Bianca Stücker - Schaulaufen für Anfänger

  • Titel: Schaulaufen für Anfänger
    Autorin: Bianca Stücker
    Verlag: Fischer Tb
    Erschienen: Februar 2007
    Seitenzahl: 224
    ISBN: 3596172942
    Preis: 8.95 EUR


    Die Autorin:
    Bianca Stücker wurde 1976 geboren. Sie schreibt die Kolumne „Ansichten einer Anachronistin“, hat Nasty-Pop-Electro und Mittelaltermusik veröffentlicht, ein Kirchenmusikexamen abgelegt, als DJane und Hinterhoftätowierer gearbeitet und lebt in Hamm.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch war ein Verlegenheitskauf. Da gibt es gar nichts daran herumzureden. Der Lesestoff für die Rückfahrt mit der U-Bahn war mir ausgegangen und da musste in der Mittagspause schnell Ersatz beschafft werden.
    Und nun nach Abschluss dieses Buches, habe ich es erstmal vom Verlegenheitskauf in den Rang eines ganz „besonderen“ Kaufes befördert und erhoffe mir in Zukunft noch ganz viele solcher Verlegenheitskäufe.
    Um was geht es denn nun in diesem Buch? Da ist zum einen Nancy, die diese Geschichte erzählt. Und nun muss man sich ein wenig konzentrieren um auch alles mitzubekommen. Nancy ist mit Patrice zusammen, aber Patrice geht für ein Jahr nach Neuseeland und Nancy soll daher den Platz von Patrice in der WG einnehmen, in der Patrice zusammen mit Jerry und Shaoe lebte. Nancy zieht also bei den beiden Männern ein und begreift anfangs eigentlich gar nicht so richtig, warum sie das eigentlich macht.


    Nancy ist eine Studentin, Mitte Zwanzig, die die Verkörperung des gelebten Pessimismus sein könnte. Ohnehin nicht mit viel Selbstbewusstsein ausgestattet, beobachtet sie ihr eigenes Verhalten besonders kritisch und kann nicht verstehen, dass es überhaupt Menschen gibt, die irgendein Interesse für sie empfinden. Und dann tritt Raffaele in ihr Leben und die beiden beginnen so etwas wie eine Beziehung. Sie macht per Brief Schluss mit Patrice, der im fernen Neuseeland weilt. Zwischendurch macht ihr Shaoe auch noch ein sehr intimes Geständnis und dort bereits hätte sie die Dinge klarer sehen können. Und so kommt es dann zum Ende des Buches noch zu einem dramatischen Schluss. Mehr sei hier aber jetzt nicht verraten.


    Ein lesenswertes Buch. Bianca Stücker schreibt zurückhaltend und dem Leser gelingt es sehr gut, sich in die unsichere Nancy hineinzuversetzen. Bianca Stücker in der Person der Nancy überlässt dem Leser das Urteil, ein Urteil zu dem Nancy offenbar nicht in der Lage ist. Die erzählende Nancy wirkt oftmals nur wie ein Chronist der Ereignisse, und wenn sie einmal Emotionen zeigt, dann ist das nicht vielmehr als nur ein kurzes Ankratzen der Emotionsdecke. Nancy scheint nicht in der Lage zu sein, dem unbekannten Leser gegenüber ihre Gefühle wirklich transparent zu machen – vor einer unbegrenzten Offenheit schreckt sie zurück. Aber manchmal sagt man mehr über die Dinge aus indem man nichts sagt.


    Alarmbesuche einer Buchhandlung in der Mittagspause scheinen eine wirklich lohnenswerte Sache zu sein.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Voltaire


    an dieser Stelle mal danke von mir, daß Du Dich unverdrossen durch die 'kleinen', sprich verkannt-unbekannteren Autorinnen und Autoren arbeitest.
    Du hast mir in den letzten Wochen viele Tips gegeben, die Bücher entsprechen ziemlich genau meinem Beuteraster.
    Du siehst, trotz, ähm, ideologischer Differenzen :grin scheinen wir doch Gemeinsamkeiten zu haben. :yikes :lache


    Auch Dein obiger Zufallsfund steht schon auf meiner Liste.


    Ich möchte meinerseits nicht versäumen, Dir Autorinnen wie Anne Hahn, Annett Gröschner und Corinna Waffender zu nennen, könnten interessant sein für Dich.


    :anbet


    :wave


    magali (zur Zeit höchst zeitknapp)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich habe es inzwischen gelesen. Ein ganz eigenes Buch.
    Die Protagonistin bleibt wirklich ein wenig blaß und im Hintergrund, gelegentlich schießt sie aber Einsichten über das Leben und die Menschen ins Publikum, die das unbedingt wettmachen.


    Ich bin nicht ganz sicher, ob in der Geschichte alles wirklich zusammenpaßt. Aber wie kann ich einer Autorin widerstehen, die so jung ist, aber so wunderbare Wörte benutzt wie 'rentieren' statt: es rechnet sich, 'altbacken' statt: nicht angesagt oder 'entrüstet' statt dieses eintönigen 'sauer'?
    Und die noch dazu ganz lässig mindestens zwölf Versionen für 'nett' aus dem Ärmel schüttelt?
    Die Themen, um die es geht, sind auch schrecklich altbacken. Liebe, Verantwortung, Scham. Letztere Vokabel wird tatsächlich aufgeführt. :wow
    Das Büchlein ist ein echtes Fundstück. Charmant, um mit den Worten der Autorin zu sprechen.


    Aber was, um alles in der Welt, ist bitte 'Nasty-Pop-Electro'?

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Dieses Buch ist mir vor ein paar Wochen in die Hände "gehüpft" beim ziellosen Einfachnurschauen in meiner Lieblingsbuchhandlung.
    Mich hat es an meine Studentenzeit erinnert, an spätpubertäre Unsicherheiten und Liebesnöte, und als dann auch noch etwas Handlung dazugekommen ist, war es richtig spannend.
    Sprachlich genau zwischen erfrischend und solide, war dieser Spontankauf für mich ein richtiges Kleinod.

    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das nicht allemal das Buch.
    Georg Christoph Lichtenberg