'Zeiten des Aufruhrs' - Seiten 231 - 359

  • Ich interpretiere das so, dass der Mensch sich sein Leben gerne einteilt, der alte Mann ist verwirrt, weil er die Jahreszahl nicht weiß, wo seine Frau gestorben ist - und erst wieder zufrieden ist, wie er das Datum bestimmt hat.
    Auch der Angestellte mit seinem Terminkalender hat seine Zeit eingeteilt oder der Infanteriecapitain schaut auf die Uhr und fühlt sich wohler, als er die Uhrzeit kundgibt (als ob das während des Kampfes wichtig wäre..)
    vielleicht als eine Art Sicherheit?


    Frank hat ja auch eine Frist (Gummispritze), in der er Zeit hat, seine Frau umzustimmen, das Kind zu bekommen.
    Eigentlich benutzt er die Schwangerschaft , um nicht nach Europa zu müssen.
    Dabei geht es gar nicht um das 3. Kind, sondern um seinen Unwillen - er kann/will nicht offen sagen, dass er gar nicht nach Europa will.
    Da tritt es ganz offen in den Vordergrund, dass er gerne beim Alten bleibt.
    Bis zur Frist lebt er in einer Art Unsicherheit - er tut alles, um seiner Frau zu gefallen:
    "..Es war die Kenntnis des Datums, was ihm den Mund stopfte. Noch zwölf Tage..." (S. 241)


    Wahrscheinlich fühlt sie sich hinterher "schuldig", dass er sich nicht verwirklichen kann.

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Stimmt, so kann man es verstehen.


    Zitat

    Original von Conor
    Bis zur Frist lebt er in einer Art Unsicherheit - er tut alles, um seiner Frau zu gefallen: "..Es war die Kenntnis des Datums, was ihm den Mund stopfte. Noch zwölf Tage..." (S. 241)


    Ja, wie immer gibt es eine Zeit der Hoffnung, die Zeit, in der Frank glaubt, er kann das Blatt noch drehen und die Zeit danach, die der Ernüchterung. Wieder sehr beeidruckend auf's Papier gebracht von Yates, finde ich.


    April macht das ja sehr geschickt (was Frank in seltenen Momenten der Erleuchtung auch klar erkennt). Sie stellt die ganze Reise und all ihre Vorhaben als ein Akt der Selbstlosigkeit hin, um Frank zur Verwirklichung seines vermeintlichen Lebenstraumes zu verhelfen.

  • Zitat

    Zitat Suetown:
    April macht das ja sehr geschickt (was Frank in seltenen Momenten der Erleuchtung auch klar erkennt). Sie stellt die ganze Reise und all ihre Vorhaben als ein Akt der Selbstlosigkeit hin, um Frank zur Verwirklichung seines vermeintlichen Lebenstraumes zu verhelfen.


    wie wahr - wohl auch Zeichen der mangelnden Kommunikation untereinander.

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Conor ()

  • Ich bin jetzt durch und wirklich deprimiert. :-( Es ist ja wie so oft eigentlich, dass man sich fragt, warum die Dinge so weit kommen müssen...
    Eine großartige Leistung von Yates, besonders das Ende. Es ist schmerzhaft spürbar, wie Frank glaubt in einem Alptraum zu stecken und sich völlig unter Schock stehend bewusst wird, dass alles Realität ist. Die Reaktion der Tochter, nicht detailliert ausgeführt, sondern einfach mit wenigen Worten beschrieben, aber umso eindringlicher zu vernehmen. Puh...


    Dieses Buch war definitiv deprimierender als Easter Parade, wenn auch, wie ich finde, ruhiger vom Erzählton her.

  • Das Ende ist wirklich sehr deprimierend. :-( Und das wäre auch mein einziger klitzekleiner Kritikpunkt an Yates. Keine der Charaktere in dem Buch hat am Ende noch ein wenig Glück oder überhaupt noch Hoffnung. Es gibt einfach absolut gar keinen positiven Aspekt am Ende des Buches ... ich möchte kein Happy End fordern, aber für mich hätte das Buch auch nicht ganz so hoffnungslos enden müssen.


    Zitat

    Original von SueTown
    Dieses Buch war definitiv deprimierender als Easter Parade, wenn auch, wie ich finde, ruhiger vom Erzählton her.


    Von dem Erzählton und der Art des Erzählens muss ich sagen, dass es mir auch auf jeden Fall doch besser gefallen hat, als Easter Parade. Über Zeiten des Aufruhrs steht in meinen Augen aber immer noch Eine besondere Vorsehung - was übrigens auch nicht ganz so deprimierend ist!

  • Ein Happy-End? :yikes Das hätte mir aber mein schön rosarot ausgemaltes Yates-Bild völlig zerstört. :lache


    Ich kann gar nicht sagen, dass mir Easter Parade besser oder schlechter gefallen hat. Ich finde, die zwei Bücher sind, ausgenommen der Thematik des "gescheiterten Menschen", nicht wirklich vergleichbar. "Zeiten des Aufruhrs" geht die Sache ganz anders an als "Easter Parade", ist viel bitterer und satirischer. Andererseits muss man schon sehr genau "hinlesen" um das alles auch aufzunehmen. Viele Pointen wurden mir erst im Nachhinhein klar, zum einen durch die Leserunde und zum anderen durch das tolle Nachwort von Richard Ford (von dem ich übrigens auch unbedingt etwas lesen möchte demnächst :grin), der bezeichnende Stellen nochmal hervorhebt und beleuchtet.
    Ich werde das Buch sicher in Kürze noch einmal lesen, um auch wirklich alles mitzunehmen.


    Zitat

    Original von buzzaldrin
    Über Zeiten des Aufruhrs steht in meinen Augen aber immer noch Eine besondere Vorsehung - was übrigens auch nicht ganz so deprimierend ist!


    Darauf freue ich mich schon sehr. Allerdings werde ich meine Mutter mal vorsichtig auf diesen Autoren aufmerksam machen und sie nötigen die englische Ausgabe zu kaufen. Ich denke, im Original liest sich das doch noch ein wenig besser.

  • Zitat

    Original von SueTown
    Ein Happy-End? :yikes Das hätte mir aber mein schön rosarot ausgemaltes Yates-Bild völlig zerstört. :lache


    :grin Ich will ja auch kein richtiges Happy-End, aber zumindest doch einen Mini-Mini-Hoffnungsschimmer, damit man am Ende doch nicht ganz so deprimiert zurückgelassen wird.


    Mir ist vieles auch erst durch mehrmaliges Lesen aufgefallen und vor allem hat mir auch das verlinkte Interview geholfen, da man dort ja auch noch erfährt, was Yates selbst über manches denkt.


    Richard Ford? Oh ja, der steht in meiner Autor-Top10 auch sehr weit oben und besonders empfehlenswert ist seine Reihe um den Sportreporter Frank Bascombe. Die habe ich sehr sehr gerne gelesen.

  • Zitat

    Original von buzzaldrin
    Richard Ford? Oh ja, der steht in meiner Autor-Top10 auch sehr weit oben und besonders empfehlenswert ist seine Reihe um den Sportreporter Frank Bascombe. Die habe ich sehr sehr gerne gelesen.


    Echt? Das klingt ja super! Ich wollte mir schon "Sportreporter" gebraucht bestellen, aber irgendwie haben mich die nicht allzu begeisterten Rezis erst einmal davon abgehalten. Aber wenn's dir gefallen hat, kann ja fast nix schief gehen. :-]

  • Zitat

    Original von SueTown


    Echt? Das klingt ja super! Ich wollte mir schon "Sportreporter" gebraucht bestellen, aber irgendwie haben mich die nicht allzu begeisterten Rezis erst einmal davon abgehalten. Aber wenn's dir gefallen hat, kann ja fast nix schief gehen. :-]


    Die Betonung liegt auf fast ... ;-)
    Ich kann nur sagen, dass ich die Bücher von Ford immer sehr genossen habe. Ich habe alle seine Bücher gelesen, die es in Deutscher Übersetzung gibt und kann "Sportreporter" und "Unabhängigkeitstag" auf jeden Fall weiter empfehlen. Mein persönliches Highligt von Ford ist aber Wild Leben, was ich dir hiermit auch empfehle. :-)

  • :cry Ihr wollt wohl, dass ich mir neue Suchaufträge zulege!! :-)


    Ich bin gestern auch mit dem Buch fertig geworden -sehr erschütterndes Ende:-(

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Weiß ich doch - da werde ich mich mal kundig machen, welches R. Ford Buch ich zuerst lesen werde :-)



    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zitat

    Original von Conor
    :cry Ihr wollt wohl, dass ich mir neue Suchaufträge zulege!! :-)


    Ich bin gestern auch mit dem Buch fertig geworden -sehr erschütterndes Ende:-(


    Ich kann in beiden Punkten nur unterschreiben.
    Von Ford habe ich Der Klang der Zeit im RUB stehen, das werde ich mir mal demnächst vornehmen.


    Irgendwie konnte ich bis zum Ende nicht glauben, dass April sterben würde. Ich habe immer gehofft, dass Yates ihr irgendwie noch ein anderes Ende beschert, kein Happy End, aber vielleicht auch nicht unbedingt den Tod...
    Mein Verständnis für sie ist ein klein wenig mit dem letzten Abschnitt gestiegen.
    Ihre Kindheitserinnerung ist ja wirklich herzzerreissend.


    Ich finde es grausam, und sehr passend, wie Beide sich von ihrer besten Seite während der Warte- und Nachdenkfrist zeigen. Ein kleines Zeitfenster, in dem noch Alles möglich ist, ganz surreal, so sehr bemühen sich Beide um den jeweils anderen.
    Und dann der furchtbare Streit am Tag darauf. Frank sagt ihr, er wünschte, sie hätte abgetrieben.
    Sie ihm, sie hätte ihn nie geliebt.
    Starker Tobak!


    Letztendlich lässt Yates an niemanden ein gutes Haar, aber irgendwie hatte ich auch nichts anderes erwartet. Es ist ein Buch das erstmal "sacken" muss.
    Es ist deprimierend, aber auf eine makellose, schöne Art und Weise.
    Ich werde ganz sicherlich noch mehr von Yates lesen!