Nicht frei von Sünde - Benjamin Black

  • OT: Christine Falls


    Kurzbeschreibung:
    Gerriet Quirke arbeitet als Pathologe im Dubliner Holy Family Hospital. Eines Nachts überrascht Quirke seinen Schwager Malachy, den überaus angesehenen Leiter der Gynäkologie gebeugt über die Akte von Christine Falls. Das Erscheinen des seltenen Gastes erweckt Quirkes Argwohn und seine Neugier. Schnell findet er heraus, dass die junge Frau nicht, wie auf dem Totenschein vermerkt, an einer Lungenembolie gestorben ist. Ihr Tod wirft Fragen auf. Die Suche nach Antworten führt Quirke in die Welt der Lebenden, wo sich die Abgründe seiner eigenen Familie vor ihm auftun ...


    Über den Autor:
    Benjamin Black ist das Pseudonym des 1945 geborenen John Banville, der zu den bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Irlands gehört. Sein umfangreiches literarisches Werk wurde mehrfach, auch international, ausgezeichnet. Für seinen Roman »Die See« erhielt er 2005 den Man Booker Prize. John Banville lebt und arbeitet in Dublin.


    Meine Meinung:
    Es ist ein ungewöhnlicher Kriminalroman, den John Banville alias Benjamin Black hier vorlegt. Ungewöhnlich hinsichtlich der Handlungszeit (50er Jahre in Irland), aber vor allem ungewöhnlich hinsichtlich seiner Hauptfigur. Der in sich gekehrte Pathologe Quirke, einst Waisenkind und im Hause einer mächtigen Familie aufgewachsen, der seit dem Tod seiner Frau mehr trinkt als ihm selbst gut tut, ist eine höchst interessante Figur, mit der man mitleiden und mitfühlen kann, die aber Ecken und Kanten hat, an denen man sich auch durchaus reiben kann. Diese Figur wird zufällig Zeuge einer Aktenmanipulation, was natürlich ihr Interesse weckt. Und mit Quirke wird auch der Leser immer stärker hineingezogen in den Strudel von Macht, der sich hinter den Kulissen wie ein Oktopus mit seinen Tentakeln ausbreitet und weitere Kreise zieht als zunächst angenommen. Bemerkenswert an diesem Krimi ist die überaus dichte und packende Atmosphäre, die Black aus dem Gefühl der Menschen wenige Jahre nach dem 2. Weltkrieg, als Männer von dem neuen Porsche Spyder 550 träumen und die ersten Wäschetrockner Einzug in die Häuser halten, wieder zum Leben erweckt. Dass hinter diesen modernen Erfindungen und der (scheinbar) neuen Ära ebenso menschliche Abgründe lauern, wird Stück für Stück enthüllt. Ein faszinierender, aber eher stiller Krimi, der sein Grauen durch das Unausgesprochene oder Angedeutete zieht und dafür so gut wie ohne Blut auskommt. Ich hoffe sehr, dass Banville sich zu einer Fortsetzung entschließt, denn seine Figuren haben großes Potenzial und sein Stil hat mir wirklich sehr gefallen!


    9 Punkte von mir! :anbet


    >HIER< gibt es die Rezension zum Hörbuch von Herr Palomar.

  • Oh weh... nun sind es schon zwei, die nicht gerade begeistert klingen. Es liegt nämlich auf meinem SuB :-(
    Vielleicht lese ich mal rein und wenn es mich auch nicht anspricht wird es vertauscht...


    Edit:
    Nachdem es meiner Ma so gut gefallen hat, habe ich heute Morgen angefangen und bin schon auf S. 150 angelangt. Vor allem sprachlich, aber auch sonst, gefällt mir das Buch ausnehmend gut und ich bin sehr gespannt, was es mit Christine Falls auf sich hat. Allerdings empfinde ich das Buch eher als Familiengeschichte mit Kriminalanteilen, denn als Krimi.

  • Ich kann mich Milla nur anschließen. Auch mir hat das Buch sehr gut gefallen - ich fühlte mich richtig in die düstere Atmosphäre dieses Buch hineingezogen und konnte gestern nicht mehr mit dem Lesen aufhören, bis ich die letzte Seite gelesen hatte.
    Trotzdem fällt es mir schwer in Worte zu fassen, was mich eigentlich so in den Bann gezogen hat. Keine der Figuren war mir wirklich symapthisch, es gibt keinen wirklichen Lichtblick, und es wird mehr getrunken und geraucht, als es irgendeinem Menschen gut tun kann ;-)


    Wie auch immer, für mich gibt es 8 sehr zufriedene Punkte für einige schöne und spannende Lesestunden.

  • Irland in den 50er Jahren: während die oberen Zehntausend beginnen, die ersten Segnungen der Moderne zu genießen, lebt das Lumpenproletariat wie vor hundert Jahren: harte Arbeit unter primitivsten Bedingungen, ein Stall voller Kinder und die unheilvolle Allgegenwart der katholischen Kirche.


    In beiden Millieus kennt sich Pathologe Quirke aus, verbrachte er doch seine ersten Lebensjahre in einem furchterregenden katholischen Waisenhaus, um dann im Hause eines Richters eine solide Schulbildung zu erhalten.
    Vor diesem biografischen Hintergrund, zumal seine Frau bei der Geburt der Tochter starb, wundert es nicht, dass Quirke zu einem einsamen Wolf geworden ist, der ununterbrochen raucht und trinkt. Dennoch lässt ihm der Fall der toten Christine Falls keine Ruhe. Die starb nämlich keineswegs an einer Lungenembolie, wie auf dem Totenschein vermerkt, sondern ihr Tod führt Quirke auf die Spur einer ziemlich finsteren Geschichte.


    Mir ging's ein wenig wie Salome: ich weiß auch nicht so richtig, was das faszinierende an diesem Buch war. Vielleicht die Ambivalenz quasi aller Protagonisten. Vielleicht diese Geschichte, die so gut zu meinen Vorstellungen von Irland vor 50 Jahren passte. Aber wahrscheinlich doch am ehesten, weil es einfach ein spannender Krimi abseits von meinem üblichen Beuteschema war.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Titel: Nicht frei von Sünde
    OT: Christine Falls
    Autor: Benjamin Black
    Übersetzt aus dem Englischen von: Christa Schuenke
    Verlag: Rowohlt
    Erschienen: November 2008
    Seitenzahl: 428
    ISBN-10: 3499248174
    ISBN-13: 978-3499248177
    Preis: 9.95 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Gerriet Quirke arbeitet als Pathologe im Dubliner Holy Family Hospital. Eines Nachts überrascht Quirke seinen Schwager Malachy, den überaus angesehenen Leiter der Gynäkologie gebeugt über die Akte von Christine Falls. Das Erscheinen des seltenen Gastes erweckt Quirkes Argwohn und seine Neugier. Schnell findet er heraus, dass die junge Frau nicht, wie auf dem Totenschein vermerkt, an einer Lungenembolie gestorben ist. Ihr Tod wirft Fragen auf. Die Suche nach Antworten führt Quirke in die Welt der Lebenden, wo sich die Abgründe seiner eigenen Familie vor ihm auftun.


    Der Autor:
    John Banville/Benjamin Black, 1945 geboren, gehört zu den bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Irlands. Sein umfangreiches literarisches Werk wurde mehrfach, auch international, ausgezeichnet. John Banville lebt und arbeitet in Dublin und schreibt unter dem Pseudonym Benjamin Black Krimis.


    Meine Meinung:
    Ein Krimi der etwas anderen Art. Ein Krimi der sich mit menschlichen Verhalten beschäftigt, ein Krimi in dessen Mittelpunkt nicht in erster Linie die Tat als solche steht. Aber natürlich kommen auch die kriminellen Handlungen nicht zu kurz. Benjamin Black kann spannend erzählen und man merkt diesem Krimi deutlich an, dass dort einer der bekanntesten irischen Schriftsteller (John Banville) unter einem Pseudonym in ein anderes Genre gewagt hat. Ein Schritt den der Autor ganz gewiss nicht bereuen muss und auch seine Leser werden es ihm wohl danken. Die Geschichte beschäftigt sich mit dem heuchlerischen und selbstgerechten Verhalten selbsternannter Gutmenschen, das vermeintlich wohltätige Handeln geschieht ausschließlich aus egoistischen Motiven heraus. Die Handlung spielt im Irland in der Mitte der Fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Der Autor scheut auch nicht vor Gesellschaftskritik zurück. Und auch die Katholische Kirche Irlands muss sich so manchen kritischen Seitenblick gefallen lassen.
    Diese Geschichte bietet gute Krimiunterhaltung – allerdings sicher nicht für die Krimifreunde, denen es in erster Linie um vordergründige Action geht. Es ist eine Geschichte, die auch ein wenig über den Tellerrand schaut, lesenswert und die auch neugierig auf weitere Bücher dieses Autors macht.
    Das gibt solide 7 Punkte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.