'Die Kapelle der Glasmaler' - Seiten 157 - 306

  • Viel Input in diesem langen Abschnitt.


    Wir lernen nun auch Thomas kennen, gegen sich Edwige damals zugunsten Clemens entschieden hatte.
    Was ist das für ein Mensch? In dem Moment, als er weinend am Küchentisch saß, hatte ich Mitleid mit ihm. Das verging aber in dem Moment, als er seinen Sohn völlig grundlos bis aufs Blut geprügelt hat.
    Jähzorn, der fast schon an Wahnsinn grenzt, scheint eines seiner größten Charakter-Merkmale zu sein. War das wirklich Liebe, die er damals - und angeblich jetzt noch - für Edwige empfindet?
    Sucht er in Lise, die ihrer Mutter so ähnlich sieht, nach Edwige oder macht er sich aus reinen Rachegelüsten an sie heran?
    Was mag Lise erwarten, wenn er sie erst mal besitzt? Schläge, Demütigung?


    Welche Verbindung gibt es zwischen de Montreuil und dem Bettler? Wer ist der Bettler mit dem zerstörten Gesicht, der über die Fähigkeit verfügt, Baupläne zu zeichnen?
    Zwei interessante Figuren. Ich bin gespannt, welche Entwicklungen hier noch folgen.


    Ja, und zum Ende des Abschnittes taucht er auf, Donatien, Halb-Bruder von Ghislain. Richarde ist wohl die Mutter von Donatien, vermutlich auch von Raymond. Aber wer ist die Mutter von Ghislain und was ist mit ihr passiert? Der Vater jedenfalls lässt ihn suchen, ihn plagt wohl das schlechte Gewissen. Was mag es mit dem Testament auf sich haben?
    Die zwei Männer, die Ghislain verfolgt und fast getötet hätten, sind wohl von Richarde und Donatien beauftragt.


    Donatien wird hier, bevor sein Name erwähnt wird, als breitschultriger Mann beschrieben. Ich frage mich, ob er es ist, der ganz zu Anfang des Buches mit seinem Vater zur Dornenkrone pilgert.


    Fragen über Fragen. Auf in den nächsten Abschnitt :-)

    EDIT: Herrn Mountreuil's Namen korrigiert

  • In Kapitel 2 kommt die kurze Sexszene genauso unvermutet wie die darauffolgende Auseinandersetzung mit Aidan de Luzy.
    Bei beiden Szenen gibt es wieder den Blick auf nebenhergehende Details wie Ghislains verlegener Blick nach unten im Badezuber, in dem "zwei tote Flöhe und eine Wanze im Wasser vor seiner Brust schwammen" oder wie er bei de Luzys Attacke mit dem Hintern im Pferdemist landete.
    Diese Art zu schreiben gefällt mir sehr gut.


    Später trifft er Alix wieder, die beiden verstehen sich ganz gut.
    Ich mag sie, weil sie stets gut gelaunt ist, aber vielleicht ist sie (zumindest geistig) noch etwas unreif oder unsicher, da sie mehrfach die Bestätigung von Ghislain braucht, dass sie schön ist. Möglicherweise liegt es auch an ihrem schiefen Lächeln.


    Über Aimon bin ich dann auch wieder empört, als er den Lehrling auf Seite 184 nicht bezahlt. Sehr überheblich, dabei kann er anscheinend nicht mal lesen.
    Am Schluss dieses Kapitels die Enttäuschung für Ghislain, diese Frau de Luzy kennt er nicht.

  • Mit Aimon hast Du mir gerade noch ein Stichwort geliefert. Merkwürdiges Verhältnis haben die beiden Geschwister zueinander, oder? Man könnte bald den Eindruck bekommen, das ginge über ein normales geschwisterliches Verhältnis hinaus....


    Ich bin gespannt, wie die vom Vater ausgehandelte Ehe von den beiden aufgenommen wird.

  • Aimon hat auf jede Fall etwas neurotisches an sich.
    Allissende ist ihm intellektuell überlegen, sie spottet auch sanft über ihn.
    Ein feines Pärrchen. Noch mag ich die Geschwister überhaupt nicht, aber interessant sind sie schon. :-)

  • Mir gefallen die detailreichen Schilderungen des Alltaglebens besonders gut. Da kann man sich das mittelalterliche Paris so richtig gut ausmalen.


    Die Sainte Chapelle ist wirklich ein Wunderwerk an menschlicher Baukunst.
    Welch wichtige Rolle das Licht spielt, damit die Glasfenster so herrlich zur Geltung kommen, hat Kirsten ja eindrucksvoll geschildert. Ich würde ja noch gerne mehr über den Bau selbst erfahren.


    Die Charaktere der Figuren sind bis jetzt ausnahmslos alle äußerst gut gezeichnet, selbst die Unsympathischen. Da steht für mich Thomas an der Spitze, der Kind und Lehrling gleichermaßen schlecht behandelt. Die arme Lise dürfte, falls sie auf ihn hereinfällt, nichts Gutes erwarten. Oder behandelt er sie respektvoller, weil sie für ihn der Ersatz für seine verschmähte Liebe ist?


    Jetzt werden wir sehen, ob sich das Rätsel um Ghislain bald etwas lichtet.
    Ich bin schon neugierig, wie's weitergeht. Bis jetzt jedenfalls ein sehr guter Roman.

  • Zitat

    Original von Sylli7
    Die Sainte Chapelle ist wirklich ein Wunderwerk an menschlicher Baukunst.


    Das stimmt. Ich bin jedes Mal neu beeindruckt, wenn ich die Kirche besuche.
    Ein paar wenige Informationen zum Bau der Sainte Chapelle habe ich hinten angefügt. Sonstige Informationen (wie sah das auf einer Baustelle aus? Was gab es für Veränderungen auf dem Bau?) musste ich mir anderweitig zusammensuchen, und manches hat dann gar keine Aufnahme in den Text finden können. Die Sainte-Chapelle ist ja recht schnell gebaut worden (so etwa in 5-10 Jahren), wobei das im 13. Jahrhundert gar nicht so ungewöhnlich war, so lange Geld geflossen ist. Man benutzte im 13. Jahrhundert beispielsweise auch schon vorgefertigte, typisierte Steine (Serienfertigung), was die Baugeschwindigkeit weiter erhöhte. Da man mit Plänen arbeitete, war zudem die Anwesenheit des Baumeisters nicht mehr unbedingt erforderlich (der bekam dafür teilweise sogar extra Geld), so dass er mehrere Baustellen gleichzeitig betreuen konnte. Um 1261 mokierte sich übrigens der Dominikanerprediger Nicolas de Biard darüber, dass die Architekten mit Handschuhen auf die Baustelle kämen und nur Befehle gäben, ohne selbst Hand anzulegen; er verglich sie darum mit den fetten Prälaten, die anderen erzählten, wie sie christlich leben sollten, ohne es doch selbst zu tun.
    Genug geschwätzt. Da es mit der Zeitreise wahrscheinlich nie klappen wird, empfehle ich einen Besuch in Guédelon.


    Liebe Grüße


    Kirsten


  • Wie hast du eigentlich für das Buch recherchiert? Soll keine Kritik sein.
    Reicht es Bücher über die Zeit allgemein zu lesen und dann noch mal spezieller zu einzelnen Orten, Personen, Ereignissen ect.?


  • Beim Bettler wird schon viel früher gesagt, dass dies der ehemalige Baumeister ist. Zumindest war dies der erste Gedanke, als er im Buch auftauchte. Gishain erwähnt dies beim Zusammentreffen mit der Familie im Wald.


    Zu Thomas:
    Ich hoffe er ist nicht der typische Historischer-Roman-Bösewicht, sondern differenzierter. Ich bin jetztauf Seite 259 und bis jetzt sieht es nicht so aus, als wäre er interessanter als die anderen. Will meinen: Nicht Weiß oder Schwarz, sondern mehr Grautöne. Ein zerissener Charakter, der nicht einfach nur böse, eifersüchtig ect. handelt. Im Moment hat sein Sohn (berechtigt) Angst vor ihm, seine tote Frau hat er wohl geschlagen und Clement will er auch Böses, um Etienne zu bekommen. Scheint ein bißchen Schema F zu sein.


    Vielleicht begreift er ja noch, dass wahre Liebe nicht besitzen heisst, sondern auch loslassen zu können :gruebel.

  • Ja, ich lese allgemeine Bücher und dann solche, die sich speziellen Aspekten beschäftigen. Zusätzlich lese ich Geschichten, die damals (oder im Jahrhundert davor) entstanden sind, so etwas wie "Erec und Enide" und solche Sachen, aber auch Sagen und Legenden. Für die Hintergründe zur Glasmalerei habe ich eine Werkstatt besucht, die heute noch solche Fenster herstellt. Da hat sich nicht so viel geändert (bessere Öfen und Diamantglaschneider). Ich habe außerdem eine Reise in die Picardie unternommen, weil da besonders viele gotische Kathedralen stehen, weil ich mir besser vorstellen können wollte, wie man sich in so einem Gebäude fühlt. Auf mich wirken diese Kathedralen auch heute noch riesenhaft (Amiens beispielsweise mit etwas über 45 m Höhe), und ich habe mich winzig klein gefühlt. Nicht bedrückt, dazu sind die gotischen Kathedralen viel zu "leichtfüßig", aber eben klein. Zuguterletzt habe ich mittelalterliche Musik angehört. Ehrlich gesagt musste ich mich erst dran gewöhnen, weil sich die Stücke für mich teilweise so "durcheinander" und schrill angehört haben, aber jetzt möchte ich es nicht mehr missen.


    Liebe Grüße


    Kirsten

  • Man denke nur an die Sagrada Familia, über hundert Jahre Bauzeit und noch nicht annähernd fertig.
    Dieser Abschnitt birgt wieder viele Geheimnisse. Mittlerweile macht es mir Spass, sie zu ergründen. Welche Hintergedanken hat Thomas in Bezug auf Lise? Ist sie sein Ersatz für Edwige oder will er sich rächen? Ich glaube eher letzteres. Und welches Geheimnis hat der Baumeister? Scheint irgendwas mi seiner Jugend zu tun zu haben.
    Auf jeden Fall bleibt es spannend, ist so fein erzählt, dass ich ganz versinke beim Lesen.

    :lesendCharlotte Roth - Grandhotel Odessa


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)