'Die Zeit der hundert Königreiche' - 3. Buch - Kapitel 6 - Ende

  • Bevor ich es vergesse: die Spoiler (selbst wenn mit vielen Smilies) stören überhaupt nicht, im Gegenteil. Nur zu. :-)




    Nachdem sich das Buch etwas „gesetzt“ hat, noch ein paar Gedanken.



    Bard / Paul:


    Prinzipiell fand ich die Idee des Doppelgängers gut und interessant, allerdings habe ich auch nach Abschluß des Buches etwas Bauchgrummeln mit dem Herholen. Sicher, Matrixtechnik. Das „teleportieren“ hatten wir auch schon in der „Herrin der Stürme“. Aber hier, wie das geschrieben war, kam es mir wie ein Science Fiction Fremdkörper in einem Fantasy-Roman vor.


    Die Ausgestaltung dann im weiteren Verlauf hat mir gefallen. Beide sind gleich - und doch nicht gleich. Sie müßten eigentlich in allem identisch sein - und sind es doch nicht. Aber wiederum weniger verschieden, als es ihre unterschiedliche Herkunft erwarten lassen würde. Jeder von beiden ist eine eigene Persönlichkeit und eben doch nicht ausschließlich durch Gene und Umwelt bestimmt. Ihr Wechsel- und Zusammenspiel hat über weite Strecken (als ich Bard überhaupt nicht leiden konnte) einen guten Teil daran gehabt, daß ich doch weiterlesen wollte, denn ich hatte ursprünglich auf ein ganz anderes Ende getippt.




    Prinzipiell


    Im Grundsätzlichen hat mich das Buch wieder auf eine Frage gebracht, die mich schon lange beschäftigt: muß man so viele unglückliche Jahre (als Sammelbegriff für Unglück, Leid, Fehlentscheidungen, „Bard-Verhalten“ usw.) erleben, um am Ende geläutert ein besserer Mensch zu sein? Braucht es so viel Leid in der Welt, damit ein paar gute Dinge passieren? Lohnen ein paar gute Jahre die vielen schlimmen zuvor? Und was ist, wenn man nie an diesen Punkt kommt, und es bis zum (Lebens-)Ende nur schlimme Jahre sind? (Ebenezer Scrooge fällt mir da beispielsweise ein, der erst im Alter durch den Besuch der drei Geister ein anderer Mensch wurde, nachdem er sein Leben lang ein Geizkragen und Halsabschneider war.)


    Abgesehen davon, daß ich solche Hauptprotagonisten, wie Bard es lange Zeit war, nicht unbedingt mag, war dieses „auf die Problematik stoßen“ unterschwellig vielleicht ein weiterer Grund, daß ich so meine Probleme mit dem Buch hatte. Denn gut geschrieben ist es ohne Zweifel, da gibt es nix zu meckern.




    Das Ende


    Zitat

    Original von Grisel
    Ich glaube nicht, daß sein Leben ab hier reines Zuckerschlecken ist. Er wird nie vergessen können, was er war und was er getan hat und vor allem das Leid, das er anderen zugefügt hat. Ohne Melora und Varzil hätte er damit verrückt werden können. Wäre vielleicht verdient gewesen. Aber hilfreicher, auch für andere, ist es so. Er kann manches wieder gutmachen, zumindest ansatzweise und verhindern, daß andere so handeln, wie er und er kann deren Opfer beschützen. Buße, aber sinnvolle Buße.


    Das ist mir schon klar. Rein verstandesmäßig sehe ich das auch genauso. Aber gefühlsmäßig ist das noch nicht bei mir angekommen und ich will ihn leiden sehen. :grin


    Ich bin, wie früher erwähnt, sehr für „Happy Ends“ (auch wenn das bisweilen den Tod der Protagonisten bedeutet, siehe beispielsweise Richard Mathesons „Somewhere In Time“ und „Hinter dem Horizont“). Aber hier habe ich mich einfach zu lange über Bard geärgert. Das müßte so ziemlich das erste Mal sein, daß ich einem Protagonisten ein „Bad End“ gegönnt hätte. Und das will bei mir was heißen!


    Auf der anderen Seite ist natürlich das, was Bard den Rest seines Lebens erleben muß, viel schlimmer (und mehr Buße), als es ein auch noch so, hm, kreativer Tod wäre. Wie gesagt, ich muß es noch von meinem „Kopf“ in meinen „Bauch“ bekommen.“

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • SiCollier :
    Du wolltest Bard ncoh am schluss töten... :wow du wirst ja plötzlich so brutal, cih kenn dich gar nciht mehr wieder!
    Nö, also ich habs ihm gegönnt, zu überleben und zu wissen, was er ist... jaja, cih weiss, cih bin sadistin... :grin


    Dass Paul irgendwie ein grösserer fremdkörper als der nciht gewählte vetter aus den Kilghardbergen ist, kam mir auch so wie ein gewaltsamer SF-Einbruch vor, aber DO läuft nun mal unter SF


    Aber ich weiss am ende noch immer nicht, was die in der widmung erwähnte Streitfrage zwischen MZB und Tanith Lee ist..


    Ödit: wiki spricht: http://en.wikipedia.org/wiki/Tanith_Lee


    Gibts Läuterung? nutzt es ein böser mensch zu sein, um am ende seines lebens zu beichten und tiefere einsicht zu haben und in den himmel zu kommen? - Ich halt die idee ja für schräg, aber für prinzipiell christlich... mir fällt grad der Selbstsüchtige Riese ein, der hat dem Jesuskind auf den baum geholfen und ist glücklich gestorben...
    Die einsicht sollte relativ früh kommen, und ich denk nciht, dass wenige gute jahre am schluss viele schlechte jahre vorher aufwiegen... aber es scheint die schlechten jahre und die daraus folgende einsicht zur schaffung guter jahre zu brauchen...
    wenn man jünger ist, ist man eher von sturm und drang und rücksichtslosigkeit gegenüber sich selbst und anderen geprägt... wenn man im laufe seines lebens müder und ruhiger wird, setzt irgend wann mal die altersmilde und altersweisheit ein... - sofern man die wilde jugend überlebt hat; insofern ist das buch eher ein buch darüber, wie ein teenage deliquent gezähmt wird: so alt sind ja weder Paul noch Bard, bei beiden geht das noch als jugendtorheit durch, nur beim rücksichtslosen, machthungrigen Rafael Asturien, der dahinter die fäden zieht, nciht mehr - aber auch er ist 'versöhnt' gestorben, als er versuchte seinen sohn mit dem eigenen körper zu schützen, obwohl er ihn für einen schwächling und ein krüppel hielt, und ihn über lang höchstwahrscheinlich mit Bard ersetzen wollte...


    ich kenn leider zu wenige andere - indische - chinesische geschichten, um das zu beantworten, ob das nur ein kulturelles bedürfnis von unsereins ist, oder eine allgemeine beobachtung, dass man erst hinterher klüger ist, wenn alles zerstört ist, was gut und schön war (oder was man dafür gehalten hat) ... könnt sein, dass es allgemein menschlich ist...

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Hm... grad fällt mir das Mahabharata ein: da werden die fünf söhne auch erst im nachhinein klug, nachdem die erste katastrophe schon passiert ist...
    das hindert sie aber nciht einen 'gerechten' erbschafts-krieg mit massenhaft toten loszubrechen...
    Mahabharata-Playlist

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Zitat

    Original von MagnaMater
    SiCollier :
    Du wolltest Bard ncoh am schluss töten... :wow du wirst ja plötzlich so brutal, cih kenn dich gar nciht mehr wieder!


    Ich mich auch nicht! Es ist sehr, sehr lange her (wenn es überhaupt schon mal so war), daß ich so auf einen Hauptcharakter reagiert habe.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Stimmt schon, er ist extrem testosteronschwanger... und meine erste reaktion war, ihn auch zu killen, aber dann hab ich ihm mit heimtückischer freude zugesehen, wie er mittels seines ehweibes matrix zur einsicht kommt... nein, ich mag die geschichte... :grin

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

  • Dieser Band hat mir sehr gut gefallen. Auch die charakterliche Entwicklung vieler Figuren (wenn auch z.T. durch Laran bewirkt) fand ich gut erklärt.
    Das Happy End kommt mMn etwas zu schnell, mir wäre etwas mehr Handlung zwischendrin recht gewesen. Es ist schön, daß sich alles (passend zur bisherigen Geschichte) auflöst; Melora und Bard sowie Melisandra und Paul können miteinander glücklich werden, Carlina findet ihre Erfüllung, Geremy und Bard schließen Frieden miteinander. Alles in allem scheint mir, daß auch wichtige Grundsteine für die Zukunft gelegt werden, wie die Zusammenlegung der beiden Frauenorden.
    Dieses Buch werde ich mir mit Sicherheit auch irgendwann nochmal genauer zu Gemüte führen, wenn ich mich im Darkover-Universum besser auskenne.


    Und jetzt freue ich mich auf den nächsten Band, auch wenn es dort wieder um andere Leute geht. Ich finde es schade, daß immer so viele Jahre zwischen den Bänden vergehen, ich würde gerne lesen, was da so alles passiert.

  • Zitat

    Und jetzt freue ich mich auf den nächsten Band, auch wenn es dort wieder um andere Leute geht. Ich finde es schade, daß immer so viele Jahre zwischen den Bänden vergehen, ich würde gerne lesen, was da so alles passiert.


    das wird sich jetzt dann ändern. Nach den Erben von Hammerfell vergehen noch einmal 600-800 Jahre, und ab Rediscovery geht es dann Schlag auf Schlag... :-)


    Zitat

    Alles in allem scheint mir, daß auch wichtige Grundsteine für die Zukunft gelegt werden, wie die Zusammenlegung der beiden Frauenorden.


    das siest du absolut richtig. Auch der Vertrag von Varzil ist entscheidend für die Geschichte Darkovers!

  • Heute habe ich an Bard denken müssen. Ich weiß, das klingt vielleicht etwas makaber, ist aber so. Und zwar findet sich in der heutigen Print-Ausgabe der WELT auf Seite 8 im Rahmen eines Artikels über das Gerichtsverfahren Josef Fritzls folgendes:


    Auf die Frage der Richterin, was seinen Sinneswandel ausgelöst habe (daß er ein Geständnis ablegt), antwortet Fritzl:
    “Ich habe mir nie vorgestellt, dass sie das so erlebt hat. Mein grauenhaftes Verhalten hat mich nicht schlafen lassen.“


    (< Klick > - da ist die Onlineversion des Artikels.)


    Das war doch fast dasselbe was Bard sagte, als Carlina ihm die Augen öffnete.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich schon wieder, der diese alte Leserunde hochholt. :rolleyes


    Ohne jetzt hier alles gelesen zu haben, vielleicht wurde es schon mal erwähnt: derzeit lese ich die Aufsätze in dem Buch "Die Welt der Marion Zimmer Bradley: Retter des Planeten". Einer davon heißt "Die Frauen bei Marion Zimmer Bradley" von Uta Enders-Dragässer und Brigitte Sellach. Darin geht es u. a. auch um Bard und dessen Ende bzw. Läuterung. Das erinnert mich etwas an das, was Grisel früher dazu geschrieben hat, und so gesehen, war es vielleicht doch das richtige Ende für das Buch.


    Ich habe das Buch < hier > im Rezithread auch (mit Inhaltsverzeichnis) erwähnt. Eine Coverabbildung lade ich später dort noch hoch.
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")