Solo Piano - Philip Glass
(Klaviernoten)
Zum Autor
Glass gilt als einer der bekanntesten amerikanischen Komponisten der Gegenwart. Seinen Durchbruch verdankt der Oper "Einstein on the Beach", einem breiteren Publikum wurde er jedoch über seine Ausflüge in die Filmmusik bekannt (zwei Oscar-Nominierungen: Scoreses Kundun und Daldrys The Hours).
Als ein Vertreter der Minimal Music, die sich auf die Einfachheit von Akkorden und Arpeggien (gebrochene Akkorde, d.h. schnell hintereinander erklingende Akkordfolgen) beruft, ist Glass nicht unumstritten. Kritiker werfen ihm meist kunstlose Schlichtheit und hypnotisches Akkordzimmern vor. Geneigtere Musikliebhaber erfreuen sich jedoch an einer Komplexität, die in der Tiefe verborgen liegt, da Glass sehr stark mit Motiv-Entwicklung und -Verschiebung arbeitet als mit handelsüblichen Variationswerken der klassischen Musik. Fakt ist jedenfalls, dass Glass sich seit den 70er Jahren an Musikkonzepten des asiatischen Raums orientiert und gezielt einen eher kontemplativen Wesenszug anstrebt.
Zum Inhalt
Hauptstück dieser sich rein auf das Klavier besinnenden Kompositionen sind die fünf Metamorphosen.
Der Titel ist gleichsam Programm. Die einzeln eher schlicht wirkenden Stücke, bilden im Gesamtzusammenhang eine Metamorphose, also die mehrfache Ausgestaltung und Interpretation eines Themas. Glass arbeitet sehr viel mit Wiederholungen, so dass die Veränderungen in der Tonfolge und das in den Abschnitten sich wandelnde Metrum beim einfachen Hören kaum merklich werden. Beim Spielen und wiederholenden Lesen wird es letztlich sichtbarer und die Formprinzipien erscheinen deutlicher.
Weiterhin beinhaltet Solo Piano eine entschlackte Version des ursprünglich Orgel-angelegten Mad Rush. Auf den ersten Blick sieht man nur Seiten voller Sechzehntel. Wobei diese sich beim zweiten Blick allmählich wieder in ein annehmbares Spielen ordnen.
Ebenso ist Wichita Sutra Vortex enthalten, basierend auf dem gleichnamigen Gedicht von Allen Ginsberg. Auffallend ist der Bruch gegenüber den Metamorphosen. Während diesen eine Schwere und Melancholie eigen ist, besticht dieses Stück mit einem ungewohnt positiven und erdig optimistischen, lebensfröhlichen Ton.
Bemerkenswert ist, dass auch hier ein Zusammenhang der einzelnen Kompositionen zu einem emotional-klanglichen Gesamtspiel erwirkt wurde: Melancholie in verschiedenen Ausprägungen - zweifelhaftes Umherirren- bis hin zur geebneten Bejahung.
Mein Eindruck
Für ehemals gut geübte und nun eingerostete Tastaturnarren ist dies eigentlich ein wundervolles Stück, da man spielend hineinfindet und mit etwas musikalischem Gehör recht fix sich die Themen aneignet. Für geübte und weiterhin geölte Klavierspieler ist es vom Blatt gut herunterzuspielen und für den Abend (bei moderater Nachbarschaft) irgendwie passend. Wenn es draußen dunkel ist. Und alles ruht.
Im Gegenzug zu seinen Filmmusiken wirkt Solo Piano m.E. in Bezug auf die innere Struktur und Selbstbezüglichkeit aufeinander besser abgestimmt und durchstrukturiert.
Eigentlich sehe ich hierin eine gewisse Essenz/Essentialisierung in Bezug auf seine letzten Werke.
Man kann zu Stil und Kompisitionskonzept von Glass doch geteilter Meinung sein. Ist man meistens auch, wenn man sich durch die Musikmeinungswelt liest. Mich persönlich spricht es an.
Sehr schön wurde die Stärke des Stils einmal an zitierfähiger Stelle Stelle von P. Sellars zusammengefasst:
Bei Phil ist es ein bisschen wie bei einer Zugfahrt einmal quer durch Amerika: Wenn Sie aus dem Fenster sehen, scheint sich stundenlang nichts zu verändern, doch wenn Sie genau hinsehen, bemerken Sie, dass sich die Landschaft sehr wohl verändert - langsam, fast unmerklich.