"Der Jadereiter" - John Burdett

  • Titel der englischsprachigen Originalausgabe: "Bangkok 8"


    Kurzbeschreibung

    Die Zukunft ist unergründlich, sagt der Buddha. Und deshalb wissen die Polizisten Sonchai und Pichai noch nicht, dass der amerikanische Jadehändler in dem Mercedes vor ihnen bald am Biss einer Kobra sterben wird. Was sie ebenfalls nicht wissen, ist, dass die Kobras und Pythons, die aus William Bradleys Wagen hervorkriechen, auch Pichai töten werden, den Sonchai seit seiner Kindheit kennt. Mit dem er sich im Waldkloster den strengen buddhistischen Glaubensregeln unterworfen hatte. Pichai war sein Bruder im Geist, und deshalb schwört Sonchai Rache für seinen Tod. Zusammen mit Kimberley Jones, der undurchschaubaren und attraktiven FBI-Agentin, die eigentlich ihn observieren sollte, setzt er sich auf die Spur von Bradleys und Pichais Mördern. Und seine Jagd gerät zu einer Reise in die eigene Vergangenheit: in die Unterwelt Bangkoks, in die Bordelle des berüchtigten 8. Bezirks – bis hinein in die Amtszimmer der amerikanischen Botschaft.


    Über den Autor


    John Burdett, 1951 in Southampton geboren, hat Literatur- und Rechtswissenschaften studiert und ist 1982 nach Hongkong übergesiedelt, um dort als Anwalt eines britischen Konzerns zu arbeiten. Nach dem Erfolg seiner Thriller »Eine private Affäre« und »Die letzten Tage von Hongkong« ging er als Schriftsteller nach Frankreich und Spanien. Heute lebt er wieder in Hongkong.


    Meine Meinung


    Das ist wirklich ein sehr ungewöhnlicher Thriller. Die Hauptfigur Sonchai und sein Seelenbruder Pichai, der gleich am Anfang stirbt, sind arhat, das heißt sie nehmen weder Bestechungsgelder noch sonstige Vergünstigungen an. Und zwar nicht, weil sie so edle Menschen sind, sondern weil sie der Korruption abgeschworen haben, um einer Mordanklage zu entgehen. Sonchai ist außerdem der Sohn einer thailändischen Hure und eines amerikanischen Freiers und jeder in Bangkok, der sich ein bisschen auskennt, steckt ihn auch sofort in die entsprechende soziale Kategorie. Durch seine Kindheit im Rotlichtmilieu Bangkoks kennt er sich perfekt mit den Geflogenheiten dort aus und durch die Freier seiner Mutter hat er gelernt, fließend Englisch zu sprechen.


    Die Geschichte wird von Sonchai in der Ich-Form auf ironisch-humorvolle, aber auch sehr einfühlsame Weise erzählt. Hin und wieder wendet sich Sonchai direkt an den Leser, hinter dem er einen farang, einen Ausländer vermutet und erklärt, warum die Dinge in Thailand so sind wie sie sind. Auch wenn der Autor Brite ist, sieht man Thailand und westliche Ausländer praktisch durch die Augen eines Thais. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass der Autor Land und Leute liebt und ihnen großen Respekt entgegen bringt.


    Interessanter als den eigentlichen Kriminalfall fand ich das Setting und die Hauptfigur. Den Fall selbst hab ich eigentlich sogar eher als etwas konstruiert empfunden. Man erfährt viel über Prostitution in Thailand, über den Einfluss des Westens und die Folgen des Vietnam-Krieges – allerdings aus der subjektiven Sicht eines Thais. Und auch Sonchais Vergangenheit, Herkunft und seine Lebensumstände als nicht-korrupter Polizist spielen eine große Rolle. Die Unterschiede zwischen thailändischer und amerikanischer Polizeiarbeit und kulturelle Unterschiede werden gerade durch die Zusammenarbeit mit der FBI-Agentin besonders deutlich. Obwohl eins der zentralen Themen des Buches die thailändische Sex-Industrie ist und das Buch praktisch ausschließlich im Rotlichtmilieu spielt, verzichtet der Autor auf billigen Voyeurismus und graphische Beschreibung von Sex und Gewalt, sondern konzentriert sich statt dessen darauf, die Motive der einzelnen Figuren zu beleuchten. Auch Nebenfiguren sind vielschichtig ausgestaltet.


    Sonchai ist mir richtig ans Herz gewachsen und deshalb hab ich mir den zweiten Band „Bangkok Tattoo“ auch schon gekauft. :-]
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  • Ich habe den Roman im Oktober gelesen und kann mich Delphin nur anschließen - ein Krimi, der eine fremde Kultur liebevoll dem interessierten Leser nahe bringt.


    "Interessiert" deswegen, weil er so gar nicht in das übliche Krimi-Muster verfällt, sondern das Genre nur als Basis nutzt.
    Bin lange um das Buch herumgeschlichen, bis ich es gekauft habe, da ich keine Lust auf einen Allerweltskrimi mit exotischem Flair hat. Aber es hat sich gelohnt, dem Klappentext nicht zu vertrauen. Ein den eigenen Horizont erweiterndes Buch


    meint Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • literarische Weltreise: Thailand


    Ein wenig skeptisch war ich ja bei diesem Buch, Thriller sind nur bedingt mein Genre, und ein buddhistischer Mönch als Cop hätte leicht zu esoterischem Mumpitz ausarten können.


    Aber nein, "Der Jadereiter" ist ein rundum gelungener Roman, der Thailand keineswegs nur als Kulisse nutzt, sondern sehr glaubwürdig den Lauf der Dinge aus der Sicht eines Thais schildert.
    Sonchai, der Held, Sohn einer thailändischen Nutte und eines amerikanischen Soldaten, personifiziert die Zerrissenheit eines Landes zwischen westlichem Lifestyle und östlicher Spiritualität. Das ist streckenweise ausgesprochen amüsant und überraschend tiefgründig, etwa als er an der Auswahl eines Klingeltones für sein Handy scheitert: Wütend merke ich, dass Motorola mich in ein Labyrinth voll angeblicher Optionen gelockt hat, das in einer Sackgasse endet. Wenig später ertappt er sich dabei, wie er seinen Vorgesetzten um seine teure italienische Garderobe beneidet, ein Vorgang, der dringend der ausgiebigen Meditation mit Hilfe eines Joints bedarf, um sein Karma wieder in Ordnung zu bringen.
    Dennoch wirkt diese buddhistische Denkweise keineswegs esoterisch, sondern die Sicht des Helden ist eher ungeheuer pragmatisch, auch wenn ein für uns Europäer völlig fremdes Weltbild zugrundeliegt und das Übersinnliche eine bedeutende Rolle spielt.
    Das Gleiche gilt auch für den Kriminalfall selbst, der vielleicht, wie Delphin meinte, etwas konstruiert erscheint, aber mir vor dem örtlichen Hintergrund durchaus schlüssig erschien, stellt er doch nicht nur unsere westliche Vorstellung von Schuld und Sühne auf den Kopf, sondern basiert auch noch auf völlig unterschiedlichen Moralvorstellungen. Dabei geht es streckenweise ganz schön grausam zu, aber nie wird die Gewalt zum Selbstzweck, oft sind es nur Andeutungen, zu denen sich das Kopfkino die grausamen Details ausdenkt.
    Aber nicht zuletzt ist es diese mitreißende Sprache und der trotz aller Thrillerelemente sehr humorvolle Unterton, der mich an diesem Buch gefesselt hat: einfach grandiose Unterhaltung mit Horizontserweiterungsdenkanstößen.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ein Einblick in eine neue Welt. Besondere angetan war ich von der Art der Ermittlung. Sonchai zieht sich zurück und meditiert und findet eine Lösung. Auch die Betrachtungsweisen des Karma hat mich interessiert.
    Auch von Dritt-Welt-Ländern kann die erste Welt lernen - und nicht zu wenig. Die Cops kommen nicht gerade gut weg :yikes, vieles wird auf die Schippe genommen, ein subtiler Humor zieht sich durch das Buch.


    Ich lese auf alle Fälle weiter! Gibt ja noch 4 Bände. :wave

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein