@Schreibende und ihre Motive

  • Mal kurz ernsthaft etwas zum Thema. :grin


    Ich glaube, man ist als Autor irgendwie auf der Suche nach Seelenverwandten, letztlich nach einer Art Bestätigung für die eigene Weltsicht, den eigenen Humor, die eigenen Ideen usw. usf. Das hat weniger mit der Motivation für das Schreiben allgemein zu tun, als vielmehr mit der Strukturierung, Konzeption, Dramaturgie der dann entstehenden Werke.

  • Hi Tom und alle zusammen!


    Ja, da gebe ich Dir Recht. Es ist im Grunde der Wunsch, auf seinen Denkbahnen nicht allein reisen zu müssen. Die Bestätigung durch die Leser gibt da sicher viel Auftrieb, könnte allerdings auch zum gefährlichen Höhenflug führen;)


    Bye, Ivy

  • Zitat

    Original von tomliehr
    Hi, Doc.



    Ja, mache ich. In meinem übernächsten Buch. :grin


    *auf die Schenkel klopf vor Lachen*, Tom so verkauft man keine Bücher, du könntest ja erwähnen, im zweiten Buch fängst du schon mal an, davon zu berichten, im dritten wirst du dann zur Höchstform auflaufen. So verkaufst du das 2. und 3. Buch gleich viel besser. :grin :grin :grin

  • Zitat

    Ich glaube, man ist als Autor irgendwie auf der Suche nach Seelenverwandten, letztlich nach einer Art Bestätigung für die eigene Weltsicht, den eigenen Humor, die eigenen Ideen usw. usf. Das hat weniger mit der Motivation für das Schreiben allgemein zu tun, als vielmehr mit der Strukturierung, Konzeption, Dramaturgie der dann entstehenden Werke.


    Treffend ausgedrückt. Dankeschön.


    Grüße,
    Grizzly

  • Hallo, Wolke.


    Zitat

    Tom so verkauft man keine Bücher, du könntest ja erwähnen, im zweiten Buch fängst du schon mal an, davon zu berichten


    Nein, im zweiten Buch berichte ich davon, wie man reich und berühmt wird und an die vielen tollen Frauen kommt, ohne Autor zu sein. Hatte ich vergessen zu sagen. :-)

  • Hallo, His.


    Zitat

    Ich als Autor wäre erschüttert, wenn ich nur Leser hätte, die das Buch lesen nur weil sie unterhalten werden wollen.


    Mmh. Erstens, siehe Anmerkungen zum Begriff "Unterhaltung". Zweitens. Warum würde Dich das erschüttern? Ich bekomme Post von Lesern, die mir schreiben, mannometer, jetzt würden sie Radio anders hören, und überhaupt, toll, daß mal jemand gegen den Mainstream und den Verdummungsfunk antritt, undsoweiter. Andere schreiben mir: Ich habe mit Donald gelitten, und ich habe mich so gefreut, daß am Ende (...). Warum sollten mir die erstgenannten Leser lieber sein als die anderen, "mit" denen eigentlich nichts passiert ist, die eine Liebes-, Entwicklungsgeschichte gelesen haben, die sich nicht großartig von vielen vergleichbaren Geschichten unterscheidet, die ihnen "einfach" Spaß gemacht hat, sie angerührt hat, amüsiert, geschockt, mit der sie gefiebert haben ... die sie also, wenn man so will, "unterhalten" hat? Wer bin ich denn, daß ich von meinen Lesern erwarte, daß sie meine Botschaft hören, verstehen, verinnerlichen und ihr auch noch folgen? Reicht, wenn sie zur Kenntnis nehmen, daß es derlei gibt, daß hier (auch) Positionen vertreten werden. Und davon abgesehen - wenn sie es lesen, dann werden sie auch darüber nachdenken, da führt eigentlich kein Weg dran vorbei. :-)


    Das hängt natürlich auch ein bißchen davon ab, wie "alltagstauglich" und adaptierbar die Konflikte sind, die einem in einem Buch begegnen. Dabei geht es ja auch um Vorstellungswelten - also Konflikte, die nicht notwendigerweise das eigene Leben betreffen (können), weil man niemals in vergleichbare Situationen kommt, kommen kann - trotzdem ist es spannend, Figuren in solchen Situationen zu erleben. Und diese Spannung speist sich aus dem, was der Leser an Erwartungshaltung aufbaut. Das ist ein individuelles Geschehen. Und das wiederum ist das Ergebnis eines kognitiven Prozesses. Der Leser, der Angst um die Figur hat, die sich alleine auf einer einsamen Insel befindet, denkt über die Figur, die Situation nach. Okay, er denkt nicht über die philosophischen Hintergründe der Gentechnologie nach. Aber er denkt. Ohne denken funktioniert lesen nämlich überhaupt nicht. Lesen ist kein rein rezeptiver Prozeß.


    Es ist okay, wenn Du Deine Leser erziehen willst. Oder sie manipulieren, zu einer bestimmten Erkenntnis zu bringen, dazu zwingen, Dir auf einem bestimmten Gedankenweg zu folgen. Aber es ist auch okay, das ganze eine Nummer kleiner anzusiedeln. Oder subtil zu verpacken. Oder beides zuzulassen. Von den allermeisten Lesern wirst Du sowieso nie erfahren, was sich in ihnen bewegt hat, während sie Dein Buch gelesen haben - und einige von denen, die es Dir mitteilen, werden Dich u.U. redlich überraschen!

  • Hallo Ivy!


    Zitat

    Original von Evelyne Marti
    Und natürlich herrscht eine grosse Diskrepanz zwischen Autor/Sender und Leser/Empfänger, die nur schwer zu überbrücken ist (bei Iris sind es die Bahnhöfe).


    Die Synchronisation zwischen Autor und Leser ist nicht so leicht herzustellen, aber es geht nur durch positive Anregung. Es hat m.M.n. keinen grossen Sinn, den Lesern selbst die Schuld zu geben, denn diese werden sich wie eh und je nach ihrem eigenen Geschmack richten, was wir ihnen zugestehen müssen.


    Wie du weiter unten am Beispiel Eco feststelltest (und wie auch andere Erfolge - z.B. die Erzählungen von Judith Herrmann) muss Erfolg nicht seichter Trivialliteratur vorbehalten sein.
    Allerdings wird ausgerechnet dieses Zeug aufgrund von Verpflichtungen, die in Lizenzverträgen festgelegt werden, am lautesten beworben und am aktivsten verkauft.


    Zitat

    Und wenn sie halt keine schwere Kost wollen so kurz vor Schlafenszeit, dann muss man ein gewisses Verständnis dafür aufbringen, auch wenn es einem Schreibenden, der seinen Leser doch unbedingt erreichen WILL, verständlicherweise schwer fällt, es zu akzeptieren. Es ist nun mal die Realität, welche wir von der Schreiberlingszunft verkraften müssen.


    Das ist schlicht und einfach nicht meine Zielgruppe. :grin


    Wir "Schreiberlinge" ignorieren die Frage nach einem Zielpublikum viel zu gerne - und liefern uns damit den Zielgruppenvorstellungen von Verlagsleuten aus.


    Zitat

    Einer der Hauptbahnhöfe zu den Lesern ist m.M.n. die Liebe zum Lesepublikum!


    Liebe ist stets didaktisch -- das wusste schon Platon!
    Und der alte Paulus kennt auch ein passendes Sprüchlein.


    Zitat

    Aber ich verstehe Dein Hand-über-den-Kopf-Zusammenschlagen über die heutigen Lesezustände schon, ist jedoch gesellschaftlich bedingt.


    Nein, vorwiegend wirtschaftlich bedingt -- insofern auch sozial und kultisch-religiös. Denn unsere Gesellschaft mag sich säkular denken, glaubt aber an die "Religion" des "Marktes" wie weiland die des Barock an einen allmächtigen Strippenzieher.


    Zitat

    Die Schuld liegt an den Verlagen und Autoren, welche m.E. die Verantwortung für ihre Schreibmenüs übernehmen müssen. So konkret ist die Nachfrage der Leser nicht, dass man nicht auch ein gutes Buch nach den Leserbedürfnissen schreiben könnte.


    <unterschreib> :write


    Liebe Grüße,
    Iris

  • Hallo, His.


    Zitat

    Meine muss ich ja noch machen - mal sehen, wie sich meine Meinung im Laufe der Jahre ändern wird.


    Ich verstehe ja, worauf Du eigentlich hinauswillst: Keine Reinrausliteratur, von der man vierzig, hundert Exemplare quasi am Stück lesen kann, ohne daß man auch nur bemerken würde, daß man gerade ein neues Buch (oder Heft) angefangen hat. Klar, wer will sowas schon schreiben. Nun, die Leute, die das als Brotjob tun (und das ist ein harter Job, immer die gleiche Scheiße leicht verändert erzählen zu müssen). Oder diejenigen, denen das wirklich Freude macht - in Einzelfällen verbindet sich das eine mit dem anderen. Solche Leute mag es geben. Ich würde das auch nicht tun wollen, aber ich muß glücklicherweise nicht vom Schreiben leben können, sonst würde ich vielleicht auch (vermutlich unter einem Pseudonym) Herschmerzromane verfassen (oder zu verfassen versuchen), Arzt- und Heimatheftchen.


    Die Frage ist, warum will man eigentlich etwas schreiben, das bei den Leuten hängenbleibt, an das sie sich erinnern, über das sie mit anderen reden? Ist es wirklich so, daß es einem um die Story, die Botschaft und derlei geht, oder will man als Autor im Gedächtnis bleiben? Geht es, Butter bei de Fisch, um das Buch oder um den Autor?

  • Hallo Tom!


    Zitat

    Original von tomliehr
    Geht es, Butter bei de Fisch, um das Buch oder um den Autor?


    Um beides Tom, ganz ehrlich, um beides. Ein bisschen Hoffnung auf "Geliebtwerden" (ich, ganz persönlich!) und "Unsterblichkeit" (dito!) ist selbstverständlich und natürlich dabei.
    Aber ich fabulier auch einfach gerne. Ich liebe es, wenn Leute sich über mein Buch unterhalten, ob mit mir oder untereinander. Dann habe ich das Gefühl, eine Saite zum Schwingen gebracht zu haben. Etwas von meiner Faszination an einem Gegenstand oder einem Thema vermittelt zu haben. Und das tue ich einfach gerne. Ich möchte auch, dass bestimmte Themen, die ich faszinierend etc. finde, weiterexistieren und weiterdiskutiert werden.
    Also: Beides!


    Ruhm ist ok, Geld wäre natürlich auch eine feine Sache -- die schönen Frauen überlasse ich bereitwillig anderen. :lache


    Liebe Grüße,
    Iris

  • Hallo, Iris.


    Zitat

    Um beides Tom, ganz ehrlich, um beides. Ein bisschen Hoffnung auf "Geliebtwerden" (ich, ganz persönlich!) und "Unsterblichkeit" (dito!) ist selbstverständlich und natürlich dabei.


    Eben. Ein Buch ist ein Produkt, ein Kunstwerk, ein Stück persönlicher Schaffenskraft, das völlig ohne weiteres Dazutun des Schaffenden existiert, lebt, sich verbreitet (oder auch nicht), Wirkung erzielt, Diskussionen anfacht, Gedanken anregt, Träume verdeutlicht, Emotionen schafft und vieles mehr - einer der besten Wege, um sich als Mensch quasi zu multiplizieren und in die Gedankenwelten vieler anderer zu schmuggeln - durchaus und absolut positiv gemeint. Das Stückchen - auch unbewußter - Veränderung, von der wir heute Vormittag gesprochen haben, ausgelöst durch: Mich. Den Autor. Völlig egal, worin die Veränderung besteht, wie groß sie ist, fortan gibt es Menschen, die ein klitzekleines Stückchen "Liehr" oder "Kammerer" in sich tragen. Das ist ein irrer Gedanke, der mich immer wieder fasziniert, mir Gänsehaut verursacht, mich aber auch nachdenklich stimmt.


    Zitat

    Aber ich fabulier auch einfach gerne.


    Natürlich. Das ist eine Grundvoraussetzung. Man muß nicht einmal wissen, warum - es muß einfach da sein.

  • Hallo Tom!


    Zitat

    Original von tomliehr
    Völlig egal, worin die Veränderung besteht, wie groß sie ist, fortan gibt es Menschen, die ein klitzekleines Stückchen "Liehr" oder "Kammerer" in sich tragen. Das ist ein irrer Gedanke, der mich immer wieder fasziniert, mir Gänsehaut verursacht, mich aber auch nachdenklich stimmt.


    Du kennst das also auch ...?
    Hach, ich finde es ... faszinierend! Man erfährt Vertrauen von Leuten, die man nie kennenlernen wird. Und zugleich ist es eine Riesen-Verantwortung. Man könnte soviel Schindluder treiben mit diesem Vertrauen ...
    Gänsehautgrüße,


    Iris :wave

  • Hi, Iris.


    Zitat

    Du kennst das also auch ...?


    Kennen? Deshalb tue ich das! :-)


    Zitat

    Hach, ich finde es ... faszinierend! Man erfährt Vertrauen von Leuten, die man nie kennenlernen wird. Und zugleich ist es eine Riesen-Verantwortung. Man könnte soviel Schindluder treiben mit diesem Vertrauen ...


    Es hält sich zunächst noch in Grenzen. Und wenn man auf die Idee kommt, Schindluder zu treiben, läuft man ziemlich rasch Gefahr, wieder von der Bildfläche zu verschwinden. Sollte man sich also ziemlich genau überlegen ...



    (Muß los, deshalb auch kein Chat heute!)

  • Halihallo


    Ich appelliere nochmal an die Schreiberlinge im Forum, doch bitte ihren Frust an der Verlagsmisere nicht an den Lesern auszulassen. Spätestens wenn man ein Kind grosszieht, weiss man, dass sowas nur kontraproduktiv ist. Niemand wird gern belehrt. Eine ebenbürtige Plauderei ohne erhobenen Zeigefinger ist sicherlich empfehlenswerter;)


    Bye, Ivy