Craig Clevenger - Der geniale Mister Fletcher

  • Titel: Der geniale Mister Fletcher
    Originaltitel: The Contortionist’s Handbook
    Autor: Craig Clevenger
    Verlag: Aufbau Taschenbuch
    Erschienen: August 2008
    Seitenzahl: 314
    ISBN-10: 3746624320
    ISBN-13: 978-3746624327
    Preis: 8.95 EUR


    Worum geht es in diesem Buch?
    Ein Mann, in dessen Pass der Name Daniel Fletcher steht, wird in Los Angeles ins Krankenhaus eingeliefert. Der Mann hat eine Überdosis Schlaftabletten im Bauch, nachweislich Kokain und Marihuana im Körper – und eine ganz harmlose Geschichte zu erzählen. Doch nichts ist normal an ihm. Er hat einen überzähligen Finger und zahllose Gesichter. Er ist hochkriminell, eiskalt und genial. Doch er ist kein Killer, kein Hedonist, kein Parasit. Er ist ein famoser Fälscher, ein Verrenkungskünstler, der sich jedem Zugriff entziehen kann. Aus einem verborgenen Grund hat er diese Überlebensstatik perfektioniert. Nun allerdings muss er sich einer psychiatrischen Untersuchung stellen und ewigen Gewahrsam fürchten. Auge in Auge kämpft er gegen einen ebenso genialen Psychiater. Doch er muss freikommen, denn nicht nur sein Leben steht auf dem Spiel. Es ist seine Freundin Keara, die er retten muss.


    Der Autor
    Craig Clevenger wurde in Dallas, Texas, geboren und wuchs im südlichen Kalifornien auf, wo er Englisch an der California State University, Long Beach, studierte. Er ist ausgiebig gereist und hat in Dublin und London gelebt. Enttäuscht zog er sich aus der High-Tech-Branche zurück, um Schriftsteller zu werden. Er lebt in Santa Barbara, Kalifornien, und arbeitet an seinem zweiten Roman.


    Meine Meinung
    Es ist kein Krimi und auch kein Psycho-Thriller. Craig Clevenger hat vielmehr einen sehr vielschichtigen Roman geschrieben, der an einigen Stellen durchaus ein klein wenig an John Irving erinnert. Seine Figuren zeichnet er mit klaren und harten Konturen, lässt ihnen kaum Spielraum. Diese Bestimmtheit machen das Buch zu einem echten Leseerlebnis. Daniel Fletcher kämpft weniger gegen den Psychiater als vielmehr gegen sein echtes Ich. Ein wenig scheint er auf der Suche nach sich selbst, einem Selbst das durch viele andere Identitäten wie verschüttet erscheint. Für Chuck Palaniuk, Autor des „Fight Club“ ist dieses Buch „als das mit Abstand beste Buch welches er in den letzten Jahren gelesen hat“. Soweit würde ich vielleicht nicht eingehen, aber es gehört in jedem Falle in die qualitätsmässig oberen Regionen der von mir gelesenen Bücher. „Der geniale Mister Fletcher“ hebt sich wohltuend von dem Mainstreambrei der literarischen Neuerscheinung ab. Kein alltägliches Buch, ganz und gar nicht, ein Buch eben, dass sich schon ein wenig aus der Masse erhebt. Empfehlenswert.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich glaube, ich bin mit falschen Erwartungen an das Buch herangegangen. Irgendwie dachte ich, der Autor zeigt uns einen gewitzten Kerl, der dauernd aus seinen verschiedenen Existenzen verschwindet. Zudem verspricht der Klappentext ein kleines Duell mit einem genialen Psychologen.


    Zwar verschwindet der Hauptdarsteller wirklich immer in andere Namen und Biografien, aber nicht in der Art, wie ich es dachte. Er flieht aus keinen Abenteuern. Johnny (oder Daniel oder Eric, je nach dem), erzählt uns, dem Leser, wie er zu dem wurde was er war. Zwar sitzt ihm auch ein Psychologe gegenüber, den er austricksen muss. Der aber hat in keiner Weise geniale Züge oder er liefert sich gar ein Duell mit ihm. Diese Sitzung ist eigentlich nur die Klammer für Johnnys Lebensgeschichte. Aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen mit schwierigen Eltern, erkennt niemand seine Hochbegabung für Mathematik. Zudem hat er eine körperliche Anomalie, die ihn zum Gespött der Mitschüler macht. Er hat Spaß daran, Formulare und dergleichen nachzumachen, und schnell erkennen die richtigen bzw falschen Leute, wie sie sich dieses Fälschertalent zunutze machen. Aber auch Johnny weiss das für sich zu nutzen. Geplagt von heftigsten Migräneattacken schluckt er bei einem Anfall wahllos Tabletten, die ihn regelmässig in die Klinik bringen und dem in den USA meldepflichtigen Verdacht eines Selbstmords bringen. Johnny stellt sich diesen Problemen nicht, er flieht in einen anderen Namen und eine andere Biografie. Er hat eigentlich nur ein Problem, und zwar mit sich selber. Seine Talente nutzt er nicht zu seinem Vorteil, es sei denn, um seine Identitäten zu wechseln. Aber auch er trifft seinen Meister, allerdings ist es nicht der Psychologe.


    Wie ich schon sagte, hab ich wohl eine andere Erwartung gehabt. Deswegen ist das Buch nicht so wirklich an mich gegangen, ich hab mich auch nur mässig unterhalten gefühlt von den Berichten zum Verschwinden. Zu sehr ist es auf die USA zugeschnitten. Johnny hat mich nicht besonders berührt oder beeindruckt, da ich seine offensichtliche Schwäche, sein Leben in den Griff zu kriegen, nicht besonders sympathisch fand, aber auch nicht berührend.
    Clevenger schreibt rasant und flott, deswegen las es sich schnell runter. Aber es ist kein Buch, das ich weiterempfehlen oder gar behalten würde.

  • Mit "Der geniale Mr. Fletcher" ist Craig Clevenger ein wirklich fesselndes und innovatives Erstlingswerk gelungen. Erzählt wird die Geschichte des John Vincent, der circa alle sechs Monate von heftigen Migräneattacken heimgesucht wird, die er mit unkontrolliertem Tablettenkonsum zu bekämpfen versucht. Und auch ansonsten ist der gute Mann diversen Substanzen gegenüber nicht abgeneigt. Diese Migränebekämpfungsversuche enden für John, der über einen vollständig ausgebildeten, überzähligen Finger an seiner linken Hand verfügt, regelmäßig in der Notaufnahme eines Krankenhauses und anschließend in einem Gespräch mit einem psychologischen Gutachter, der überprüfen soll, ob dem erhöhten Tablettenkonsum ein Suizidversuch zugrunde lag. Um in diesem Zusammenhang als unbeschriebenes Blatt in Erscheinung zu treten, sieht John sich gezwungen, immer wieder neue Identitäten zu kreieren und anzunehmen. Und John ist ein wahrer Meister seines Fachs.


    Während Vincent dem psycholigischen Gutachter, der ihm nach seiner letzten Krankenhauseinlieferung unter die Lupe nehmen soll, nur teilweise wahrheitsgemäß antwortet und ansonsten auf ein selbst erstelltes Lügenkonstrukt zurückgreift, wird dem Leser stückweise die wahre Lebensgeschichte des John Vincent offenbart - und die ist alles andere als langweilig oder eintönig. Sehr interessant fand ich zudem die bis ins kleinste Detail geschilderten Arbeiten, denen Vincent in äußerster Gründlichkeit nachzugehen hat, um die perfekte Identitätsfälschung hinlegen zu können. Wie gesagt, Vincent ist ein Meister seines Fachs.


    "Der geniale Mr. Fletcher" ist ein absolut lesens- und empfehlenswertes Buch, das ich insbesondere den Freunden der Werke von Palaniuk ans Herz legen möchte, dem dieses Buch offensichtlich auch außerordentlich gut gefallen hat ("Bei Gott, das ist mit Abstand das beste Buch, das ich in den letzten Jahren gelesen habe"). Aber auch all jenen, die grundsätzlich Spaß an außergewöhnlicher Literatur haben, sie dieses Buch wärmsten empfohlen.

  • Ich habe etwas länger an dem Buch gelesen, weil es nicht unbedingt ein Buch ist, was man schnell durchlesen ,,muss", im Sinne von ,,wie gehts denn jetzt weiter..". Zeitweise war es ein Geplätscher von Ideen für die nächste Lüge, mich hat das zwischendurch äußerst genervt, weil es keine, wie der Klappentext versprach, genialen durchdachten Ideen sondern ein, wie hier schon jemand anderes schrieb, Davonlaufen vor seinen Problemen. Der Protagonist wird einem nicht sympathisch, weil man beeindruckt von seinen Talenten ist, sondern wir erleben hier eine Person, die sich von einem Problem ins nächste katapultiert. Das ganze bestückt mit Kokainverherrlichung und Medikamentencocktails.


    Da ich das Buch aber nicht grundlegend schlecht bewerten möchte, kann man durchaus noch erwähnen, dass hin und wieder auch die Ursache seines Handelns beleuchtet wird. Das widerum macht vieles etwas verständlicher, man kann ansatzweise nachvollziehen, warum er wie reagiert. Zwischendurch hätte ich mir die ein oder andere positive Wendung für ihn gewünscht, aber das ist ja auch eher eine Frage des Lesers, wie man soetwas bewertet.


    Den Schreibstil des Autors ist im übrigen äußerst positiv zu erwähnen, da er zum Protagonisten absolut passend gewählt ist.