Marcel Raich-Ranicki - was haltet ihr vom "Literaturpapst"?

  • Zitat

    Original von Warin
    (siehe Michael Ende: Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch)


    Oh, das Buch fand ich als Kind ganz toll! Schade, dass ich das nicht mehr habe!

    "Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns." :eiskristall
    Franz Kafka


    :lesend Walsch: Gespräche mit Gott
    :lesend Norman: Grausames Spiel
    :lesend Patterson: 1st to die

  • Hihi, ja, das Büchernörgele. Als ich den Wunschpunsch als Erwachsene wieder einmal in die Hand genommen habe, fiel mir die Ähnlichkeit sofort auf :chen


    Mein Deutschlehrer hielt sehr viel von Reich-Ranicki, aber ich kann seine selbstgerechte, arrogante Art nicht ausstehen. Er erweckt auf mich immer den Eindruck, dass nur das, was ihm gefällt, auch anderen zu gefallen hat, und alles andere für ihn Mist ist. Danke, ich kann meine Lektüre auch ohne seinen Segen auswählen und muss mir nicht von ihm sagen lassen, was ich gefälligst zu lesen habe, um gebildet/intellektuell/wasauchimmer zu erscheinen...

  • Ich finde Herrn Ranicki als einen sehr bedeutenden Kritiker, klar gibt er sich nicht mit jedem Buch ab, würde ich auch nicht. Aber ich mag ihn und er hat auch oft recht in dem was er sagt.

    Zitat

    Bücher haben Ehrgefühl, wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück. T.Fontane


    :lesend :fruehstueck
    Ich lese Thomas Mann; Der Zauberberg;

  • Zitat

    Original von Rattentod
    Mein Deutschlehrer hielt sehr viel von Reich-Ranicki, aber ich kann seine selbstgerechte, arrogante Art nicht ausstehen. Er erweckt auf mich immer den Eindruck, dass nur das, was ihm gefällt, auch anderen zu gefallen hat, und alles andere für ihn Mist ist. Danke, ich kann meine Lektüre auch ohne seinen Segen auswählen und muss mir nicht von ihm sagen lassen, was ich gefälligst zu lesen habe, um gebildet/intellektuell/wasauchimmer zu erscheinen...


    Ich habe Reich-Ranicki nie als arrogant und selbstgerecht empfunden. Und erst recht hatte ich bei ihm nie das Gefühl, dass er aus Gründen von Bildung oder Intellekt Literatur positiv oder negativ bewertet.
    Im Gegenteil, ich kenne kaum einen, der so emotional, so leidenschaftlich über Literatur reden kann und dabei noch so gut unterhalten kann. Ich habe durch Reich-Ranicki Einiges kennengelernt, nicht immer deckte sich meine Einschätzung mit der seinigen. Aber das wäre auch mehr als merkwürdig. Dass MRR weitgehend die sogenannte Unterhaltungsliteratur ausspart, ist eben so. Musikkritiker konzentrieren sich auch auf bestimmte Arten von Musik und schreiben nicht gleichermaßen über Barockkonzerte, Popkonzert oder Jazz.


    Dass er die Bücher empfiehlt, die er für besonders gelungen hält, ist nun mal sein Job, das kann man schlecht übel nehmen.

  • Mal nebenbei, er war einer der ersten, die Kehlmann empfohlen haben!


    Und es ist nunmal so, dass ein Kritiker nie alle Bücher lieben wird, welche man selbst bevorzugt. Genau was MRR hier vorgeworfen wird steht auch in dem Thread zu Denis Scheck.


    Man sollte nicht ablehnen, nur weil die eigenen Lieblingsbücher nicht gelobt werden.

  • Man darf nicht vergessen- zu seiner FAZ- Zeit war ein Verriss von MRR ein Ritterschlag und eine Garantie für einen Verkaufserfolg, seine geliebte Lyrik konnte er nie verkaufsfördernd herausstellen.

  • Reich-Ranicki hat bei mir immer den Eindruck erweckt, dass er auf Unterhaltungsliteratur herabsieht und sie für minderwertig befindet. Und da ich hauptsächlich Unterhaltungsliteratur lese (Nach einem ganzen Tag Uni habe ich einfach keine Lust auf z. B. hochgeistige Lyrik), fühle ich mich einfach so, als sei ich in seinen Augen als Leser weniger wert als jemand, der seinen Empfehlungen folgt.

  • Allzu oft habe ich seine Sendung nicht gesehen aber ich hatte schnell den Eindruck bekommen, dass er zu der Sorte Menschen gehört, die zwar von etwas Ahnung haben, aber deswegen dermaßen eine auf dicke Hose machen, dass einem schlecht wird. So etwas gefällt mir gar nicht. Seine Profilierungsaktion beim deutschen Fernsehpreis hat mich in dieser Vermutung nur bestätigt.

  • Zitat

    Original von Rattentod
    Reich-Ranicki hat bei mir immer den Eindruck erweckt, dass er auf Unterhaltungsliteratur herabsieht und sie für minderwertig befindet. Und da ich hauptsächlich Unterhaltungsliteratur lese (Nach einem ganzen Tag Uni habe ich einfach keine Lust auf z. B. hochgeistige Lyrik), fühle ich mich einfach so, als sei ich in seinen Augen als Leser weniger wert als jemand, der seinen Empfehlungen folgt.


    Naja, dafür kann aber nun Reich-Ranicki eher weniger etwas. Ich denke schon, dass er Unterhaltungsliteratur und "Literatur" deutlich trennt und mit ersterem wenig zu tun hat. Wenn die Unterhaltungsleser davon aber Minderwertigkeitsgefühle bekommen, zweifle ich eher an den UL als an MRR. :-)

  • Ich habe ihn immer sehr gerne gesehen, gehört und gelesen. Vor allem habe ich seinen Unterhaltungswert stets bewundert. Da gibt es kein weichgespültes Gelaber, nein, da wird Klartext gesprochen und polarisiert. Herrlich. Dass er jetzt im hohen Alter vielleicht mal danebengreift, finde ich nicht so schlimm.

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Es mag schon sein, dass es mein Problem ist. Ich musste mir schon oft von Deutschlehrern und anderen 'wohlmeinenden' Personen anhören, ich sollte nicht immer diesen komischen Schund, sondern mal ein richtiges Buch lesen. Das hat in mir schon eine gewisse Abneigung gegen 'Literaturpäpste' geweckt.

  • Naja, ich bin auch der Meinung, dass es einen prinzipiellen Unterschied zwischen typischen Unterhaltungsromanen und Literatur als Kunstform gibt. Unterhaltungsliteratur ist eben nicht unbedingt eine Kunstform. Aber trotzdem verstehe ich nicht, warum U-Leser teilweise so ein angeknackstes Selbstbewusstsein haben. :knuddel1

  • MRR zu Kehlmann:


    "Ich empfehle Kehlmann unbedingt. Intelligenz, Beobachtungsgabe und fabelhafte Dialoge!"


    MRR empfiehlt Hanna Krall:


    "Wenn ich die Bücher von Hanna Krall lese, dann lese ich eigentlich Darstellungen meines Lebens, meiner Erlebnisse."


    MRR empfiehlt Murakami.




    .......er kann auch mal ohne Goethe und Schiller ;-)

  • Zitat

    Original von Vulkan
    Unterhaltungsliteratur ist eben nicht unbedingt eine Kunstform. Aber trotzdem verstehe ich nicht, warum U-Leser teilweise so ein angeknackstes Selbstbewusstsein haben. :knuddel1



    Ich glaube, es ist einfach die Angst, von den Lesern hoher Literatur als dumm und ungebildet angesehen zu werden, als jemand, der einfach zu blöd ist, zu begreifen, was gut ist und Qualität hat. Es gibt diesen bestimmten Klassiker-Kanon, auch bekannt als Bücher, die man gelesen haben MUSS, und wenn man es nicht getan hat, oder man es versucht hat und es einem nicht gefallen hat, gibt es wieder seltsame Blicke.
    Aber über Kunst lässt sich ja bekanntlich streiten und ich gebe selbst zu, dass mein Kunstsinn irgendwo verkümmert sein muss. Mit Lyrik, abstrakter Malerei und atonaler Musik kann ich zum Beispiel rein gar nichts anfangen. Aber, dass andere deswegen auf einen herabsehen und zum Kulturbanausen stempeln, geht einem schon etwas nahe.

  • Zitat

    Original von Vulkan
    Naja, dafür kann aber nun Reich-Ranicki eher weniger etwas. Ich denke schon, dass er Unterhaltungsliteratur und "Literatur" deutlich trennt und mit ersterem wenig zu tun hat. Wenn die Unterhaltungsleser davon aber Minderwertigkeitsgefühle bekommen, zweifle ich eher an den UL als an MRR. :-)


    Wenn er der Meinung sein sollte, das Unterhaltungsliteratur allgemein nicht zu beachten ist, weil sie minderwertig ist, dann sehe ich das anders.


    Aber dafür kenne ich ihn nicht gut genug.

  • Zitat

    Original von Rattentod
    Es gibt diesen bestimmten Klassiker-Kanon, auch bekannt als Bücher, die man gelesen haben MUSS, und wenn man es nicht getan hat, oder man es versucht hat und es einem nicht gefallen hat, gibt es wieder seltsame Blicke.


    Es ist immer sehr anmaßend wenn sich jemand hinstellt und meint, dieses oder jenes müsse man gelesen haben. Müssen tut man nämlich schon mal gar nichts. Und glücklicherweise entscheiden nicht ein Herr MRR oder ein Herr Karasek oder sonstwer über das, was man zum Lesen auszuwählen hat. Diese Entscheidung liegt ganz allein bei einem selbst - es sei denn, in der Schule wird ein spezieller Lektüreauftrag gegeben.


    Und man sollte sich die Freude am Lesen auch nicht durch irgendwelche "seltsamen" Blicke nehmen lassen. Es muss auch niemanden peinlich sein, dieses oder jenes "Unbedingt-gelesen-haben-muss-Buch" eben nicht gelesen zu haben. Peinlich vielmehr ist das Verhalten derer, die meinen sie hätten irgendein Recht Lesevorschriften zu machen. Und was sagt schon irgendein Literatur-Kanon aus? Nichts! Gerade bei einer solch speziellen Auswahl feiert die Subjektivität richtige Orgien - denn es wird zum einen unendlich viel vergessen oder aus welchen Gründen auch immer nicht aufgeführt und ein Kanon ist zudem nichts anderes als ein Spiegelbild der literarischen Vorlieben des Verfassers.


    Außerdem ist Herr MRR als Literaturpapst genauso fehlbar wie der Chefpapst in Rom. Man denke in diesem Zusammenhang nur einmal an Reich-Ranickis Vorliebe für Wolfgang Koeppen, einem eher mittelmässigen Schriftsteller, der aus welchen Gründen auch immer von MRR richtig hochgejubelt wurde.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Valdimier


    Wenn er der Meinung sein sollte, das Unterhaltungsliteratur allgemein nicht zu beachten ist, weil sie minderwertig ist, dann sehe ich das anders.


    Wie gesagt, wenn man von zwei relativ unabhängigen Systemen mit unterschiedlichen Markt-, Wirkungs- und Rezeptionsregeln ausgeht, ist es irrelevant, was MRR von U-Literatur hält. Es ist nicht sein Gebiet. Wenn man die Gesetze und Qualitätskriterien von Literatur als Kunstform auf U-Literatur anwendet, kommt eben die U-Literatur selten gut weg. Das ist ungefähr so, als setzt man einen Musikwissenschaftler, der sich mit Bach und Brahms beschäftigt, auf eine Analyse aktueller Chartshits an und wundert sich, wenn er zum Schluss kommt, die Lieder seien in ihrer Komposition flach und einfältig.


    Zitat

    Aber über Kunst lässt sich ja bekanntlich streiten und ich gebe selbst zu, dass mein Kunstsinn irgendwo verkümmert sein muss. Mit Lyrik, abstrakter Malerei und atonaler Musik kann ich zum Beispiel rein gar nichts anfangen. Aber, dass andere deswegen auf einen herabsehen und zum Kulturbanausen stempeln, geht einem schon etwas nahe.


    Wie gesagt, ich verstehe nicht so ganz Euer Problem. Ich habe z. B. überhaupt keine Ahnung von Filmen. Ich weiß, dass es künstlerisch anspruchsvolle Filme gibt, aber ich sehe - wenn ich überhaupt mal einen Film sehe - irgendwelche amerikanischen Liebeskomödien. Ich habe kein Problem damit, dass Filmkenner dabei das Gruseln bekommen. Ein Problem habe ich eher damit, wenn mir jemand erzählen will, dass Werke von Beethoven und Schostakowitsch musikalisch auf einer Ebene mit irgendwelchen aktuellen Chartshits stehen soll. Das ist für mich eine unerträgliche Relativierung von faktisch existierenden Unterschieden, die vielleicht für Laien schwer in Worte zu fassen sind, aber doch für fast jeden hörbar und fühlbar sind.
    Manche Menschen haben für Kunst keine Antenne. Manche Menschen haben nur zu Kunst innerhalb von Musik, Literatur oder Malerei Zugang. Deswegen Komplexe zu bekommen, halte ich für Zeitverschwendung.

  • Ich stehe Herrn MRR absolut neutral gegenüber - er ist mir schlicht und einfach egal. Teilweise finde ich seine Aussagen recht witzig, nicht mehr und auch nicht weniger. Und Dogmatismus (grade in der Literatur) finde ich schlimm, deshalb finde ich auch Aussagen wie "Dieses Buch muss man gelesen haben" eine Anmaßung.

    Büchereulen sind Listen-Fetischisten :chen


    Lesestatistik 2011:
    31 Bücher
    13924 Seiten
    2,58 Bücher / Monat