Yeager (Rimrunners)/C.J. Cherryh

  • Deutsch: Yeager
    Englisch: Rimrunners


    Wieder mal ein selten dämlicher “deutscher” Titel. Das ist der Nachname der Heldin, klingt aber, ohne das Buch zu kennen, genauso fremd, wie der Originaltitel, was mir relativ sinnlos erscheint.


    Inhalt:
    Bet Yeager war eine Marine auf dem Flottenschiff „Africa“, bis sie im Krieg zwischen Erde und Union von ihrem Schiff getrennt wurde. Da die Flotte, nach ihrem Anführer Mazian „Mazianni“ genannt, während des Krieges in die Piraterie abgedriftet ist und jetzt von Union wie Alliance (dem Verbund der freien Händlerschiffe) erbittert gejagt wird, darf niemand ihre Herkunft erfahren. Sie würde sich ihrem Schiff gerne wieder anschließen, doch das einzige, das an der gottverlassenen Station, auf der sie gestrandet ist, rechtzeitig andockt, um sie vor einer zweifachen Mordanklage zu bewahren, ist die „Loki“, ein Alliance-Schiff. Bet wird in die raue Mannschaft aufgenommen und beweist zwar nicht ihren Verstand, aber ihre Menschlichkeit, indem sie sich als Gefährten ausgerechnet den verrückten und von allen verachteten Ramey, genannt NG (von „no good“) aussucht und versucht, ihm zu helfen.


    Autorin:
    Caroline Janice Cherry(h), geboren 1942 in St. Louis, Missouri, hat seit den 1970ern mehr als 50 Science Fiction- und Fantasy-Romane und –Erzählungen geschrieben, darunter auch drei Hugo-Award-Gewinner.
    siehe hier:
    Cherryh bei Wikipedia.de


    Meinung:
    Ich weiß nicht, wie Cherryh das macht, aber sie schreibt genau auf meiner Wellenlänge. Von diesem Buch war ich von Anfang an verzückt und habe es genussvoll verschlungen.
    Interessant und spannend ist es auch noch. Selbst wenn die Spannung bis gegen Ende weniger aus Weltraumaction besteht, sondern mehr darin, wie Bet mit dem üblen Haufen auskommt, der die „Loki“ bemannt, was aus ihr und NG wird und ob ihre Herkunft je aufgedeckt wird.


    Außerdem liefert es einen hübschen Einblick in das Leben und den Dienst auf einem Schiff, das irgendwas zwischen Militär, Söldnern und Piraten ist. Den Unterschied macht letzten Endes weniger das zugrunde liegende Ziel aus, sondern die Menschen, die man Freunde und Kameraden nennt. Interessant ist auch, dass Bet im Gegensatz zu sonstigen SF-Heldinnen dieses Subgenres keine Offizierin ist und wenn, dann eher gefährliche Begegnungen mit der Führungsriege hat.


    Interessant ist auch, dass wir hier nach „Tripoint“ zum zweiten Mal einen nicht ganz so negativen Blick auf die Mazianni bekommen. Es wird kein Zweifel daran gelassen, dass sie in ihrer Gesamtheit gefährliche Piraten sind, jedoch mag es an Bord mehr Menschen wie Bet Yeager geben, die man vielleicht nicht gerade zu einem Kindergeburtstag einladen würde, die aber grundsätzlich ein guter Mensch ist. Und nur der Zufall hat sie auf die „Loki“ statt zurück auf die „Africa“ – oder durch eine Luftschleuse – geführt.


    Die größte Stärke des Buches ist Bet selbst und ihre Beziehung zu NG. Die lässt doch jedes romantisch denkende Herz höher schlagen! Nicht. Aber, sie wirkt in ihrer Eigenartigkeit auf mich weit berührender und echter, als so manche andere Romanbeziehung. Interessant ist, dass Cherryh dieses Motiv der starken Frau mit dem etwas angeschlagenen Mann nicht zum ersten Mal verwendet. Es hat etwas für sich, vor allem, weil ich ihre starken, aber nicht überstarken, Frauenfiguren wie Bet ausgesprochen gern mag, was bei mir nun wirklich selten ist. Zu meinem Kindergeburtstag würde ich sie also vielleicht schon einladen.


    Das war das letzte der Cherryh-Bücher, die im Alliance-Union-Weltraum spielen, das mir noch gefehlt hat. Wie schade, dass hier schon lange nichts neues mehr nachgekommen ist. Ein Buch ganz aus Sicht eines Mazianni-Schiffs, das wäre mal reizvoll. Aber bis dahin bleiben mir die alten erhalten und ich gönne mir nun das grenzenlose Vergnügen meinen Liebling, „Tripoint“, endlich zum zweiten Mal zu lesen.

  • Ich hätte ja ein schlechtes Gewissen, weil ich hier ein Buch vorstelle, das sowohl Deutsch als auch Englisch OOP ist, aber, was soll's. Ich hatte unfassbare Lust, darüber zu schreiben. Und dank abebooks, marketplace & Co ist das ja alles kein Problem mehr.


    Hier die englische Ausgabe, die ich gelesen habe.

  • Liebe Grisel!


    Danke für die tolle Rezension. Nach "Pells Stern", das zwar mühsam, aber sehr faszinierend zu lesen war, habe ich mich gleich mit ein paar Cherryh Büchern eingedeckt, da sie ja recht preiswert SH zu bekommen ist. Dieses ist auch dabei. :-]


    Welches sollte ich denn jetzt als nächstes lesen, wenn ich noch etwas im Alliance-Union-Universum verweilen und dabei möglichst chronologisch vorgehen möchte?

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Weißt eh, Du bist schuld, daß ich wieder auf dem Cherryh-Trip bin. :-]


    Zitat

    Original von Siorac
    Welches sollte ich denn jetzt als nächstes lesen, wenn ich noch etwas im Alliance-Union-Universum verweilen und dabei möglichst chronologisch vorgehen möchte?


    Die chronologisch ersten, noch vor dem Krieg spielenden sind:
    Heavy Time
    Hellburner


    Aber die würde ich jetzt nicht empfehlen, weil Du Cherryh sonst vielleicht wieder verlässt, da vor allem "Heavy Time" eher, ja, heavy ist. "Hellburner" ist genial, schließt aber direkt an das an.


    Bei den anderen weiß ich nicht so genau, wie sie zeitlich einzuordnen sind.


    "Finity's end" spielt in der Umbruchszeit, quasi die erste Generation nach dem Krieg und liefert einen schönen Einblick in das Kernstück der Alliance-Bücher, die Familienschiffe.


    Genauso, aber sehr viel dünner und einfacher, "Merchanter's luck".


    Und über "Tripoint" und "Yeager" habe ich mich ja schon ausgelassen. :-]


    Ich lese, wie gesagt, jetzt voller Freude mein geliebtes "Tripoint".


    Gut sind sie alle. Könnte wirklich mehr davon geben.

  • Zitat

    Original von Grisel
    Weißt eh, Du bist schuld, daß ich wieder auf dem Cherryh-Trip bin. :-]


    Das bin ich gerne, denn Du bist schuld, dass ich überhaupt auf sie (wie auf einige andere auch) gestoßen bin und in der Folge so ca. die Hälfte aller ihrer Bücher präventiv bestellt habe. :grin


    Allerdings aus Kostengründen nach Berlin, wo ich sie bei meinem nächsten Aufenthalt Anfang Mai mit vielen anderen Büchern in Empfang nehmen werde.


    Zitat

    Aber die würde ich jetzt nicht empfehlen, weil Du Cherryh sonst vielleicht wieder verlässt, da vor allem "Heavy Time" eher, ja, heavy ist. "Hellburner" ist genial, schließt aber direkt an das an.


    Danke für die Warnung, denn mit „Schwerkraftzeit“ hätte ich wohl weiter gemacht, da ich irgendwo gelesen habe, das wäre quasi der Anfang. Jetzt werde ich wohl eher zu „Kauffahrers Glück“ greifen. Hoffe die Verwirrung hält sich in Grenzen.


    Was ist denn an „Heavy Time“ so arg?


    Ich hoffe ja ehrlich gesagt, dass sich andere Bücher von ihr noch etwas flüssiger lesen. Aber mit ihren Personen und Geschichten hat sie mich schon ganz gefangen, mit ihrem Stil noch nicht ganz...

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Siorac ()

  • Zitat

    Original von Siorac
    Das bin ich gerne, denn Du bist schuld, dass ich überhaupt auf sie (wie auf einige andere auch) gestoßen bin und in der Folge so ca. die Hälfte aller ihrer Bücher präventiv bestellt habe. :grin


    Wow, Dein armes Konto! Ich besitze aktuell 35 Cherryhs.


    Zitat

    Hoffe die Verwirrung hält sich in Grenzen.


    Ich glaube, mit "Downbelow Station/Pells Stern" hast Du eine gute Grundlage.
    Ich bin bei sowas auch recht eigen, mich stört es, wenn mich ein Buch in seinen Bann zieht, nicht wirklich, wenn ich von den Hintergründen eher Bahnhof verstehe. Im Lauf der Zeit kriegt man dann schon ein deutlicheres Bild.
    "Kauffahrers Glück/Merchanter's luck" ist ein recht geradlinieges Buch, ohne größere politische Hintergründe, soweit ich mich erinnern kann.


    Zitat

    Was ist denn an „Heavy Time“ so arg?


    Es hat sich ein bißchen mühsam gelesen, wirkliches Leben kam erst gegen Ende, wo sich wie meistens alles überstürzt hat. Und Du wirst ja wohl nicht meinen Vorteil haben. :grin Denn wie anderswo gesagt hält Cherryh den Titel der AutorIn, die die meisten Figuren geschaffen hat, nach denen ich so richtig verrückt bin. Und in "Heavy Time" und "Hellburner" ist das der wunderbare Ben Pollard. Der würde Dich wohl nicht bei der Stange halten, weil er ein ziemliches A... ist. Hach! Zumindest "Hellburner" muß ich auch bald noch mal lesen. Oder doch auch "Heavy Time" vorher.


    Zitat

    Ich hoffe ja ehrlich gesagt, dass sich andere Bücher von ihr noch etwas flüssiger lesen. Aber mit ihren Personen und Geschichten hat sie mich schon ganz gefangen, mit ihrem Stil noch nicht ganz...


    Das ist wohl der Knackpunkt zwischen Dir und ihr. Es ist bei den meisten dickeren Cherryhs bei mir auch stets ein Durchbeißen gewesen, aber sie hat für mich das gewisse Etwas, daß das für mich trotzdem keine Qual ist, sondern eher freudige Erwartung. Ich kann mich trotzdem nicht losreißen. Das schaffen nicht viele Autoren.
    Ich hoffe nur, Du freundest Dich mit ihr an, sonst hätte ich ein leichtes schlechtes Gewissen.

  • Rimrunners, eingebettet in das Allicance-Union-Universum, ist, wie eigentlich jedes Buch von ihr, stark Charakterlastig. Sie schafft es durch die Interaktion in jedem Buch, dass gar keine actionlastige Handlung vermisst wird, und wenn die Action dann doch kommt, umso besser. Im Gegensatz zu den anderen von ihr gelesenen Büchern hat es Cherryh hier allerdings leider nicht geschafft, mich ganz in ihren Bann zu ziehen.


    Es ist zweifellos ein gutes Buch, die Loki ist ein faszinierendes Schiff und eine andere Seite als bisher. Aber eine klare Seitenteilung in gut und böse gibt es bei Cherryh eh nicht. Die gesamte Stimmung im Buch ist relativ düster, was mich normalerweise nicht stört, aber hier kommt gar keine Entspannung zwischendurch auf. Das fängt mit der Trostlosigkeit auf Thule an und wird auf der Loki nur weitergeführt.

    Vielleicht ist es auch dieser Umstand, aber mit Bet Yeager konnte ich mich das gesamte Buch über nicht richtig anfreunden, und auch NG fand ich sehr schwierig. Und wenn die beiden Hauptcharaktere nicht fesseln, wird das Gesamtleseergebnis schwieriger. Cherryh arbeitet auch viel mit Sex als Interaktion zwischen den Crewmitgliedern, was eine neue Herangehensweise ist. Wobei sie dabei aber dankenswerterweise nicht in zweitklassige Schmierentheater abrutscht. Im letzten Drittel hatte ich mich vielleicht an die Charaktere gewöhnt, da wurde es besser, vielleicht liegt es aber auch daran das der rasante Höhepunkt aufgebaut wurde.


    Was ich aber sehr gut gelungen finde an Rimrunners ist die Tatsache, dass fast durchgehend nur der Wissensstand der Crew vorliegt, da die Entscheider so gut wie gar nicht vorkommen, sondern fast ausschließlich aus Crew-Sicht geschrieben wird. Dadurch bleibt vieles diffus und überraschend, das ist hervorragend. Und eine schöne Abwechslung zu den anderen Büchern aus dem Universum.


    Insgesamt gesehen ist Rimrunners für Cherryh-Liebhaber also auf jeden Fall ein gutes Buch, viele tolle Szenen, liebgewonnene Nebencharaktere (z.B. Bernstein, Ely, Nan), wie immer überzeugende Interaktion der Charaktere untereinander. Von den bisher gelesenen ist es aus meiner Sicht zwar das schwächste, Merchanter's Luck oder Tripoint würde ich auf jeden Fall vorziehen, da auch bei diesen intensiv das Untereinander auf den Schiffen wichtig ist, ohne das es um zuviel Politik geht. Wer die schon kennt, soll ruhig mit Rimrunners weitermachen :)