'Der Himmel aus Bronze' - Seiten 001 - 097

  • Zitat

    Original von Pelican


    Ich glaube, das Problem ist, überhaupt eine Identifikationsfigur in einem Roman zu erwarten. Warum muß ich mich als Leser denn überhaupt mit einem oder mehreren Protags identifizieren? Eine Geschichte kann doch auch ganz wunderbar sein, wenn ich mich mit keiner der Figuren identifizieren kann! Das heißt nicht, daß ich nicht vielleicht in jeder auch Eigenschaften von mir entdecken kann.


    Genau das ist mir mit dem anderen Roman von Viola passiert, dem über Walther von der Vogelweide! Da konnte ich mich so gar nicht identifizieren, war aber von der Geschichte genauso gefangen wie hier - wobei Walther ja auch wirklich eine schwerst zerrissene und widersprüchliche Figur war!

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Zitat

    Original von Pelican
    Ich glaube, das Problem ist, überhaupt eine Identifikationsfigur in einem Roman zu erwarten. Warum muß ich mich als Leser denn überhaupt mit einem oder mehreren Protags identifizieren? Eine Geschichte kann doch auch ganz wunderbar sein, wenn ich mich mit keiner der Figuren identifizieren kann! Das heißt nicht, daß ich nicht vielleicht in jeder auch Eigenschaften von mir entdecken kann.


    In dem Moment, in dem Du Eigenschaften von Dir im Prota entdeckst, identifiziert Du Dich aber doch schon auf eine Art mit ihm ;-) Ich glaube, das ist einem manchmal gar nicht so bewusst.


    Wir hatten irgendwo mal eine ähnliche Diskussion, ich weiß aber nicht mehr, in welcher Runde. :gruebel


    *klick* machts in dem Moment. Die Runde zum Buch von Arno Strobel, wo der Protagonist sogar Aggressionen weckt. Ich glaube es ist schwierig, den Leser bei der Stange zu halten, wenn man einen Protagonisten hat, dessen Handlungen die wenigsten mögen oder nachvollziehen können. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Großteil der Leser das Buch dann abbricht. Wenn man dennoch dabei bleibt, weil einen die Geschichte selbst gefangen nimmt, dann hat man einen begnadeten Autor vor sich.

  • hm, mir hat Hayso eigentlich von Anfang an gefallen. Mir scheint, er hat eigentlich mehr Grips als jeder andere in diesem Dorf, eben weiler so ausgegrenzt ist und damit auf das beobachten beschränkt ist. Auch wenn er es nicht gut kann, weil er so wenig sieht.
    Ich denke aber gerade dieses aussenstehen in seiner Gemeinschaft lässt ihn deutlich klarer sehen, wie das Dorf funktioniert, eben weil er nicht dazugehört.
    Allerdings kann er mit seinen Erkentnissen nicht besonders viel anfangen, aber vielleicht hilft ihm genau diese Eigenschaft im Laufe der Geschichte noch weiter.


    Ich war anfangs eigentlich nur verwundert, wie jemand mit den Handicaps die Hayso hat erstens so lange in einer Gemeinschaft leben kann (vor allem wie diese, die ja doch recht gefühllos auf mich wirkt) und zweitens dann auch noch eine lange Reise bestehen soll.
    Aber m großen und Ganzen hat mich der erste Abschnitt einfach neugierig auf mehr gemacht.


    Zur Sprache muss ich auch sagen, sie sagt mir sehr zu Ich habe auch nicht lange gebraucht um mich in den Erzählstil einzufinden. Das Kopfkino lief eigentlich von Anfang an :-)

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    In dem Moment, in dem Du Eigenschaften von Dir im Prota entdeckst, identifiziert Du Dich aber doch schon auf eine Art mit ihm ;-) Ich glaube, das ist einem manchmal gar nicht so bewusst.


    Das kann ich so nicht bestätigen. Sonst müßte ich mich ja mit jedem identifizieren ;-)


    Zitat

    Ich könnte mir vorstellen, dass ein Großteil der Leser das Buch dann abbricht.


    Das befürchte ich leider auch.


    Zitat

    Wenn man dennoch dabei bleibt, weil einen die Geschichte selbst gefangen nimmt, dann hat man einen begnadeten Autor vor sich.


    Oder genau die Geschichten, die ich lesen möchte.

  • Zitat

    Original von milla


    Und das wäre doch ein guter Anlass ihn loszuwerden.... So habe ich das verstanden. Als Schikane. Er wird bewusst in Gefahr gebracht mit der Erwartung/Hoffnung, dass er nicht zurückkommt.
    (


    Ich bin mit diesem Teil noch nicht fertig, finde es aber nicht unlogisch. Rinn ist ein schwacher Führer. Seine Macht begründet sich scheinbar nur auf Reichtum (woher der auch immer plötzlich kam) und Gewalt. Also hat er auch Angst vor Fehlern. Versagt Hayso, kann er dies als Urteil der Götter abtun, während bei er bei einem anerkannten Mitglied des Dorfes befürchten muß, daß man ihm die Schuld gibt.

  • Hm, Pelican, das ist natürlich ein Aspekt an den ich nicht gedacht habe...
    Du siehst das Wegschicken als eine Art Gottesurteil, so nach dem Motto: Die Götter haben ihn geholt weil er versagt hat. :gruebel


    Viola, du fragst gerade die, die Hayso nicht mögen, wie er besser angekommen wäre. Da fühle ich mich natürlich angesprochen. *hust* Obwohl ich nochmal betonen möcht, dass es gar nicht so ist, dass ich ihn nicht mag. Ich mag ihn, mir kommt er, zumindest im ersten Abschnitt, nur nicht stringent vor.


    Auf der einen Seite ist er wertlos für die Gesellschaft, er kann tatsächlich überhaupt nichts das für die Dorfgemeinschtaft von Nutzen ist, nichtmal Holzsammeln oder so. Trotzdem behalten sie ihn bei sich. Die Gesellschaft die du beschreibst erscheint sehr herzlos, ich seh einfach keinen logischen Grund weshalb seine Tante ihn behält, wo sie doch weiß, dass sie alle zusammen sterben müssen, wenn der Onkel stirbt. Zumal es ja auch strenge Regeln darüber zu geben scheint wer wann sterben muss. Die Tante wird, ungeachtet des Reichtums des Onkels, verstoßen wenn dieser stirbt, da würde es mir logisch erscheinen, dass die Gesellschaft vorgibt, dass wertloses Leben wie Hayso getötet werden muss, ungeachtet der Protektion der reichen Verwandschaft.
    Ich hoffe ich konnte mich einigermaßen erklären, ich finde das immer etrem schwierig...


    Der andere Punkt ist das Sehen. Mal sieht er, mal nicht. Das hab ich aber eigentlich schon ziemlich detailliert ausgeführt. Jemand der so blnd ist, dass er einen Weg nicht findet, kann halt meiner Meinung nach keine Zeichen auf einem Lederband lesen. Mag sein, dass ich mich da irre, aber ich hab das beim Lesen als Logiklücke empfunden.
    Gut, ich bin inzwischen auch weiter in der Lektüre und hab jetzt vielleicht andere Ideen wie es dazu kommt. Aber wenn wir eim ersten Abschnitt bleiben, dann bleib ich bei meiner Meinung. ;-)
    Vielleicht liegt es tatsächlich auch an der bildhaften Sprache. Du verwendest beim Schreiben so viele Formulierungen bei denen ich tatsächlich "sehe" und das bekomme ich dann nicht in Deckung mit dem Blindfisch der da beschrieben wird. Ich kann es wirklich nicht genauer erklären, tut mir Leid.

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  • Ich schleiche mich auch noch verspätet hier herein. Das Buch ist eines jener, bei dem man einfach mit irgendwem drüber reden muss.


    Sprachlich bin ich ungemein begeistert. Gleich wie es beginnt. Da schwingt am Beginn eine große Wut und Aggressivität schon in der Sprache, die immer, wenn es auf Hayso übergeht, in einen milderen Ton wechselt. Sehr gut zu lesen. Eine sehr schöne Lesemelodie, wenn man das Buch liest. Sehr schnell entsteht auch ein Lesesog.


    Zugleich besitzt dieses Buch aber einen ungemein sprühenden Humor. Vor allem aus der Perspektive von Hayos. Er hat eine Art die Dinge zu sehen und zu hinterfragen, und das so trocken und lapidar zu sagen.


    Inhaltlich tue ich mir noch sehr schwer das Buch einzuordnen. Ich hänge, bin derzeit um Seite 40, noch verloren in Raum und Zeit, weil ich nicht weiß, wo ich dieses Dorf hinstecken soll. Zu welcher Kultur kann man diese Menschen zuordnen? Welche Zeit haben wir? Was passiert rund herum in einem größeren politischen Rahmen um das Dorf.
    Für die ersten 40 Seiten wären das viele Fragen und ich würde mir nicht auf alle eine Antwort bereits jetzt erwarten, aber so ganz ohne Tau ist es für mich auch befremdlich.


    Besonders interessiert mich an seiner frühgeschichtlichen Siedlung, wie das Zusammenleben in der Gemeinschaft organisiert ist. Überrascht hat mich, dass schon Geld vorhanden ist. Überrascht hat mich auch die mir sehr widersprüchliche Sicht der Bewohner auf die Götter: einerseits wirken sie sehr gottesfürchtig und haben Angst vor den Zeichen der Götter, beziehen alles auf die Götter; andererseits wirkt für mich gerade die Szene, in der Hayso dafür bestimmt wird, das Wasser zu holen, die in eine Volksbelustigung mündet, und auch die Szene, in der das Mädchen als Opfer bestimmt wird, dabei sehr anders. In einer gewissen Form modern, indem es wirkt, als würden sie die Rituale als leere Floskeln einfach hinnehmen und froh sein, wenn das Los an ihnen vorüberzieht. In einer anderen Form auch als würde diese Angst vor den Göttern, die davor zum Ausdruck kam, plötzlich nicht mehr bestehen.

  • Ich glaube es stand schon an anderer Stelle, aber ich beantworte das gerne noch mal:
    Wir befinden uns ca. 1000 - 1500 Jahre vor unserer Zeitrechnung.
    Wir befinden uns in Mitteleuropa, die Wälder des Gorr sind etwa dort, wo sich heute der Teutoburger Wald befindet, ein moderater Regenwald, sehr dicht, bergig.
    Was drm herum passiert lässt sich nicht konklusiv beantworten. Wir befinden uns vermutlich in einer Übergangszeit, in der einzelen Dorffürsten versuchen, größere Gebiete unter ihre Herrschaft zu bringen.
    Vermutlich kommt es zu einer Vermengung von weltlicher Macht udn spiritueller Macht, sogenannte Priesterkönige.
    Dörfer haben so wenig wie 20 und so viel wie 200 Einwohner, dies als ungefährer Rahmen.
    Die meisten sesshaften Gesellschaften verlassen ihr Umfeld nie. Die wenigsten Menschen bewegen sich mehr als 10 - 20 Kilometer von ihrem Ursprungsort fort.
    Dem gegenüber steht eine sehr mobile Welt der reisenden Händler, die sehr lange Entfernungen ( Minimum Hamburg - Essen, Maximum: Zypern - Schottland nur als Maßstab) zurücklegen können.
    Eine Kriegerkaste entwickelt sich, die durch die Nutzung des Pferdes ebenfalls zur Mobilität und damit zur politischen Umgestaltung beiträgt.
    Die Götter und Geister (s. Kuras, zum Zweiten) sind überall präsent, die welt wird als animistisch verstanden.
    Die engen sozialen Strukturen ( Sippen, Klans, Kasten) bedürfen aber immer wieder einer emotionalen Reinigung, wie durch kollektive oder Individuelle Opferrituale erreicht, daher die unterschiedlichen Reaktionen zwischen Gottesfurcht und Volksfest.
    Ich hoffe, das hilft erst mal weiter,


    Viola Alvarez

  • Danke, dieser Überblick hilft mir sehr.


    Mittlerweile habe ich den ersten Teil fertig gelesen. Ich bin weiterhin begeistert. Es macht einfach großen Spaß sich diese Geschichte erzählen zu lassen. Anfangs hatte ich die Befürchtung, dass ich bei den in den Mythos gehenden Teilen Schwierigkeiten haben könnte, aber die Faszination hält an.