Die Ameisensiedlung von Mirijam Günter ca. ab 13 J.

  • Kurz zum Inhalt (von Amazon :grin:)
    Die 15-jährige Conny lebt mit ihrer alkoholkranken Mutter und ihren jüngeren Halbgeschwistern in der Ameisensiedlung, einem sozialen Brennpunkt am Stadtrand. Von ihrem Vater hat sie die dunkle Hautfarbe und die schwarzen Locken geerbt; kennen gelernt hat sie ihn allerdings nie. Während die Mutter sich mit ständig wechselnden Liebhabern vergnügt, schwänzen Conny und ihre Freunde Andi, Michi und Benni die Schule und hängen am Einkaufszentrum rum. Der Zusammenhalt in ihrer Clique lässt Conny das Leben ein bisschen erträglicher erscheinen. Die Situation zu Hause gerät dagegen immer mehr außer Kontrolle: Viele Liebhaber der Mutter erweisen sich als brutale Schlägertypen. Völlig überfordert kümmert Conny sich um ihre Geschwister, versucht Geld aufzutreiben und gleichzeitig das Jugendamt fern zu halten. Dann findet sie unerwartet in einem Lehrer eine Person ihres Vertrauens. Er macht ihr Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Doch ihre Freunde reagieren misstrauisch und nehmen den Lehrer als Bedrohung war. Die Clique droht zu zerbrechen. Und dann steht Conny vor einer unmöglichen Entscheidung. Andi, Michi und Benni wollen den Lehrer entführen und erpressen, um mit dem Geld endlich raus aus der Ameisensiedlung zu kommen. Conny, vor die Wahl zwischen der Clique und ihrem Lehrer gestellt, stimmt schließlich zu. Obwohl die Entführung misslingt, bekommt Conny eine neue Chance. Der Lehrer nimmt sie bei sich auf, um Conny ein neues Leben in einer bürgerlichen Welt mit allen Chancen zu ermöglichen. Doch Conny fühlt sich fremd in dieser Welt und sehnt sich trotz allem nach ihrer Clique und ihrer Heimat zurück ...


    Über die Autorin:
    Mirijam Günter (* 18. September 1972) ist eine gesellschaftskritische Schriftstellerin und Publizistin. Sie lebt in Köln-Ehrenfeld und in Leipzig, wo sie am Deutschen Literaturinstitut studiert. Günter ist Trägerin des Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreises 2003.


    Meine Meinung :
    Ich finde das Buch richtig gut ,weil es meiner Meinung nach wichtig ist, zu wissen , unter welchen Bedingungen manche Menschen leben können und müssen, zB. in der Ameisensiedlung ...
    - Wobei ich nicht hoffe , dass es so eine Siedlung wie diese wirklich gibt , weil ,was da so passiert finde ich teilweise echt heftig.
    Andererseits gibt diese Siedlung ja auch wieder einen gewissen Zusammenhalt derer die dort leben ...
    Ich finde die Sichtweise aus der Conny ihre Geschichte erzählt ziemlich interessant ... wie sie mit ihren Freunden lebt und über den Rest der Welt denkt .
    Das Buch ist sehr gelungen, weil es sehr fesselnd geschrieben ist und Tiefgang hat.

    Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.

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  • Die Ameisensiedlung - Mirijam Günter


    Es gibt Bücher, die sprachlich so überragend sind, daß man viel Zeit verstreichen lassen muß, eh man wagt, eigene Wort zu gebrauchen, um von ihnen zu sprechen. Es gibt Bücher, in denen Geschichten so vollendet erzählt werden, daß man eine gute Weile braucht, ehe man selbst von diesen Geschichten erzählen kann. Es gibt Bücher, in denen Ideen, Vorstellungen, Überlegungen so wunderbar überzeugend wiedergegeben werden, daß man längere Zeit nahezu unfähig ist, eigene zu entwickeln.
    Dann gibt es noch Bücher, in denen sprachlich, erzählerisch und denkerisch ein solches Schindluder getrieben wird, daß man Tage braucht, ehe man mehr als schmerzliches Stöhnen und Wutschreie hervorbringt, wenn man nur an sie denkt.
    Hier haben wir es mit dem vierten Fall zu tun.


    Dieser Roman für junge Teenager erschien 2006. Es gilt als Sozialreport und hat eine beachtliche Karriere hinter sich. Die Autorin erzählt von der fünfzehnjährigen Conny, unehelich geboren, in einer dysfunktionalen Familie lebend. Sie wohnt in einer verkommenen Vorstadtsiedlung, aka sozialer Brennpunkt. Sie hat noch zwei Brüder, die einen anderen Vater haben, die Mutter ist schwerst alkoholkrank und lebt mit häufig wechselnden Männern.
    Conny schwänzt meist die Schule, hat keine rechte Vorstellungen von einem Leben als Erwachsene und hängt am liebsten mit ihren drei Freunden Andi, Michi und Benni rauchend vor dem Supermarkt herum.
    Andi ist siebzehn und der ortsansässige Weiberheld, Michi ist als Rasta verkleidet und nimmt ab und zu das Wort ‚Politik’ in den Mund. Benni stammt aus besseren Verhältnissen, allerdings starb seine Mutter, worauf sein Vater zu trinken anfing und drei Monate später samt Benni und einer kleinen Tochter in der Siedlung landete. Darüberhinaus ist Andi groß und stark und ein Schläger, Michi hat einen Hang zum Theaterbesuch und Benni jammert den ganzen Tag. Damit Conny auch etwas hat, hat sie Probleme mit ihrem Dasein als Mädchen und überdies dunkle Haut.


    Ansonsten ist Conny wild besessen, zu vermeiden, daß sie und ihre kleinen Brüder ins Heim kommen, was sich darin äußert, daß sie immer, wenn sich Besuch vom Jugendamt anmeldet, in Windeseile die Wohnung aufräumt und erzählt, ihre Mutter sei eben auf Arbeitssuche. Gelegentlich muß sie auch beim Sozialamt erscheinen, wo sie prompt rassistischen Anfeindungen seitens des dort arbeitenden Personals ausgesetzt ist. Sie begleitet auch andere und verteidigt sie im Notfall edelmütig gegenüber den unfähigen SachbearbeiterInnen. Die bösartigen Angriffe hört sie mit, weil auf den Ämtern immer zufällig dann die Türen offenstehen, wenn Conny vorbeikommt.
    Hört sie keine SachbearbeiterInnen wüten, hört sie ihre Mutter auf dem Gang in trunkenem Zustand über ‚Kanaken’ schimpfen. So ist eben immer etwas los in Connys Leben.


    Ist es nicht das Amt, bleiben immer noch die Freunde und die anderen Gangs und Cliquen. Hin und wieder kommt es zu Massenschlägereien, weil das eben so ist an ansonsten ganz normalem Tagen in solchen Siedlungen. Abgesehen vom gelegentlichen Klauen und den gelegentlichen Schlägereien hat Conny eherne Standpunkte. Kein Sex - sie trägt Jungenkleidung - , keine Drogen. Zigaretten und Bier zählen deutlich zu den Grundnahrungsmitteln. Als Andi anfängt, mit ungewaschenen Haaren herumzulaufen, ist Conny, Michi und Benni klar: Andi nimmt Drogen!
    Aber sie haben sich geirrt. Andi ist von dem mangelnden Vertrauen seiner besten Freunde so verstört, daß er versucht, sich umzubringen. Die Freunde finden ihn bewußtlos, im Krankenhaus wird er gerettet. Als der behandelnde Arzt ihn an einen Psychiater überweisen will, halten die Freunde ihn davon ab. Ein Psychiater kann Andi kein besseres Leben verschaffen. Der Arzt sieht die Sinnlosigkeit seines Tuns ein und läßt die Clique samt dem eben wiederbelebten Andi davonziehen.


    Inzwischen wird es mit Connys stets betrunkenen Mutter so schlimm, daß Conny beschließt, ein neues Leben zu beginnen. Nach langer Zeit gönnt sie sich einen Schulbesuch. Ein neuer Lehrer ist von ihr so ergriffen, daß er sie fortan unterstützen will. In kürzester Zeit duzen sie sich. Conny ist etwas mißtrauisch, aber sie kann seinen grauen Schläfen dann doch nicht widerstehen. Ihre Freunde aber werden sauer und hecken einen Plan aus. Sie wollen den Lehrer entführen und Geld von ihm erpressen. Conny ist in einer Zwickmühle. Der Lehrer bietet ihr und ihren kleinen Brüdern ein Leben mit Zukunft, aber ihre Freunde sind eben auch wichtig. Sie stimmt dem hirnrissigen Plan zu.
    Dem Lehrer gelingt es, die Polizei zu Hilfe zu rufen. Andi wird angeschossen und der Polizist, der abgedrückt hat, nimmt sich vor lauter Gewissensqual das Leben. Andi muß fortan sein Leben im Rollstuhl verbringen und bezieht mit Benni zusammen eine Wohnung. In Untersuchungshaft o.ä. kommt er nicht, weil beim ihm als Rollstuhlfahrer keine Fluchtgefahr bestehe. Benni, der bei der versuchten Entführung und anschließenden Erpressung dabei war, ist ebenfalls von allen Sanktionen frei.


    Conny lebt derweil als Pflegetochter mit ihren Brüdern bei dem Lehrer. In der neuen Schule wird sie gemobbt, weil gute SchülerInnen Leute aus sozialen Brennpunkte nicht ausstehen können. Als Connys Mutter nach einer Entziehungskur beschließt, sich auf einen alternativen Bauernhof zurückzuziehen, fühlt sich Conny verlassen und zieht in die Siedlung zurück. Sie findet, daß Andi und Benni das verdienen. Michi ist inzwischen weggezogen und hat kein Verständnis für Conny. Aber für sie ist er jetzt der Verräter. Conny lebt dann als Fünfzehnjährige allein in einer Wohnung in der Siedlung und beschließt, zusammen mit Andi und Benni über ihr Leben nachzudenken.


    Der Handlungsablauf dieser Geschichte ist nur absurd. Die sprachliche Ausgestaltung zu qualifizieren fällt schwer. Sätze werden schlicht aneinandergehängt. Es wird nur behauptet, nie etwas gezeigt. Das gilt für Ereignisse ebenso, wie für Gefühle. Nach wenigen Seiten schon hat der Text einen einförmigen leiernden Ton, der in Kombination mit den Ungereimtheiten der Handlung rasch zum Ärgernis wird. Die Siedlung wie die Welt außerhalb besteht nur aus Versatzstücken, wie Klötzchen aus einem Kinderbaukasten. Die Dialoge sind ohne ein Ohr für Klang und Aussage zusammengezimmert. Weder Jugendliche noch Erwachsene sprechen auf diese Weise, nicht in Vorstadtsiedlungen, nicht auf Ämtern, nicht in Schulen. Die Figuren verdienen nicht einmal diesen Namen. Ihr Handeln ist unlogisch, vage, plötzlichen Einfällen der Autorin unterworfen. In einem Satz sagen sie das, im nächsten jenes, im dritten noch etwas Gegenteiliges. Das ist keine Möglichkeit, etwa die emotionale Verwirrung von Teenagern darzustellen. Wer hier verwirrt wird, sind die LeserInnen. Sehr schnell hat man den Überblick darüber verloren, wer was wie ist oder will.


    Das einzig Schlüssige an diesem Buch sind die Vorurteile. Es behauptet, für benachteilige Jugendliche einzutreten, es tut genau das Gegenteil. Conny, als Identifikationsfigur gedacht, darf etwa behaupten, daß in solchen Ghettos die Alten den Jungen die Tips weitergeben, wie man vom Sozialamt Geld erschwindelt und sich vor Jobs drückt. ‚Das ist unser Generationenvertrag’ sagt sie. Es weder kommentiert noch gar differenziert. Alles, was die Jugendlichen tun, entspricht rundum klischeehaften Vorstellungen vom Leben dieser Kinder und Jugendlichen. Es gibt keine Abweichung davon.


    Schlimm sind das Unwissen und der deutliche Unwille der Autorin, sich z.B. über die Rechtslage in bestimmten Situationen zu informieren. Überhaupt über den Alltag der Menschen, die sie beschreibt. Sie hat von gutsituierten Lehrern, von Ärzten, Polizisten oder SozialarbeiterInnen ebensowenig eine Ahnung, wie von Fünfzehnjährigen mit AlkoholikerInnen als Eltern. Die Geschichte strotzt vor Unwahrscheinlichkeiten.
    Die wenig ausgeprägte Fähigkeit, Sprache als Mittel von Gestaltung wie zur Vermittlung einzusetzen, trägt zu dem Desaster gründlich bei.
    Übel ist, daß deutlich gemacht wird, daß jede Hilfe umsonst ist. Psychiater werden nicht gebraucht, Polizisten, die sich für die Kids engagieren, geraten durch sie nur in Schwierigkeiten und sind am Ende tot. Engagierte Lehrer werden Opfer und bleiben frustriert zurück. Wer sich auf solche Kinder einläßt, nimmt ein böses Ende. Schuld daran, sind eben diese Kinder.


    Am schlimmsten aber ist, daß dieses Buch Schullektüre geworden ist, für die selbst das Bundesfamilienministerium wirbt, und sich nichtsahnende Teenager zwischen vierzehn und siebzehn Jahren viele Schulstunden lang die Köpfe über einen solchen in jeder Hinsicht hanebüchenen Unsinn zerbrechen sollen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Aber sie haben sich geirrt. Andi ist von dem mangelnden Vertrauen seiner besten Freunde so verstört, daß er versucht, sich umzubringen. Die Freunde finden ihn bewußtlos, im Krankenhaus wird er gerettet. Als der behandelnde Arzt ihn an einen Psychiater überweisen will, halten die Freunde ihn davon ab. Ein Psychiater kann Andi kein besseres Leben verschaffen. Der Arzt sieht die Sinnlosigkeit seines Tuns ein und läßt die Clique samt dem eben wiederbelebten Andi davonziehen.


    Allein deswegen könnte ich schon kotzen. Was soll jugendlichen Lesern denn damit vermittelt werden? Dass ein Psychiatrieaufenthalt bei Suizidalität sinnlos ist?


    Meiner Meinung nach verletzt der Arzt seine Sorgfalts- und Fürsorgepflicht, wenn er einen 16-jährigen nach einem Suizidversuch einfach wieder mit seiner Clique gehen lässt. Wenn ich es richig verstehe, hat er vorher noch nicht mal mit Erziehungsberechtigen gesprochen? Was für ein Schmarrn. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Arzt sich darauf einlassen würde. :pille

  • Ist auch nicht vorstellbar. Die Szene wird nur benutzt, um die Sinnlosigkeit jeglicher Bemühungen, das Leben der Betroffenen zu ändern, zu betonen. Ich habe mich ernsthaft gefargt, ob dahinter nicht schon das Wunschdenken steckt, die von den Kassen ohnehin kärglich bemessene psychologische Betreuung bei armen Leuten von vorneherein zu streichen. Nützt ja nichts. Sagen die Betroffenen ja selbst, laut diesem Buch.


    Sie transportiert damit Vorurteile, nicht nur gegen PsychiaterInnen, sondern auch gegen ÄrztInnen anderer Fachgebiete. Der behandelnde Arzt läßt sich von einem einzigen Satz eines sechzehn-, siebzehnjährigen Jungen davon abhalten, einen Patienten zu überweisen.
    Im Anschluß darf Conny darüber sinnieren, daß der Arzt nun so lange studiert habe, aber keine Ahnung davon hat, wie das Leben wirklich aussieht.
    Sprich: AkademikerInnen taugen nichts.


    Das haben wir doch immer schon gewußt. ;-)




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Zitat

    Original von magali
    Ist auch nicht vorstellbar. Die Szene wird nur benutzt, um die Sinnlosigkeit jeglicher Bemühungen, das Leben der Betroffenen zu ändern, zu betonen. Ich habe mich ernsthaft gefargt, ob dahinter nicht schon das Wunschdenken steckt, die von den Kassen ohnehin kärglich bemessene psychologische Betreuung bei armen Leuten von vorneherein zu streichen. Nützt ja nichts. Sagen die Betroffenen ja selbst, laut diesem Buch.


    Oder, weil man es selbst nicht geschafft hat, sein Leben zu verändern (es ist nämlich nicht so, dass der Psychiater das Leben anderer verändert, sondern das ist harte Arbeit, die man selbst leisten muss, der Psychiater kann da nur unterstützen), andere davon abhalten, dass sie es auch mal auf diesem Weg versuchen und damit wohlmöglich Erfolg haben.