Places I Never Meant To Be - Judy Blume (Hrsg.) [ab 12 Jahre]

  • Places I Never Meant To Be. Original Stories by Censored Writers
    Herausgeber: Judy Blume

    Autoren: David Klaas, Norma Klein, Julius Lester, Chris Lynch, Harry Mazer, Norma Fox Mazer, Walter Dean Myers, Katherine Paterson, Susan Beth Pfeffer, Rachel Vail, Jacqueline Woodson, Paul Zindel

    ISBN der Taschenbuchausgabe: 0689842589
    Kategorie: "Young Adults"


    Ich habe nicht die unten verlinkte Taschenbuchausgabe, sondern die gebundene, die über amazon.com erhältlich ist (ISBN: 0689820348), die ich sehr viel schöner finde.


    Hm... Es ist seltsam, wie ich auf dieses Buch gestoßen bin, auch ziemlich zufällig. Eine der Kurzgeschichten aus dieser Anthologie, "Spear" von Julius Lester, stand in meinem Englischbuch. Da mir diese sehr gefallen hat, habe ich ein wenig recherchiert und habe schließlich dieses Buch entdeckt, das leider nicht ins Deutsche übersetzt wurde.


    Ich mag eigentlich keine Kurzgeschichten, und ich kannte auch keinen der anderen Autoren - aber irgendwie musste ich dieses Buch unbedingt haben. Schon seltsam :gruebel Aber es hat sich gelohnt :anbet


    Geschichten von zensierten Autoren - was muss man sich darunter vorstellen? Nichts schlimmes auf jeden Fall... Denn das Vorwort, aufgrunddessen sich schon fast der Kauf lohnt, schildert aus welch lächerlichen Gründen in Teilen Amerikas Bücher zensiert, aus Schulbüchereien geworfen und verboten werden. Judy Blume, Herausgeberin des Buches, Autorin zahlreicher Jugendromane sowie Unterstützerin der "National Coalition Against Censorship", kritisiert die Art und Weise, wie Jugendliche bevormundet werden, wie ihnen nicht zugemutet wird, über für sie alltägliche Dinge wie Menstruation, Liebe, aber auch Problemthemen zu lesen.
    Sie spricht sich dagegen aus, dass einige Leute anderen vorschreiben, was sie nicht lesen dürfen - und schildert auch persönliche Anekdoten.


    Die zwölf Geschichten, jeweils von einem kurzen Statement des Autors über die Zensur begleitet, sind sehr unterschiedlich. Zwei davon mochte ich nicht so sehr, einige habe ich mehrmals gelesen, jeder Autor schreibt unterschiedlich.
    Das Themenspektrum ist breit gefächert - Ashes, die zwischen ihrer Mutter und ihrem verschuldeten Vater steht und eine Gewissensentscheidung zu fällen hat, ein Teenagerpärchen, das sich seit Ewigkeiten kennt und eines Tags entscheidet, dass es der richtige Zeitpunkt für ihr erstes Mal sei, der Sohn eines schwarzen Kämpfers, der sich in eine Weiße verliebt, alle Geschichten erzählen von ungewöhnlichen Momenten im Leben, eben places you never meant to be...


    Ich hab viele Geschichten genossen, sie sind überraschend, nachdenklich - von komisch bis todernst, und haben mich das Buch in kürzester Zeit verschlingen lassen... Sprachlich fand ich es auf Englisch gut zu verstehen, wenn ich auch teilweise Geschichten mehrmals gelesen habe, um alle Nuancen wahrzunehmen - denn nicht immer hab ich alle Zweideutigkeiten sofort bemerkt.


    Insgesamt ist dieses Buch - neben des zu unterschützenden Protests gegen Zensur - eine wundervolle Sammlung unterschiedlichster Kurzgeschichten, die nicht nur Jugendlichen, sondern auch Erwachsenen gefallen können, und Anekdoten zur Zensur.


    Ich bin froh es gelesen zu haben und werde es sicherlich noch (mindestens) einmal lesen.


    Fazit
    Ein Sammlung unterschiedlichster Geschichten, die mir zwar nicht alle uneingeschränkt gefallen haben, die mich aber insgesamt fasziniert haben.
    10/10 Punkten


    :wave bartimaeus

  • Ich besitze inzwischen, und allein dank dieser Rezension von bartimaeus, wohlbemerkt, die Tb-Ausgabe :grin und bin höchst zufrieden damit.
    Das heißt, ich bin eigentlich nicht zufrieden damit, denn dieses Buch enthält Texte in einem Kontext, der mich zornig macht. Dieser Kontext ist Zensur.


    Judy Blume hat zwölf ganz unterschiedliche Geschichten von zwölf ebenso ganz unterschiedlichen Autorinnen und Autoren von Jugendbüchern zusammengestellt, die der Zensur zum Opfer fielen. Zu jeder Geschichte gibt es dann auch eine Erklärung der betroffenen Autorin oder des betroffenen Autors zur Frage der Zensur.


    Die Geschichten sind ganz wunderbare Lektüre, selten habe ich in dieser Ballung so einfühlsam über erste Liebe, erste sexuelle Begegnungen, Bewältigungsversuche des Tods von Eltern, Geschwistern oder auch von Gewalterfahrung gelesen. Wie gut können diese Leute schreiben! Allein dafür lohnt sich dieses Buch schon.


    Die Geschichten stammen allesamt von AutorInnen, deren Bücher immer wieder einmal in Staaten der USA verboten wurden. Das gibt dem Buch die eigentlich Sprengkraft. So ist es auch gedacht, mit dem Erlös des Buchs wird nämlich eine Organisation finanziert, von der ich nicht einmla ahnte, daß es sie gibt: die National Coalition Against Censorship


    Dieser Hintergrund mach das Buch zu einer Grundsatzdiskussion zum Thema Zensur.
    Muß es sie geben, sind Jugendliche besonders 'schützenswert', wer hat das Recht zu zensieren und, ganz wichtig, wie fühlt sich Zensur für die betroffenen AutorInnen an?
    Eine Antwort gibt Blume schon in ihrer Einführung in das Buch: 'Chiling'.
    Sie ist nicht die einzige, die von dem lähmenden Gefühl berichtet, das eine/n beim Schreiben überfällt, wenn man stets bedenken muß, ob man gerade etwas 'Verbotenes' schreibt.


    Das Verbot überrascht eine/n aus heiterem Himmel. Ein Buch wurde gedruckt, verkaufte sich, erreichte eine Schulbibliothek, in irgendeinem Bundesstaat. Ein Kind liest eine Geschichte, eine Mutter, ein Lehrer, ein Vater - nehmen Anstoß. An einer Handlung, manchmal nur an einem Handlungsfetzen, nicht selten falsch verstanden, das eine oder andere Mal sogar an einem Wort.
    Kein 'f'-Wort, kein pornographischer Ausdruck, keine Gewaltverherrlichung.
    'Stupid' ist so ein Wort, mußte ich zu meinem Entsetzen lesen. Eine Mutter dekretiert, daß das ein böses Wort ist. Ihre Kinder dürfen höchstens 'silly' sagen.
    Texte, die das Wort 'stupid' enthalten, sind böse und müssen verboten werden. Anzeige beim Staatsanwalt. Das anstößige Buch verschwindet aus der Schulbibliothek, wird den jugendlichen Leserinnen und Lesern entzogen.


    Selbsternannte WortpolizistInnen also gibt es, MoralwächterInnen, die aus Unkenntnis, mangelndem Wissen und schlichter Angst vor allem, was jenseits ihres Gartenzauns lauern könnte, reagieren. Macht ausüben bzw. das, was sie dafür halten. Unter dem Vorwand des Jugendschutzes.
    So mancher Staatsanwalt ist offenbar damit beschäftigt, aufgebrachten Eltern und LehrerInnen zu beweisen, daß manche Wörter tatsächlich von Shakespeare gebraucht wurden, also der Weltliteratur zuzurechnen sind.
    Das ist nur auf den ersten Blick lustig.


    Es ist schade, daß sich keine/r die Mühe gemacht hat, dieses beeindruckende Buch ins Deutsche zu übersetzen. Wer englisch lesen kann, sollte es sich auf gar keinen Fall entgehen lassen.
    Es ist eine Endeckungsreise in eine Zone der geistigen Verfaßtheit der USA, die gruselig ist. 'The Heart of Darkness' kann man sagen. Und die Reaktion kann am Ende tatsächlich 'the horror' lauten.


    Es ist eine ganz wichtige Auseinandersetzung mit dem Problem 'Zensur'.
    Es ist zugleich aber eine Entdeckungsreise zu ganz wunderbaren Autorinnen und Autoren.


    Höchste Empfehlungsstufe!


    Herzlichen Dank noch mal an barti für den sagenhaften Tip.


    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Zitat

    Original von magali
    So mancher Staatsanwalt ist offenbar damit beschäftigt, aufgebrachten Eltern und LehrerInnen zu beweisen, daß manche Wörter tatsächlich von Shakespeare gebraucht wurden, also der Weltliteratur zuzurechnen sind.
    Das ist nur auf den ersten Blick lustig.


    Ja, bei einigen Punkten fasst man sich an den Kopf und weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll... Ich fand es durch und durch erschreckend, dass es so etwas gibt - ich wusste von der Zensur, habe aber nie von solch abstrusen Handhaben gelesen. :-(


    Zitat

    Herzlichen Dank noch mal an barti für den sagenhaften Tip.


  • Ich mußte mich heute gründlich berichtigen, ich hatte hier gestern falsche Informationen geliefert.
    Die im Buch enthaltenen Geschichten sind bis auf eine Originalgeschichten, die für eben dieses Buch geschrieben wurden. Eine stammt aus dem Nachlaß von Norma Klein da die Autorin zwischenzeitlich verstorben ist.


    Die Geschichten selbst waren nicht verboten. Der Text oben ist entsprechend geändert. (Das ist das 'edit' mit Datum von heute)


    Ich habe inzwischen begriffen, daß das Buch von Judy Blume in Zusammenarbeit mit der NCAC herausgegeben wurde.
    Es steht ja bloß auf dem Umschlag vorne drauf!
    :bonk :bonk


    Wer lesen kann, ....



    :lache


    Aber nun stimmt's.


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus