'Wir fliegen' - Seiten 131 - Ende

  • Ich habe heute abend die letzten drei Geschichten aus dem Erzählband gelesen: Im Alter, Kinder Gottes, In die Felder muss man gehen ...


    Im Alter war die wohl kürzeste Geschichte des Bandes, aber sie hat mir gut gefallen. Ich konnte mich in Wechsler hineinversetzen, der nach langer Zeit wieder in sein Heimatdorf zurückkehrt und feststellt, dass seine ehemalige Frau mittlerweile gestorben ist.


    Kinder Gottes werde ich später noch einmal lesen, aber beim ersten Lesen hatte ich keinen wirklichen Zugang zu der Erzählung. Die Sprache und Ausdrucksweise - auch wenn Stamm das wahrscheinlich genau so gewollt hat - wirkte auf mich nur befremdlich und auch die Geschichte an sich konnte mich nicht packen.


    Deshalb war für mich das Highlight aus diesem Abschnitt (und vielleicht sogar aus diesem ganzen Buch) die letzte Geschichte In die Felder muss man gehen ... Ein Maler, der Landschaften malt, der Landschaften festhält, weil sie ihm nicht davon laufen. Er malt Landschaften, um keine Beziehungen oder Freundschaften eingehen zu müssen. Besonders ein Abschnitt aus der Geschichte ist mir in Erinnerung geblieben: "Du magst die Menschen aus demselben Grund nicht, aus dem du das Meer nicht magst. Damals, auf jenem Feld in Trouville, hast du aufs Meer geschaut, und dir ist klar geworden, dass du es nicht magst. Weil es sich dauernd verändert. Es ist gefährlich. Man kann in ihm ertrinken. Du brauchst festen Boden unter den Füßen."


    Er malt das Meer nicht, weil er Angst davor hat, das es sich verändert ... ich denke, das er nicht der einzige in diesem Erzählband ist, der genau davor Angst hat, das sich Sachen verändern. Eine sehr schöne Geschichte, die das Buch abrundet.

  • Im Alter:
    Ich kann Wechslers kurzfristige Rückkehr zwar nachvollziehen, aber die Geschichte war mir ansonsten zu kurz, da hätte ich mir gewünscht, es wäre noch mehr ausgearbeitet worden. Aber einige gute Dialoge sind dabei.


    Kinder Gottes
    Die Stimmung der Geschichte ist gut ausgearbeitet worden.
    Michael war in dieser Gesellschaft noch nicht akzeptiert, die Leute blieben ihm fremd (wie auch mir), deswegen stürzt er sich geradezu auf diese Sache mit dem neuen Jesuskind.


    Die Protagonisten beider Geschichten sind „unlikeable“, dass verhindert nicht, dass sie gelungene Figuren sind.


    Das buch hält insgesamt ein gleichmäßiges Niveau durch.


    Jetzt bleibt mir nur noch die letzte Geschichte, aber auch die werde ich mir noch heute durchlesen.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Diese letzte Geschichte ist ein Highlight, ein würdiger Schluss für Wir fliegen.


    :write


    Ja, für mich war diese Geschichte wirklich DAS Highlight des Buches. Ich habe sie vorhin noch einmal gelesen und sie gefällt mir immer noch sehr gut.
    Das es sich um einen realen Autor handelt ist ja interessant, ich werde mir gleich mal den Artikel auf Wikipedia durchlesen. Wie hast du das denn rausbekommen? Hast du die Titel der Bilder bei Google eingegeben? Ich habe beim Lesen gar nicht die Ahnung gehabt, dass es sich vielleicht um einen realen Maler handeln könnte.

  • Es wird der alte Sennegon erwähnt. Dieser Name spuckte beim googeln Corot aus. Das war dann sehr wahrscheinlich, dass es ein Impressionist sein muss.
    Seine Ansichten zum Malen werden von Stamm detailliert angegeben.
    Die Namen der Bilder geben dann den letzten sicheren Hinweis.
    Ansicht von Villeneuve les Avignon
    Gemälde der Impressionisten habe ich schon immer sehr gemocht!

  • Wie ich soeben gehört habe, ist "Wir fliegen" von Peter Stamm auf der Short List für den Schweizer Buchpreis, der am 16.November in Basel verliehen wird. :wow
    Schweizer Buchpreis


    Noch nominiert sind:
    Lukas Bärfuss "Hundert Tage"
    Anja Jardine "Als der Mond vom Himmel fiel"
    Rolf Lappert "Nach Hause schwimmen"
    Adolf Muschg "Kinderhochzeit"


    Ich hoffe sehr auf Wir fliegen!!!!

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Ansicht von Villeneuve les Avignon
    Gemälde der Impressionisten habe ich schon immer sehr gemocht!


    Danke für den Link, ich habe mir das Bild angeschaut und es gefällt. Irgendwie habe ich das Gefühl, mir den Maler aus der Geschichte jetzt nun noch besser vorstellen zu können.


    Zum Schweizer Buchpreis: da bin ich etwas zweigeteilt zwischen "Nach Hause schwimmen" und "Wir Fliegen", da ich es beiden Büchern sehr gönnen würde. Ich werde die Daumen für Peter Stamm aber kräftig drücken. ;-)

  • Ich denke Adolf Muschg und Lukas Bärfuss sind die großen Favoriten.
    Anja Jardine gebe ich höchstens Außenseiterchancen, Rolf Lappert kann ich nicht einschätzen und Peter Stamm hat den Nachteil, dass es sich um ein Kurzgeschichtenband handelt, also auch nur Außenseiterchancen.

  • Im Alter:
    Diese Erzählung hat mir sehr gut gefallen und auch hier hätte ich mir durchaus eine größere (Roman-)Form vorstellen können.


    Kinder Gottes:
    Einerseits fand ich es recht gut dargestellt, wie sich Michael in den Gedanken an Mandy als Auserwählte und ihr Kind als Jesuskind hineinsteiert und damit auch sein Verhalten rechtfertigt. Aber insgesamt finde ich die Figuren doch alle etwas seltsam und trotzdem die Geschichte nur schwer nachvollziehbar.


    In die Felder muss man gehen...:
    Mit euren Hinweisen habe ich die Erzhählung besser verstanden. Vom Hocker gerissen hat sie mich dennoch nicht.


    Da ich die anderen Bücher nicht kenne, drücke ich Peter Stamm mit diesem Erzählband die Daumen für den Schweizer Buchrpreis.

  • Zitat

    Original von taki32
    Da ich die anderen Bücher nicht kenne, drücke ich Peter Stamm mit diesem Erzählband die Daumen für den Schweizer Buchrpreis.


    Rolf Lappert hat mit seinem Roman Nach Hause schwimmen gewonnen.
    Aber immerhin hat auch Peter Stamm mit dem Einzug in die Short List 2500 Franken erhalten.
    Die Fachjury hatte die fünf Finalisten aus 84 eingereichten Titeln ausgewählt.