Kleiner Atheismus-Katechismus (Gerd Haffmanns Hrsg.)

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    Klappentext:


    Der Mensch ist nicht einsam. Aber Denken macht einsam. Die Majoritäten wollen es sich in Glaubensgewissheiten gemütlich machen, ihr Leben in ewiger Vormundschaft verbringen, sich bei Schwierigkeiten an religiöse oder völkische Führer abgeben, um mit deren Absolution besten Gewissens, ja freudig auf Andersgläubige und -denkende einzuschlagen.
    In einer Welt von beängstigend anwachsendem Fundamentalismus möchte dieser kleine Katechismus wieder zur Rückbesinnung auf die Werte der Aufklärung einladen. Sie waren den Denkverboten von Kirche und Obrigkeitsstaat mühsam genug abgetrotzt. Wir verdanken ihnen Freiheit des Denkens, Redens und Forschens, offene Diskussion, Religionsfreiheit, Kunstfreiheit, Freiheit der Partnerwahl, der sexuellen Ausrichtung, Freiheit für alle, solange keiner die Freiheit des anderen einschränkt, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Emanzipation und zumindest die Vorstellung eines allgemeinen Weltbürgertums. Nach den grundlegenden Ergebnissen von Georg Büchner bis Arno Schmidt zeigen Fritz Senn, Ludger Lütkehaus, Polly Toynbee und Ulrich Hohlbein Überlegenheit und Ohnmacht heutiger Aufklärung gegenüber der Neuen Unmündigkeit.


    Meine Meinung:


    Das sehr schön gestaltete und nicht sehr umfangreiche Bändchen (180 Seiten), die Neuauflage einer zuerst 1991 erschienenen Fassung, kompensiert in 19 unterschiedlich langen Einzeltexten die Gedanken einiger Zeitgenossen, aber auch zeitgeschichtlicher Figuren zum Thema "Religion". Der Tenor ist selbstverständlich ein atheistischer, aber die Ansätze sind grundverschieden, so befasst sich Fritz Mauthners sehr bemerkenswerter Text mit der Etymologie des Wortes "Gott" und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen. Einige Textauszüge, etwa die "Kritik der Religion" von Karl Marx oder Arthur Schopenhauers "Über Religion", dürften sattsam bekannt sein, andere sind es weniger. Zwischendrin finden sich Gedichte und u.a. eine Aphorismensammlung von Ludger Lütkehaus ("Auferstehung des Fleisches - eine Doppelmetapher: Mit ihr hat die christliche Kirche die Verleugnung des Todes wenigstens mit einem Erektionsversprechen zusammengebracht. Und dann fahren wir alle in den Himmel auf."). Vorangestellt sind kluge und zuweilen bereits rechtschaffen häufig gegängelte Zitate ("Wahrheit ist nur zu haben, wo sie unwichtig ist." - Bertrand Russell). Die Sammlung liefert kein repräsentatives Bild und hat auch ihre Schwächen, eignet sich aber gut als Quelle für Zitate oder Inspiration, und davon abgesehen als Geschenk für jeden götzentreuen Gebetsnachplapperer.

  • Rückbesinnung auf die Zeit der Aufklärung ist immer gut. Und die Namen der Autoren klingen sehr einladend. Fritz Mauthner z. B. habe ich erst vor kurzem "entdeckt".


    Danke für diesen Buchtipp!

  • @ Tom: wenn ich Dich recht verstehe, eignet sich das Buch nicht als Kompendium, oder?


    Und ich muß zugeben, dass mich der Titel schon recht amusiert, denn ich frage mich, warum man gerade in diesem Genre auf derart dezidiert christliche Begriffe zurückgreifen muß. :lache

  • So eine ähnliche Sammlung gibt es von Christopher Hitchens (er hat sie ausgesucht und kleine Einleitungen zu den Texten geschrieben). Ohne christliche Begriffe im Titel. ;-) Ist aber nicht auf Deutsch übersetzt worden, soviel ich weiss. Ca 480 Seiten.


    Die Texte sind von:


    1. Lucretius
    2. Omar Khayyam
    3. Thomas Hobbes
    4. Benedict de Spinoza
    5. David Hume
    6. James Boswell
    7. Percy Bysshe Shelley
    8. John Stuart Mill
    9. Karl Marx
    10. George Eliot
    11. Charles Darwin
    12. Leslie Stephen
    13. Anatole France
    14. Marc Twain
    15. Joseph Conrad
    16. Thomas Hardy
    17. Emma Goldman
    18. H.P. Lovecraft
    19. Carl van Doren
    20. H.L. Mencken
    21. Sigmund Freud
    22. Albert Einstein
    23. George Orwell
    24. John Betjeman
    25. Chapman Cohen
    26. Bertrand Russell
    27. Philip Larkin
    28. Martin Gardner
    29. Carl Sagan
    30. John Updike
    31. J.L. Mackie
    32. Michael Shermer
    33. A.J. Ayer
    34. Daniel C. Dennett
    35. Charles Templeton
    36. Richard Dawkins
    37. Victor Stenger
    38. Daniel C. Dennentt (nochmal)
    39. Elizabeth Anderson
    40. Penn Juliette
    41. Ian McEvan
    42. Steven Weinberg
    43. Salman Rushdie
    44. Ibn Waraq
    45. Sam Harris
    46. A.C. Grayling
    47. Ayaan Hirsi Ali


    Steht bei mir allerdings noch im RUB. Ausser den Texten von Bertrand Russell und Freud hab ich noch nichts gelesen.
    .

  • @licht:


    Zitat

    Tom: wenn ich Dich recht verstehe, eignet sich das Buch nicht als Kompendium, oder?


    Es ist jedenfalls keines. ;-) Ein entsprechendes Kompendium müsste schon sehr viel mehr Seiten und Texte umfassen.


    Zitat

    Und ich muß zugeben, dass mich der Titel schon recht amusiert, denn ich frage mich, warum man gerade in diesem Genre auf derart dezidiert christliche Begriffe zurückgreifen muß.


    Das hat durchaus seine Bedeutung, und im Vorwort wird das entsprechend erklärt. Der Begriff A-theismus ist ja mitnichten von Atheisten geprägt worden, sondern von Theisten, und zwar mit nachvollziehbarer Intention. Der - überwiegend, vor allem geschichtlich negativ besetzte - Begriff wird aus der Negation eines (aus Sicht der Begriffsprägenden) positiv besetzten Begriffes abgeleitet und schließt diesen ausdrücklich ein, um zu unterstreichen, was (vermeintlich) gedanklich falsch ist bei diesem Ansatz. Auch in allen Diskussionen - wir haben das hier erlebt - versuchen Theisten, ihre Begrifflichkeiten den Atheisten überzustülpen, etwa wenn davon gesprochen wird, dass naturalistische Weltsichten nichts anderes wären als Religionen (was ziemlicher Blödsinn ist). Deshalb wurde hier absichtlich und mit einem deutlichen Augenzwinkern ein christlicher Begriff gebraucht. Das Ding hätte auch "Kleine Atheismus-Bibel" heißen können, aber dafür (s.o.) ist es nicht umfassend genug. Und es geht ja nicht um Märchen und Mythen (wie in der Bibel), sondern um philosophische Grundlagen.