Madeleine Bourdouxhe - Gilles' Frau

  • Autorenportrait
    Madeleine Bourdouxhe, geboren 1906 in Lüttich, gestorben 1996 in Brüssel. Sie gehörte zum literarischen Kreis um Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir. Ihr Oeuvre, das mehrere Romane und Erzählungsbände umfaßt, erlebte ein internationales Comeback. Auf deutsch erschienen mit großem Erfolg die Romane "Gilles' Frau", "Auf der Suche nach Marie" sowie die Erzählungsbände "Wenn der Morgen dämmert", "Unterm Pont Mirabeau fließt die Seine" und zuletzt der Roman "Als wir träumten".


    Inhalt
    Das Drama einer zerstörerischen Leidenschaft, entstanden bereits im Jahr 1937, ist eine Wiederentdeckung von höchstem literarischen Rang. Bereits Simone de Beauvoir erkannte die atemberaubende Modernität der belgischen Schriftstellerin und war beeindruckt von ihrer Kühnheit.


    Nie zuvor war der Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Sexualität so schonungslos, präzise und zugleich kunstvoll thematisiert worden.


    Elisa lebt zusammen mit ihrem Mann Gilles, einem Fabrikarbeiter, und den beiden Zwillingstöchtern am Rand einer Industriestadt. Erfüllt von der Liebe zu ihrem Mann – einer sinnlich und emotional vollkommenen Liebe – wartet sie jeden Tag sehnsüchtig, dass Gilles von der Schicht nach Hause kommt. Sie beobachtet jede seiner Gesten, bewundert hingebungsvoll seinen starken, männlichen Körper....


    Über dieses Familienidyll bricht eine Katastrophe herein, verkörpert durch Elisas jüngere Schwester. Victorine, ebenso schön wie rücksichtslos, ging schon immer im Haus der Schwester ein und aus.


    Aber plötzlich, eines Abends, sieht Gilles sie mit anderen Augen: Er fühlt sich heftig von ihr angezogen und sie provoziert ihn. So stark ist seine Begierde, dass er ihr nachgibt ... eine subtile Dreiecksgeschichte nimmt ihren Lauf. Sie ist von der Schlichtheit und Unentrinnbarkeit einer klassischen Tragödie.


    Meine Meinung
    Das Buch war ein absolutes Blind Date für mich. Ich kannte die Autorin nicht, ich hatte noch nie von diesem Buch gehört und auch der Klappentext stand nicht aussen auf dem Buch. Warum ich es trotzdem gekauft habe? Das nostalgische Cover meiner gebundenen Ausgabe rührte mich an und – hey! – es hat nur einen Euro gekostet. Also habe ich beschlossen, das Wagnis einzugehen.


    Wir begleiten die Protagonistin Elisa durch ihr Leben und stellen beinahe sofort fest, dass sich darin alles um ihren Mann Gilles dreht, den sie über alles liebt. Sie definiert sich selbst nur über ihren Mann. Diese Liebe kommt als ein altmodisches, dennoch starkes, selbstständiges – aber nicht als klammerndes und einengendes Gefühl rüber. Manchmal wünscht man sich diese Art von Gefühl auch in sich... doch diese Art der selbstaufopfernden Liebe ist schon längst passé in der neueren Zeit und eigentlich will man so eine Beziehung auch nicht wirklich...


    Gilles ist ein an und für sich anständiger, liebender Mann und Vater, doch plötzlich wird er sich der Reize seiner Schwägerin bewusst und diese beginnt, mit ihm zu spielen und fängt eine Affäre mit ihm an.


    Nach einiger Zeit kommt Elisa dahinter und sie beginnt, auf die ihr eigene Art und Weise um ihren Mann zu „kämpfen“: Erst ignoriert sie es, in der Hoffnung, die Sache läuft sich von selbst tot. Dann ist sie besonders liebevoll zu ihrem immer mürrischer werdenden Mann. Schließlich wird sie sogar seine Vertraute und berät ihn auch noch, wie er bei Victorine vorankommt.


    Das sind Momente, in denen mir das Weiterlesen dieses wunderschön geschriebenen Büchleins sehr schwer fiel: Man möchte Elisa anschubsen, man möchte sie durchschütteln, möchte ihr zurufen, entweder aktiv zu kämpfen oder aber den treulosen Mann vor die Türe zu setzen – aber nicht so stumm zu leiden.


    Man darf dabei natürlich auch nicht vergessen, dass dieser kleine Roman in den 30er Jahren erschien. Vieles war damals auch noch anders, als man es heute handhaben würde.


    Aber einiges von dem, wie Elisa von ihrem treulosen Mann gedankenlos behandelt wird, hat mir beim Lesen richtig weh getan. Ganz langsam schaukelt sich diese Dreiecksgeschichte einem Ende zu, von dem man nur hoffen kann, dass es nicht so tragisch wird, wie man eigentlich schon längst vermutet.


    Mehr werde ich aber auch nicht verraten – lest es selbst. Das Buch ist unbedingt lesenswert, geschrieben in einer sehr schönen, bildhaften Sprache. Man wird in diese verhängnisvolle Beziehung mit hineingezogen und kann ihr nicht entrinnen. Wiederholt möchte man die Protagonistin aufrütteln und ihr andere Wege aufzeigen – doch sie kann und will nicht aus ihrer Haut.


    Ein Buch, das wehtut – und dennoch wunderschön ist.


    Edit: Schade, das wunderschöne Cover meiner Ausgabe kann nicht angezeigt werden, daher das nicht mal halb so schöne TB.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Ohne Gilles ist Elisa Nichts. Madeleine Bourdouxhes Werk ist eine eindringliche Warnung vor dem Selbstverlust und der Selbstaufgabe für einen anderen. Besonders für die Frauen der Zeit in der das Buch erschienen ist, ist dies eine enorm wichtige Botschaft. Allerdings denke ich, dass das Buch (leider) auch heute noch sehr aktuell ist. In vielem habe selbst ich mich, als Tochter einer Emanze, ertappt gefühlt. Oft vergisst man im Alltag mit der Familie sich selbst und seine Bedürfnisse, stellt sie hinten an, macht Kompromisse, wo eigentlich keine mehr möglich wären. Elisa ist innerlich nur von Liebe erfüllt, wie sie sagt, von Liebe für andere. Als diese Liebe ins Wanken gerät, gerät sie selbst ins Wanken und man kann sich denken, dass diese Geschichte kein Happy-End haben kann.


    Madeleine Bourdouxhe ist eine außergewöhnlich gute Autorin, die ich sofort nach ein paar Zeilen in meine Herz geschlossen habe. Sie ist feinfühlig, intelligent und teils auch sehr hart und direkt, wenn es um die Übermittlung ihrer Botschaften geht. Sie führt den Leser mit einer verblüffenden Leichtigkeit und Selbstverständnis in die verborgensten Winkel der menschlichen Seele. Jedes Wort wird vom Leser mit Spannung förmlich absorbiert.
    In Gilles Frau gibt es keine Traumwelten, nur den alltäglichen, normalen Wahnsinn. Ein Buch das etwas bewegt und wachrüttelt.


    Ich würde dem an Madeleine Bourdouxhe interessierten Leser unbedingt dieses Buch als Einstiegswerk empfehlen. Unterm Pont Mirabeau fließt die Seine ist dann eine schöne Ergänzung zum Leben der Autorin.
    Wie gesagt eine tolle Autorin, eine wunderbare Entdeckung!!!

  • Dem kann ich nur beipflichten.
    Ein ganz wuderbares Werk, das nach so langer Zeit noch aktuell ist. Schade dass die Autorin nicht so bekannt ist, wie sie es vedient hätte. Aber das sind eben die Perlen der Literatur.

  • Ja, kann ich nur wärmstens ans Herz legen. Ich möchte fas t behaupten, dass es mir noch besser gefallen hat als "Gilles Frau" Es ist vielleicht einen Touch moderner, ich konnte jederzeit den Gedanken, Vorstellungen und Gefühlen dieser eigentlich modernen jungen Frau folgen.


    Solltest du es noch nicht kennen, dann aber flott :wave

  • An der Stelle deiner Rezi, als Victorine ins Spiel kommt, dachte ich: neee, das ist nichts für Idgie, aber beim Weiterlesen bin ich doch wieder neugierig geworden. Jetzt steht das Buch auf der Wunschliste. :wave

  • Ich hoffe, Du bist noch ein wenig länger im Forum. Angesichts drölf zillionen ungelesener Bücher (mindestens!) kann es unter Umständen noch ein wenig dauern, bis ich dieses Buch gelesen habe... *pfeif* :grin

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ja da musst du halt Prioritäten setzen. :-] Meine Lebenderwartung ist zwar rein rechnerisch schon noch auf mehr als 30 Jahre angesetzt, aber ob ich dann noch alles mitbekomme :-]


    Als ich bin ja noch eine Neu-Eule und hab schon vor etwas zu bleiben. Kein Stress. Soll ein Genuss sein :-)

  • Auf der Suche nach Marie subt noch bei mir, aber bestimmt nicht mehr lange...
    Sehr schön war übrigens das Nachwort zu Gilles Frau, eine Menge interessante Infos zur Autorin. Eine Biographie über sie scheint aber, in Deutschland zumindest, nicht vorhanden zu sein. Schade!
    Vacances ist doch nur ein Romanfragment, wenn ich mich recht erinnere, oder? Ist es denn gut lesbar?

  • Zitat

    Original von Theresa
    Ja da musst du halt Prioritäten setzen. :-] Meine Lebenderwartung ist zwar rein rechnerisch schon noch auf mehr als 30 Jahre angesetzt, aber ob ich dann noch alles mitbekomme :-]


    Lass es lieber! Solche Rechnereien können einen an den Rand der Verzweiflung bringen. :lache

  • Zitat

    Original von Salome
    Hat jemand von Euch auch Auf der Suche nach Marie gelesen?


    Ja, vor 7 Jahren - sehr schön!!! Auch absolut zu empfehlen!

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Zitat

    Original von Salome
    Vacances ist doch nur ein Romanfragment, wenn ich mich recht erinnere, oder? Ist es denn gut lesbar?


    Ja, es ist nur ein Fragment - zumindest beim Reinlesen war es gut lesbar und es ist ein sehr ausführliches Nachwort im Buch. Daher denke ich, daß man nicht einfach mittendrin im Stich gelassen wird.


    Und wenn doch, dann ist mir das auch egal, weil das gebundene Buch ein Superschnäppchen war. ;-)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Es ist schon eine ganze Zeit her, als ich das Buch Gilles Frau gelesen habe, aber es hat mir damals sehr gut gefallen. Werde ich nun mal umsehen, das ich die anderen Titel mal in die Finger bekomme...

    :lesend Ich lese:


    Die Königsdame von Sabine Weigand
    Die Welt ohne uns von Alan Weisman


    Forget the prince with a horse - I want a vampire with a volvo.