshalb das Buch bei mir auch noch im SuB liegt..

  • es gab wohl eine menge stress mit dem festa-verlag. deswegen hat es ja so ewig gedauert, bis der erste teil nun wieder rausgebracht wurde. aber das buch als erstauflage zu bezeichnen, ist schon eine frechheit.


    ich muss mal den buchhändler meines vertrauens fragen - der kennt henner kotte persönlich.


    bo