Als wärs ein Stück von mir - Horen der Freundschaft v. Carl Zuckmayer

  • Klappentext (in Ermangelung einer entsprechenden Kurzbeschreibung bei Amazon)
    Erinnerungen aus den ersten sechs Dezennien des 20. Jahrhunderts - Erinnerungen eines Mannes, der gern gelebt hat, obwohl es ihm die Anfeindungen der Bornierten zuweilen schwergemacht haben. Und Erinnerungen an die vielen Freunde und Bekannten wie Bertolt Brecht, Gerhart Hauptmann, Ödön von Horváth, Joachim v. Ringelnatz, Peter Suhrkamp und die grossen Regisseure und Schauspieler, mit diesen Zuckmayer arbeitete. In seinen Horen der Freundschaft ruft er eine vielfältige Welt wach, die neben vielen Anekdoten auch auf packende Weise Zeitgeschichte erzählt. Zuckmayer gibt uns mit unvergesslicher Stimme seine Antwort auf unsere so neugierig wie beklommen gestellten Fragen: Wie war es? Wie ist es dazu gekommen?



    Über den Autor
    Carl Zuckmayer wurde am 27. Dezember 1896 in Nackenheim am Rhein geboren. Nach dem Abitur in Mainz meldete er sich als Kriegsfreiwilliger. 1918 begann er ein kurzes Studium der Geistes- und Naturwissenschaften in Frankfurt a.M. und Heidelberg. 1920 ging er nach Berlin. Erste Stücke blieben ohne Erfolg, erst "Der fröhliche Weinberg" brachte ihm 1925 den Durchbruch und den Kleist-Preis. 1933 verhängten die Nationalsozialisten ein Aufführungsverbot über ihn. Er zog in sein Haus nach Salzburg. 1938 floh er in die Schweiz, ein Jahr später emigrierte er in die USA, wo er als Farmer lebte. Von 1947 bis 1957 hielt er sich abwechselnd in der Schweiz und in den USA auf. 1958 kehrte er endgültig in die Schweiz zurück. Am 18. Januar 1977 ist er als einer der über Jahrzehnte erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren in Visp (Wallis) gestorben.



    Eigene Meinung
    Mit einiger Verblüffung habe ich festgestellt, dass in den Eulen-Rezensionen unter Autoren/Buchstaben Z, Carl Zuckmayer nicht aufgeführt ist, einer der grössten und erfolgreichsten Dramatiker deutscher Sprache des vorgehenden Jahrhunderts. Wer kennt nicht seinen HAUPTMANN VON KÖPENICK oder DES TEUFELS GENERAL.
    Nun gut, Theaterstücke zu lesen ist ja wirklich nicht jedermanns Sache...und es weiss möglicherweise auch nur eine gewisse Anhängerschaft davon, dass Zuck (so wurde er von seinen Freunden genannt) eben auch ein grossartiges Erinnerungsbuch geschrieben hat, >Horen der Freunschaft<, wie er sein Buch selber untertitelt.
    Für mich eine der beeindruckendsten "Autobiografien" des letzten Jahrhunderts mit einer grossen Spannweite: über die beiden Weltkriege hinaus, bis weit hinein in die 2. Jahrhundert-Hälfte....geprägt von der leidenschaftlichen Erzählkraft des grossen Dramatikers.
    Grossartig seine Schilderungen von Begegnungen mit Freunden, die von einer enormen Beobachtungsgabe zeugen. ...Erich M. Remarque gehört dazu, mit dem er das Schicksal teilte, von der Schulbank weg als Soldat an die Kampffronten des 1. Weltkrieges eingezogen zu werden, und mit dem er über Jahrzehnte hinweg immer mal wieder auch die Trinkfreudigkeit und -festigkeit testete, bei gelegentlichen Begegnungen in Europa und Amerika.....Diese beiden Literaten, obwohl sie ganz unterschiedlicher Art waren, sie mochten sich und respektierten einander sehr.
    Die Schauspieler Emil Jannings und Karl Kraus gehören ebenso dazu, wie die amerikanische Journalistin Dorothy Thompson, die ihm in in seinen Anfangsjahren in Amerika sehr beigestanden hat. (Ich erwähne diese Namen speziell, weil sie im Klappentext nicht vorkommen.)
    Eine an Dramatik kaum zu überbietende und daher für mich unvergessliche Szene in seinen Erinnerungen ist seine Flucht aus Oesterreich 1938, sozusagen in allerletzter Sekunde.... seine ganz persönliche Köpenickiade!
    Zuck....ein Mann vollbepackt mit männlichen Attributen, in einem gewissen Sinne ein Haudegen ohne aber ein Macho zu sein.... eine spannende, überaus vielschichtige Persönlichkeit. Was mir bei ihm auch grossen Eindruck macht; er ist sich selber immer treu geblieben. Das manifestiert sich am besten in den Anfängen seiner "amerikanischen Jahre"....er ist einer der wenigen Emigranten-Autoren, der sich, trotz finanzieller Not, von den verlockenden Verdienstmöglichkeiten als Drehbuch-Autor für seichte Hollywood-Filme nicht verführen liess....er wählte den steinigen Weg eines Farmers, obwohl er sich bewusst war, dass das ein langjähriger Verzicht auf schriftstellerische Betätigung bedeuten konnte.
    Ein spannendes, ein fesselndes Buch vom ersten bis zum letzten Wort....absolut empfehlenswert für diejenigen, die noch einiges mehr aus der Zeit der beiden Weltkriege und der Nachkriegszeit erfahren möchten....erzählt aus allernächstem persönlichem Erleben...mit der nachhaltigen Erzählkraft eines grandiosen Dramatikers.


    ASIN/ISBN: 3596210496

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    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

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  • Guten Abend BronteSisters


    also an einen Heuschreckensalat kann ich mich jetzt beim besten Willen nicht erinnern....auch nicht daran, dass Zuck in diesem Buch von einem Besuch bei den Nomaden erzählt....
    ....er machte in den frühen 20-er Jahren bei einer recht anstrengenden Expedition mit, aber das war im hohen Norden, in Norwegen....ob es da auch Heuschrecken gibt?


    Ich habe jetzt längere Zeit überlegt, ob er sowas in einen seiner Dramen wohl geschrieben haben könnte, aber ich wüsste nicht in welchem... :gruebel


    Von Zuckmayer gibt es natürlich auch eine Menge von Erzählungen und Kurzgeschichten, die ich bei weitem nicht alle kenne, vielleicht bist Du dort auf diese grausliche Mahlzeit gestossen


    Würgende Grüsse....Joan :lache

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  • Ja, das würde mich jetzt grad auch brennend interessieren....und dass der sowas mitgegessen hat, ohne mit der Wimper zu zucken, das traue ich ihm voll und ganz zu....diesem ollen Haudegen :lache

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  • Gestern Abend habe ich mal wieder in Zuckmayers Erinnerungsbuch geschmökert....schon beeindruckend dieses Buch, diese Lebensgeschichte.


    Und dabei bin ich auch auf eines seiner Gedichte gestossen ELEGIE VON ABSCHIED UND WIEDERKEHR......und es geht mir mal wieder wie gewohnt mit diesem Gedicht, es geht mir nicht mehr zum Kopf raus.


    Zu bedenken, dass er diese Zeilen im Jahre 39 im amerikanischen Exil geschrieben hat. Der 2. Weltkrieg war zwar in vollem Gange, doch der Angriff der alliierten Mächte auf Deutschland lag noch in weiter Ferne....


    Das musste ich jetzt einfach loswerden....vielleicht bekomme ich dann auch meinen Kopf wieder frei.


    :wave

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  • ein berührendes gedicht, danke, joan.
    ich mag zuckmayer ohnehin gern.
    des teufels general sogar, was selten ist, in der grandiosen verfilmung mit curd jürgens. obwohl ich den text mit verteilten rollen fast selbst schon mitspielen könnte - bei der ansprache an den jungen soldaten über die reinheit des blutes im rheinland bekomme ich regelmäßig eine gänsehaut.

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

  • Zitat

    Original von krokus
    ein berührendes gedicht, danke, joan.


    Gern geschehen krokus....manchmal muss ich meine "Ergriffenheit" einfach mitteilen, und freue mich dann, wenn ein Feetback kommt.


    DES TEUFELS GENERAL mit Jürgens habe ich vor viiiiielen Jahren mal gesehen, an die beeindruckende Leistung vom Curd Jürgens kann ich mich noch erinnern, an die Ansprache leider nicht mehr.
    Es heisst ja, Zuckmayer hätte für dieses Stück das Leben des Ernst Udet als Vorlage genommen. Ueber diesen Udet möchte ich unbedingt auch eine Biografie lesen, muss mich mal auf die Suche machen.


    Heute Vormittag habe ich bisschen im I-Net rumgestöbert in Sachen Zuckmayer....und bin auf ein Buch gestossen, das mir in meiner Zuckmayer-Sammlung noch fehlt, und das ich dringenst haben muss.


    CARL ZUCKMAYER ALBRECHT JOSEF - BRIEFWECHSEL 1922 - 1972


    Der Preis ist aber sowas von happig....und an die günstigeren Angebote von Amazon komme ich ja nicht ran, ohne entsprechende Kreditkarte :cry Ich werds glaubs mal wieder versuchen, indem ich den Anbieter per Mail direkt angehe.


    Der Albrecht Joseph war mal ein enger Freund von Zuck, sie sind dann aber irgendwie aneinander- und auseinandergeraten, und dann hat der Albrecht Joseph ein recht kritisches Portrait über den Zuck geschrieben. Ich wusste garnicht, dass die sich noch bis ins Jahr 1972 Briefe geschrieben haben.
    Da sieht man wieder, man lernt einfach nie aus. :rolleyes


    Das ist das Buch, indem das besagte Portrait über Zuckmayer enthalten ist, sowie auch eines über Bruno Frank

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  • über eine rezi zu einer udet-biografie würde ich mich zu gegebener zeit sehr freuen.
    etwas über udet las ich vor einiger zeit in elly beinhorns "alleinflug"..

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    Roland Deschain

  • Huhuuu Krokus


    ich habe vor einiger Zeit mal nachgeguckt, was es so alles über den Udet gibt....es gibt grad einiges. Paar Sachen hat er sogar selber geschrieben.


    Da muss ich mich mal etwas eingehender damit befassen....eines soll mir jedenfalls nicht mehr passieren, wie es mir mit einer Jannings-Biografie gegangen ist, dass es sich um ein Buch handelt, welches zur Zeit des Nationalsozialimus herausgegeben wurde. :rolleyes


    Vielleicht kennt ja jemand von den Eulen eine Udet-Biografie, und mag sie hier reinstellen?


    :wave

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  • Zitat

    Original von Joan
    ....eines soll mir jedenfalls nicht mehr passieren, wie es mir mit einer Jannings-Biografie gegangen ist, dass es sich um ein Buch handelt, welches zur Zeit des Nationalsozialimus herausgegeben wurde. :rolleyes


    Vielleicht kennt ja jemand von den Eulen eine Udet-Biografie, und mag sie hier reinstellen?


    :wave


    oh, ich habe auch aus dieser zeit schon recht interessante biografien gelesen! man muss sie nur richtig einzuordnen wissen, finde ich.


    deine udet-hoffnung teile ich! :wave

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


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    Roland Deschain

  • Carl Zuckmayer war mir lange Zeit nur als der Autor des Hauptmann von Köpenick bekannt, den ich in der Schule lesen durfte. Über ihn und sein Leben habe ich mich lange keine Gedanken gemacht, obwohl ich die Autobiographie seiner Frau „Die Farm in den grünen Bergen“ bereits als Teenager begeistert gelesen hatte. Als ich letztens nun „Die Schule am Meer“ von Sandra Lüpkes gelesen habe, tauchte er in einer kurzen Nebenrolle auf, spielt doch sein großer Bruder eine wichtige Rolle in diesem Buch. Das brachte mich dazu Die Farm in den grünen Bergen noch einmal zu lesen und dann nach einer Biographie seines Lebens Ausschau zu halten.


    Als wär’s ein Stück von mir ist seine Autobiographie, die er 1966 verfasst hat, als er mit seiner Frau bereits zurück in Europa war und in Saas Fee seine letzten Jahre verbrachte. Das Buch beginnt mit den Jahren, die er mit seiner Frau in Henndorf verbracht, bis sie durch die Nazis von dort vertrieben wurden und in die Schweiz flüchten mussten. Erst danach setzt eine chronologische Erzählweise ein, in der die Jahre der Jugendzeit, der Erlebnisse im 1. Weltkrieg und den Jahren bis zu den ersten Erfolgen folgen. Es folgen die Jahre der Emigration in den USA und die Rückkehr nach dem Krieg.


    Interessant wird es immer dann, wenn Zuckmayer von seinen direkten Erlebnissen erzählt. Da ist man mitten im Geschehen und spürt die Angst, bzw. die Lebensfreude. Etwas schwieriger zu Lesen fand ich das Buch wenn es sich um Ortsbeschreibungen oder charakterliche Darstellungen von Zeitgenossen handelte. Was vermutlich auch daran liegt, dass viele der Namen heute kein Begriff mehr sind.


    Trotz allem war es ein gut zu lesendes Buch und mich hat überrascht wie reflektiert Zuckmayer das Verhalten der Deutschen und besonders der Intellektuellen in der Weimarer Republik beurteilt. Dass man hier zu blauäugig war und zu wenig unternommen hat. Auch dass der erste Weltkrieg herbeigesehnt wurde kann er aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. In seinem Umfeld glaubte niemand an den Krieg, bis er wirklich ausbrach.

    Ich habe Carl Zuckmayer in diesem Buch als einen interessanten und sehr nachdenklichen Menschen kennenglernt, der eine ungewöhnliche Lebensgeschichte zu erzählen hat.


    Von mir daher eine Leseempfehlung.

    8 von 10 Punkte