Ursprünge der Bibel - Historisch

  • Hallo,


    ich bin prinzipiell nicht besonders christlich (getauft, konfirmiert, aber nicht "ausführend" ;)), aber interessiere mich dennoch für deren Ursprünge und Kultur.


    Kann mir jemand helfen einen kleinen Überblick über die Werke zu verschaffen, aus denen die heutige Bibel(n) entstanden ist?
    Auch suche ich nach möglichst authentischen Übersetzungen in das Deutsche (also orientiert an möglichst alten Texten, Wissenschaftliches Team - Hochschulforschung eindeutig bevorzugt)


    Soweit ich das bisher verstanden habe:


    Die Septuaginta ist die griechische Übersetzung der Jüdischen Bibel (nehme also an der Tora, oder gibt es da noch mehr?), die heutzutage noch von griechischen Orthodoxen verwendet wird und auch im Vatikan bis vor 1000 Jahren, bis dann noch eine lateinische Übersetzung zusätzlich zu rate gezogen wurde.


    Im Prinzip sind dieses die Werke, auf die altes und neues Testament bauen, nur mit "Umstrukturierungen".


    Das "Ursprünglichste" Werk (also ohne 2-3 Übersetzungs Schritte) wäre somit die Tora.


    Sehe ich das richtig?


    Freue mich sehr auf Eure Antworten!! :)


    edit: Wenn wer ganz lieb ist wäre ein gaaaanz grober Abriss über Unterschiede: Tora - altes - neues, super! Muss aber nicht wenn zuviel Aufwand. Das Jesus im neuen auftaucht weiß ich grade noch :) Aber ich habe keine komplett gelesen und wollte das mal nachholen. Die Unterschiede Tora - altes Testament sind dann eher minimal?


    edit2: Um es noch mal kurz und knapp auszudrücken (neige zum schwafeln.. ;)): Ich möchte eine Bibel lesen, muss aber entscheiden, welche für mich die richtige ist. "Gute Nachricht" oder sowas kommen für mich halt überhaupt nicht in frage.


    Ich bin generell eher wissenschaftlich veranlagt und interessiere mich für eine möglichst ursprüngliche Fassung mit historischem aber auch religiösem Interesse. Die heutige Bibel ist ja leider mehrfach übersetzt und Teile wurden raus genommen etc. etc.

  • Zitat

    Original von Nikana
    Da es sich nicht um eine Rezension handelt, habe ich den Thread in "Allerlei Buch" verschoben.


    Hups, noch neu hier :)


    Grad noch ein wenig recherchiert... ich denke ich suche eine Übersetzung einer möglichst alten Version des Tanach. Wieder eher wissenschaftlicher Anspruch etc.

  • hisDudess


    bei der 'Bibel' kommst Du mit der Frage nach einem ursprüngliche Text leider nicht zum Ziel, es gibt nämlich keine zugrundeliegende Urfassung. Jeder einzelne Text hat eine recht verwickelte Überlieferungsgeschichte, mit Zusätzen, Auslassungen, was immer.


    Jede Zusammenstellung der Texte, egal, ob Tanach oder Altes Testament, ist wiederum 'Interpretation', weil den jeweiligen geltenden gesellschaftlichen, kulturellen, (kirchen)politischen Bedingungen unterworfen. Die Frage, weclhe texte zum Kanon gezählt werden, welche aufgenommen werden, welche Reihenfolge sie haben, häbngt auch davon ab.


    Das Gleiche gilt für die bestehenden Übersetzungen. Es gibt keine Übersetzung ohne Deutung.


    Wenn Du Dich gar nicht auskennst, suchst Du Dir am besten eine moderne kommentierte Ausgabe. In den Kommentaren findest Du dann die Überlieferungsgeschichte, die Übersetzungsgeschichte und die Deutungen.
    Du mußt Dich nur entscheiden, mit welcher Version Du beginnst.


    Jüdisch
    Katholisch
    Evangelisch
    Reformiert




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Vielen Dank schon mal für die Antwort.


    Ich suche halt nach dem möglichst ursprünglichen Text. Es muss ja ein Werk geben, nach dem sich die anderen richten und davon suche ich halt den ältesten der erhalten ist, bzw. den, der möglichst wenig verfälscht ist.


    Von welcher Religion er stammt ist mir im grunde egal.


    Zur Übersetzung: von der Septuaginta habe ich bereits eine Version gefunden, die von 42 Hochschulmitarbeitern übersetzt wurde, die meisten davon haben mindestens einen Doktor Titel und sämtliche passagen wurden von mehreren Leuten parallel übersetzt und erheben den Anspruch Philogisch und Inhaltlich so korrekt wie möglich zu sein.


    So etwas suche ich halt und eher weniger die von den Religionen "abgesegneten" Versionen.

  • Nein, es gibt kein Gesamt-Werk nach dem sich die anderen richten. Das ist eines der Probleme.


    'Verfälscht' ist auch nicht ganz richtig. Weil es keine 'richtige' Version gibt. Es gibt nur viele Überlieferungen in ganz unterschiedlichem Zustand.


    Wenn Du die Übersetzung der Septuaginta schon gefunden hast, dann lies die.
    Das ist die erste Übersetzung des Tanach, es gibt keine ältere.


    Ansonsten eben die modernen kommentierten Ausgabe. Die Kommentare stammen von WissenschaftlerInnen mit ganz, ganz vielen Doktor-Titeln, da kannst Du ganz beruhigt sein.
    Allerdings sie sie auch TheologInnen, d.h. den Interpretationen ihrer jeweiligen Glaubensrichtung unterworfen.
    Insofern ist es egal, mit welcher 'Schule' Du beginnst.



    :wave


    magali

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    K. Kraus


  • Sorry wenn ich so blöd nachfrage (und damit evtl. nerve), aber wäre dann eine direkte Übersetzung des Tanach dann nicht "effektiver" als den Umweg über das griechische zu nehmen?
    Also hebräisch - deutsch anstatt hebräisch - griechisch - deutsch, wobei bei der Übersetzung ins griechische bereits viel geändert wurde, zumindest von dem was ich bisher gelesen habe.


    Ich glaube es dir durchaus, aber irgendwie bin ich schon seit längerem baff, dass es bei einem so wichtigen und ja auch oft kopierten Werk (selbst Moslems erkennen die alten Texte des Judentums, welche dann vom Christentum übernommen wurden, als Wort Gottes an) keine "nur gering modifizierte" Version gibt.


    Immerhin ist es ja nach dem Glauben der meisten zu großen Teilen das Wort Gottes. Wäre ich gläubiger Christ / Jude / Moslem würde ich ziemlich erbost darüber sein, dass es nur menschliche Interpretationen davon gibt. :) Ich möchte ja auch nicht unbedingt Kommentare lesen, sondern einen möglichst neutral übersetzten original Wortlaut.


    "Ansonsten eben die modernen kommentierten Ausgabe. Die Kommentare stammen von WissenschaftlerInnen mit ganz, ganz vielen Doktor-Titeln, da kannst Du ganz beruhigt sein.
    Allerdings sie sie auch TheologInnen, d.h. den Interpretationen ihrer jeweiligen Glaubensrichtung unterworfen."


    Naja, geht mir ja grad darum, dass es nicht unbedingt nen reines Theologen Team ist. Kann mir schwer vorstellen, dass quasi DAS wichtigste und eines der ältesten Bücher nicht auch von Historikern und Sprachforschern untersucht und übersetzt wird. Bei dem Projekt der Uni Koblenz, die die Septuaginta übersetzt haben waren es auch nur zum Teil Theologen. Da "stört" mich aber quasi auch schon die christliche Interpretation. (nicht des Teams, sonder der Septuaginta selbst.


    Irgendwie ist es in meinen Augen ein großes Problem, dass die Religion nichts mit Wissenschaftlichem Arbeiten am Hut haben möchte und die Wissenschaft nichts mit der Religion. Aber evtl. gibt es ja doch noch eine halbwegs historische Fassung oder etwas, was dem nahe kommt :)

  • hisDudess


    die Kommentare zu den Texten sind keineswegs nur theologischer Natur, sondern eben auch das, was Du suchst: historisch, philologisch. Sie enthalten die Überliefrungsgeschichte, Wortgebrauch, was immer.
    Schau sie Dir einfach mal an.



    Zitat

    Immerhin ist es ja nach dem Glauben der meisten zu großen Teilen das Wort Gottes. Wäre ich gläubiger Christ / Jude / Moslem würde ich ziemlich erbost darüber sein, dass es nur menschliche Interpretationen davon gibt. :) Ich möchte ja auch nicht unbedingt Kommentare lesen, sondern einen möglichst neutral übersetzten original Wortlaut.


    Ich weiß nicht, wen Du mit 'der meisten' meinst. Die meisten ChristInnen? Jüdinnen und Juden?
    Ja, klar enthält der Text für sie Gottes Wort. Deswegen bemühen sie sich seit zweitausend Jahren darum, herauszupfriemeln, was er mit seinen Worten meinte.
    Dafür gehen Juden in die Jeshiwa, dort studieren sie das.
    Jahrhundertelang taten sie das in der Originalsprache, auf hebräisch. Deswegen gab es keine Übersetzung des Tanach. Es war nicht nötig.
    Die erste Übersetzung für Juden ins Deutsche stammt von Moses Mendelssohn, aber er übersetzte nur die Tora und die Psalmen. Also sozusagen das Ta und das erste Buch des 'K'.
    Wenn Du das willst, lies Mendelssohn.


    Eine Gesamtübersetzung folgte erst ein paar Jahre später durch Ludwig Zunz. Auch die ist zu haben.
    Heute gibt es auch noch Buber/Rosenzweig, aber dabei ist zu bedenken, daß Du dann auch Buber zu lesen bekommst. Ist aber eine tolle Ausgabe.


    Was die christliche Seite betrifft, findest Du einige Übersetzungen und Teilübersetzungen von der Septuaginta aufwärts.
    Sehr, sehr wichtig ist dann Luther, aber da liest Du eben auch Luther.


    Für die katholische und reformierte Seite gilt Ähnliches.


    Insgesamt sitzt Du meines Erachtens einem Denkfehler bzw. der christlich-jüdischen Propaganda auf.
    Es handelt sich keineswegs um DAS wichtigste und eins der ältesten Bücher. Das gilt nur für die, die glauben, daß das Gottes Wort ist.


    Für alle anderen ist die Textsammlung von minderem Interesse. SprachforscherInnen, ArchäologInnen wie HistorIkerinnen haben noch jede Menge andere Quellen, die sie heranziehen. Und wichtigere.


    Zu den Moslems:


    die Texte des AT resp. Tanach haben für sie untergeordnete Bedeutung. Man teilt sich einige Persönlichkeiten, Abraham etwa. Oder Jesus.
    Aber schon die Frage, welche Bedeutung die Herrschaften einnehmen, wird sehr unterschiedlich beantwortet.
    Für die Moslems gilt der Koran. Der hat nun den unbestreitbaren Vorteil, daß ein Engel so nett war, ihn Muhammad zu diktieren, an einem Stück, sprachlich geschlossen. Deswegen enthält er weit weniger Rätselhaftes. Übersetzungen sind verboten.
    Okay, es gibt noch genug zum Streiten, aber um den Koran als Quelle kann man die Moslems im Vergleich zu Überlieferungs-Situation von AT/Tanach geradezu beneiden.



    :wave


    magali


    edit: Flüchtigkeitsfehler

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • ich empfehle bücher mit dem Titel: Einleitung in das Alte / Neue Testament.


    die sogenannte Einleitungswissenschaft nimmt detailliert auseinander, was zur Entstehungsgeschichte der biblischen Bücher zu sagen ist.


    ansonsten rate ich zum Studium der Ursprachen und der eigenen Lektüre... , falls Du nicht magalis Rat folgen magst und dich den Kommentaren anvertrauen möchtest. Allerdings sollte man da auch mehrere lesen.


    Fürs AT sieht es da allerdings eher mau aus, weil es kaum gute und einigermaßen aktuelle kommentare gibt. Fürs NT kann ich nur die Reihe der Evangelisch katholischen Kommentare empfehlen.


    An guten zeitgenössischen und genauen Übersetzungen empfehle ich: Elberfelder für genau, neues Leben für zeitgemäß und genau, Einheitsübersetzung für katholisch geprägt und genau und luther für sprachlich genial und in der Sache genau (wenn auch nicht im Wortlaut).

  • bei Tage einige Ergänzungen und begriffliche Klärungen:


    Die Thora
    ist einer von drei Teilen der sog. hebräischen Bibel. Das hebräische Wort Thora bedeutet Gesetz und bezeichnet normalerweise die Abschnitte, die im christlichen Kontext als die 5 Bücher Mose beschrieben werden. Daneben stehen in der hebräischen Bibel die Teile Nebiim und Ketubim - die Propheten (dazu gehören auch erzählende Texte, die vom Auftreten der Propheten erzählen) und die Schriften, (die Psalmen, das Buch Hiob, die Sprüche u.ä.) - Als Kurzwort für die hebräische Bibel hat sich daher auch Tenak (Tanach o.ä.) herausgebildet - es ist die zusammengefügte Abkürzung der drei Begriffe Thora, Nebiim und Ketubim. Im Christlichen Sprachgebrauch hat sich die Bezeichnung Altes Testament eingebürgert.


    Die hebräische Bibel ist auf hebräisch (und aramäisch) geschrieben und (bis heute) überliefert. Die Septuaginta (LXX) ist eine griechische Übersetzung einer bestimmten Überlieferungsform der alttestamentlichen Schriften, die im antiken - griechischsprachigen - Judentum Verbreitung fand. Die LXX überliefert somit einen bestimmten Entwicklungsstand innerhalb der Überlieferung der alttestamentlichen Schriften. Sie gilt als ergänzende / sekundäre Quelle.


    Heutige Übersetzungen orientieren sich in erster Linie am hebräischen Urtext - werden aber immer auch die griechische und lateinische Tradition mit bedenken.


    Wie gesagt, wie die einzelnen Teile der Bibel entstanden sind, wird - mit wissenschaftlicher Akribie und Metholdik - von der sogenannten Einleitungswissenschaft behandelt. Entsprechende Bücher sind ausreichend gedruckt.


    DEN möglichst ursprünglichen Text findest Du sicher wirklich nur, wenn Du hebräisch (denken) lernst. Was soll man heute zur Lektüre empfehlen? - Für das AT kommen sicher neben den klassischen Ausgaben der Bibel (s.o.) auch die wunderbaren Übersetzungen der Herren Buber und Rosenzweig in Frage. Zwei jüdische Gelehrte, die sehr nahe am hebräischen Denken übersetzen - uns sicher oft befremdlich, aber auch wieder sehr schön und tief.


    Für das Neue Testament empfehle ich einmal mehr: Ulrich Wilckens: Das Neue Testament übersetzt und kommentiert. Antiquarisch ist das auch sicher noch gut zu bekommen. Da ist der Text sehr gut lesbar dargeboten und gut historisch erläutert.


    edit: der grobe Überblick... altes neues etc.:


    Altes Testament = Tanach (s.o.) = Bücher um Moses, die Bücher der Könige, Propheten, Psalmen u.ä., entstanden ganz grob zwischen 2000 vor Christus in ersten mündlichen Traditionen, erste schriftliche Quellen ca. 800 vor Christus, jüngste Texte ca. 200 vor Christus.


    Das NT = vier Evangelien, Apostelgeschichte, Briefe des Paulus und anderer Autoren, Offenbarung des Johannes, entstanden zwischen (ca.) 50 n. Christus (2.Brief an die Thessaloniker / Markusevangelium) bis spätestens ca. 120 nach Christus (Johannesevangelium)

  • "Ich weiß nicht, wen Du mit 'der meisten' meinst. Die meisten ChristInnen? Jüdinnen und Juden?"


    Habe nur gelesen, dass einige Christen und Juden es nicht als Wort Gottes ansehen, andere wiederum schon. Daher schrieb ich "die meisten".


    Ansonsten nochmals Danke für die ausführlichen Antworten, ist ja ein ziemliches wirr warr mit unserer Religion ;).


    Sprache lernen und voll reinstürzen klappt aus zeitlichen gründen nicht (Studiere Ingenieurwesen, da passt Hebräisch nicht so toll rein, auch wenn ich dann meinen Kumpel in Israel mal gut überraschen könnte =)), auch wenn es mich interessieren würde.
    Ich werde mich noch ein wenig umgucken und dann wohl demnächst entscheiden.