'Kreis der Dämmerung' - Seiten 175 - 325

  • Mit Ankunft der Camdens in London gewinnt die Geschichte meiner Meinung nach wieder an Fahrt. Und Negromanus / Lord Belial bekommt einen richtig gruseligen Kurzauftritt (wobei es möglicherweise auch die Fantasie von Geoffrey war). Auf jeden Fall lief einem da echt ein kalter Schauer über den Rücken.


    Etwas nervig finde ich derzeit noch den regelmäßigen Blick nach Japan, bei dem ich manchmal nicht mehr so ganz durchblicke, wer da mit wem und warum (nur die Freunde von David kann man deutlich auseinander halten und ev. noch die Väter... Mit den Frauen etc. das verwirrt aber nur)


    Eins stört mich noch deutlich. Isau scheint regelmäßig dazu zu neigen, den Leser so halb anzusprechen. Zerstört meiner Meinung nach die Atmosphäre. Bisher das Negativhighlight ist folgende Passage gewesen:


    Zitat

    In diesem Zusammenhang muss nun ein Thema angerissen werden, das David einige schmerzvolle, wenn auch nicht gänzlich schädliche Veränderungen auferlegte. Jetzt soll von Westminster die Rede sein, genauer gesagt von der Westminster School.


    Ich finde gerade den letzten Satz übel. Das hätte man dem Leser auch stilistisch schöner beibringen können. Aber das ist eine Stilsache und hat - so scheint mir - nichts mit Isaus generellem Schreibstil zu tun, der stellenweise nämlich grandios ist...

  • Genial (S. 203)


    Zitat

    Da Angriff bekanntermaßen die beste Verteidigung ist, hatte die Schulbehörde daraufhin beschlossen ein schweres Geschütz gegen die sittliche Verwahrlosung aufzufahren: die Sexualerziehung. [...] ...verbarrikadierte sich Reverend Dr. Costley-White hinter seinem Schreibtisch, zeigte sein Standardlächeln und räusperte sich. Sodann gab er folgende kurze Erklärung ab: "Wenn ihr ihn anfasst, fällt er ab." Daraufhin durften die Jungen wieder ins Klassenzimmer zurück. Endlich waren sie für das Erwachsenenleben gewappnet.


    :lache :rofl :anbet

  • Waaa, es geht weiter, wie schön!! Dann werde ich mir gleich vor dem Einschlafen wieder das Buch schnappen!!! :-] :-]

    Neue Bücher riechen so gut - man kann am Geruch förmlich merken, wie schön es sein wird, sie zu lesen.
    [Astrid Lindgren: "Die Kinder aus Bullerbü"]

  • Zitat

    Original von Windhauch
    Eins stört mich noch deutlich. Isau scheint regelmäßig dazu zu neigen, den Leser so halb anzusprechen. Zerstört meiner Meinung nach die Atmosphäre.


    Ja, ich weiß, was Du meinst. Diese Stellen kommen öfter. Aber ich muss sagen, dass es mich eigentlich überhaupt nicht stört, sondern eher noch ein engeres Band zwischen mir und der Geschichte / dem Autor knüpft. Ich mag es immer ganz gerne, wenn der Leser in einem Buch angesprochen wird.


    Ich bin gestern nur bis Seite 179 gekommen, war so müde! :cry


    Jedenfalls gibt es einen deutlichen Bruch in der Handlung, denn Geoffrey ist ja völlig mit den Nerven runter und übergibt das Holzkästchen samt Tagebuch an Maggy, für den Fall, dass ihm etwas zustößt. Das fand ich natürlich sehr bedrückend.
    Dann tritt "Balu Dreibein" auf den Plan, den ich persönlich sehr gerne mag. Ich kann mich noch an meine erste Lektüre des Kreises erinnern, da war Balu für mich eine der Lieblingsfiguren. :anbet


    Diese Stelle hier fand ich interessant: (HC S. 179)


    "Balu Dreibein war nicht sonderlich gesprächig. Vielleicht wurzelte diese Schweigsamkeit ja in der Last seiner vielen Leben. Jedenfalls ging Balus wortkarge Ehrerbietigkeit David gehörig auf die Nerven. Bald entstand daraus eine natürlich bedingte Ignoranz, wie sie ja die meisten Leute ihren Schatten angedeihen lassen."


    Hier wird Balu mit Davids Schatten verglichen, und Negromanus ist Lord Belials Schatten. Das fand ich interessant, weil man es ja gleichsetzen kann mit dem Kampf Gut gegen Böse, David gegen Lord Belial, und Balu gegen Negromanus!!

    Neue Bücher riechen so gut - man kann am Geruch förmlich merken, wie schön es sein wird, sie zu lesen.
    [Astrid Lindgren: "Die Kinder aus Bullerbü"]

  • Sehr schöne Interpretation am Ende. Bin ich ehrlich gesagt gar nicht darauf gekommen. Die Übergabe des Tagebuchs war natürlich wirklich eine bedrückende Szene, aber da du den Kreis der Dämmerung ja schon einmal gelesen hast, weißt du ja, dass es dann auf den nächsten Seiten noch etwas bedrückender wird.


    War gestern Abend auch sehr müde und hab es nur noch auf Seite 230 geschafft. Werde heute aber wieder ein gutes Stück weiterlesen, denn nachdem David jetzt mehr und mehr das Heft in die Hand nimmt (Hand nehmen muss) ist schon fast wieder die Klasse des ersten Buches (Kapitels) erreicht.


    Ich habs ja schon mal erwähnt, von Negromanus / Lord Belial geht ein unheimlicher Grusel aus. Gerade weil er oft nur so da ist, aber nicht wirklich dazu kommt, etwas zu machen oder zu sagen.


    Das mit der direkten Ansprache ist so eine Sache. Habe ja schon erwähnt, dass ich es prinzipiell nicht so mag. Anders ist es, wenn ein ganzes Buch so konzipiert ist, das heißt, wenn es als ganz bewusstes Stilmittel eingesetzt wird. Ich möchte Herrn Isau da nicht zu nahe treten (denn sonst find ich seinen Schreibstil ja sehr ansprechend), aber ich bin mir nicht immer sicher, ob er wirklich bewusst an dieser Stelle die Ansprache wählt oder ob es für ihn einfach nur die vernünftigste Lösung ist, den Leser auf das vorzubereiten, was jetzt kommt.


    Für mich wirkt das allerdings immer so ein bischen, als ob ein Comedian auf der Bühne steht und mir sagt: Achtung, gleich kommt ein Gag. Das ist dann auch nur in den seltensten Fällen witzig ;-)

  • Ach ja, hab ich fast vergessen...


    Ich fand die Stelle genial, wo David Balu gezeigt hat, dass er auf sich alleine aufpassen kann. Erst will Balu ja nicht von seiner Seite weichen und diese stoische "Ja, Sihab" / "Nein, Sihab" / "Zu gefährlich, Sihab" nervt David ja ganz schön gewaltig.


    Ich hab mich fast auf dem Boden gekringelt, als David nach seiner Lektion, die er Balu erteilt hat, fragt: "Willst du mich immer noch rund um die Uhr beschützen." (sinngemäß, finde die Stelle gerade nicht) und er dann reumütig antwortet: "Zu gefährlich, Sihba"...


    Solche Dialoge liebe ich...

  • @cape und alle anderen....okay, entschuldigt... :grin


    Ich war schon weiter mit dem Lesen gekommen.


    Stimmt! In dem Alter kann man Männer noch als "süß" bezeichnen...;-)


    Ich werde auf Euch warten mit Weiterlesen...:-)


    LG
    Baumbart


  • @Windhauch...stimmt! Das mochte ich auch sehr gerne. David entwickelt seine Persönlichkeit langsam....:-)

  • Auf Seite 243 greift Isau ein Thema auf, das mich selbst schon das eine oder andere Mal in meinem Leben beschäftigt hat... Nachdem David das Tagebuch seines Vaters gelesen hat, erfährt er, dass die Zeitspanne seines Lebens als Jahrhundertkind genau vorbestimmt ist. Während wir uns vielleicht freuen würden, wenn uns jemand sagt, dass wir hundert Jahre alt werden, ist David entsetzt, dass er jetzt genau weiß, wann er sterben wird.


    Zitat

    Solange du den Tag deines Todes nicht kennst, lebst du in der Ewigkeit.


    Ein bewegender Satz, wie ich finde, in dem viel Wahrheit steckt.

  • Die Schilderung des Krieges der Briten und Franzosen gegen die Deutschen ist Isau meiner Meinung nach gut gelungen, weil sehr bedrückend...


    Folgende beiden Stellen haben mich irgendwie ziemlich getroffen (die zweite wirkt nur, wenn ihr die gesamte Kriegsberichterstattung gelesen habt), die erste spricht für sich...


    Zitat

    Vierhundertzwanzigtausend Briten und zweihunderttausend Franzosen hatten in weniger als fünf Monaten ihr Leben verloren. Aber auch vierhundertfünfzigtausend Deutsche. MIt diesem Preis hatten die Alliierten einen Fortschritt von sage und schreibe acht Kilometern erkauft. Welch ein Wucher! Ein Menschleben für sieben Komma fünf Millimeter.


    und später...


    Zitat

    Noch lange erzählte man sich in den Gräben von dem bedrückenden Bild: Vorne trug ein aschblönder Soldat einen Verletzten und hinten ein weißhaariger Jüngling einen zweiten Verwundeten. Zwischen ihnen liefen zwei andere, die Augen verbunden, die Hände jeweils auf die Schulter des Vordermannes gelegt. Ohne die Schutzmasken hatte David nicht mehr für die Erblindeten tun können. Ihre Augen waren vom Gas zerfressen worden.


    Man muss dazu anmerken, dass das Gas von den eigenen Leuten kam...

  • Hallo,


    jetzt komme ich eine zeitlang nicht zum Weiterlesen... :-(


    Bis dann.


    :wave
    Baumbart

  • So, ich hab mir heute endlich auch mal wieder das Buch geschnappt und bin bis Seite 245 gekommen. (Hab's in der Badewanne gelesen und bin ganz schrumpelig geworden, weil ich total die Zeit vergessen habe!! :wow :grin )


    Inzwischen hat sich das Verhältnis von David und Balu ja schon zu einer kleine Freundschaft entwickelt.


    Was mich ein wenig aufgeregt hat, war dieser Nicolas, der in David's Klasse geht. Wenn mich jemand so blöd behandeln würde, dann könnte ich nicht mehr mit ihm Freundschaft schließen! ?( ?( :nono


    Es ist sehr traurig zu lesen, wie Geoffrey sich immer mehr von seiner Familie entfremdet und die Beziehung zu seinem Sohn total aufgibt. Aber wenn man weiß, was er weiß, kann man es ja irgendwo auch wieder verstehen. :-(


    Und jetzt schreibe ich mal lieber in weiß weiter, wegen Spoilergefahr:









    Ich bin gerade an dem Punkt angelangt, an dem David beschließt, aus dem Haus des Anwalts zu fliehen, weil er weiß, dass Negromanus ihm auf den Fersen ist.
    Jetzt geht die eigentliche Geschichte ja erst richtig los, David hat das Tagebuch seines Vaters gelesen und weiß nun, was damals in "The Weald House" passiert ist. Erschütternd.
    Ich fand es mal wieder wirklich traurig, wie seine Eltern ermordet wurden, und kurz darauf steht Camden Hall in Flammen. David weiß nun mit Sicherheit, dass man auch ihn umbringen will, und ihm bleibt nur noch die Flucht! Ist bestimmt ein schlimmes Gefühl, vor allem weil er ja weiß, wieviel Verantwortung auf ihm lastet. :-(







    Ich finde, die Geschichte wird jetzt so spannend, dass es wirklich schwer ist, das Buch überhaupt aus der Hand zu legen. Man merkt, dass die Ereignisse jetzt in schnellerer Abfolge passieren werden als vorher.


    Und hier noch ein paar Sätze, die mich beeindruckt haben (Alles aus der HC-Ausgabe, wie immer):


    ~ Von der Kommandobrücke des Kreuzers Camden Hall kam nur Schweigen. Der Erste Offizier, Margret Countess of Camden, bemühte sich die Laune des Maats David mit süßen Bestechungsgeschenken und Vertröstungen auf einen Wechsel der Großwetterlage aufzubessern, aber das half nur wenig." (S. 211 f.) --> klasse, wie die Familiensituation hier mit den Begriffen der Schiffahrt beschrieben wird, gefällt mir supergut! :anbet


    ~ "... , aber in dieser Nacht war der Schlaf ein zu scheues Wild, als dass er sich noch einmal herbeilocken ließ." (S. 221)


    ~ "Und wer von euch kann dadurch, dass er sich sorgt, dem Maß seines Lebens eine einzige Elle hinzufügen?" (S. 242)


    ~ "David antwortete nicht sogleich. Aber dann wandte er sich wieder dem Anwalt zu. Sir William erschrak. Er blickte in ein Gesicht, aus dem jede Kindlichkeit verschwunden war. Es gab auch keine Tränen darin. Nur eine Entschlossenheit, die er nicht zu deuten wusste, obwohl sie ihm Angst einjagte."
    --> diesen Satz finde ich sehr eindrucksvoll, er läutet für mich den nächsten Teil des Buches ein. Hier fasst David einen Entschluss und schließt wirklich mit seiner Kindheit ab.

    Neue Bücher riechen so gut - man kann am Geruch förmlich merken, wie schön es sein wird, sie zu lesen.
    [Astrid Lindgren: "Die Kinder aus Bullerbü"]


  • Ja, das war genial ...

  • Hülfäää, bin ich hier ganz alleine?? :wow


    Ich bin inzwischen auf Seite 385 angekommen.
    Die Kriegsbeschreibungen haben mich teilweise wirklich fertig gemacht, unvorstellbar, was da alles passiert ist und wieviele Menschen ihr Leben lassen mussten! :-(


    Zunächst war ich ziemlich schockiert darüber, dass David sich umbringen will, aber Ralf Isau schafft es tatsächlich, mit den Beschreibungen der fehlgeschlagenen Selbstmordversuche sowas wie Komik in die Situation zu bringen, erstaunlich! :wow


    Der Tod von Nick hat mich sehr traurig gemacht.


    Ein Satz, der mir aufgefallen ist:


    ~ "Warum wurde der Tod von Menschen nur so unproblematisch, sobald man ihn in Hundert- und Tausendschaften zählte?" (HC S. 312)


    Und hier enden nun die "Jahre des Wahnsinns"...

    Neue Bücher riechen so gut - man kann am Geruch förmlich merken, wie schön es sein wird, sie zu lesen.
    [Astrid Lindgren: "Die Kinder aus Bullerbü"]

  • Zitat

    Original von Capesider
    Hülfäää, bin ich hier ganz alleine?? :wow


    Nö, jetzt bin ich auch wieder dabei...:-)


    Zitat

    Zunächst war ich ziemlich schockiert darüber, dass David sich umbringen will, aber Ralf Isau schafft es tatsächlich, mit den Beschreibungen der fehlgeschlagenen Selbstmordversuche sowas wie Komik in die Situation zu bringen, erstaunlich! :wow


    Hi Cape,


    gerade dieser Schreibstil von Ralf Isau gefällt mir unheimlich gut, wenn völlig ernsthafte, ja tragische Dinge und Situationen sprachlich von ihm mit einem Augenzwinkern und Schmunzeln dargestellt werden. Köstlich.


    :wave
    Baumbart

  • So, ich mal wieder als "Letzte Leserin" :grin...


    Ich will nur ne kleine Zusammenfassung geben:
    So langsam merke ich, dass die Geschichte Kontur annimmt. Die Charaktere werden weiter vertieft, die Geschichte verstrickt sich, neue Gestalten kommen hinzu.. UND Negromanus taucht "endlich" auf...


    Am liebsten mag ich natürlich Baluswami Bhavathuti... Der ist ja genial!


    Was ich auch SEHR gut finde, sind die Einschübe von Wissen.
    Wie zub. die Herausgeber der LONDONER TIMES...
    und solche Sachen..


    Und die Schilderung des 1. Weltkrieges.... mich hat es manchmal wirklich geschüttel... Buah..


    Jetzt bin ich auf Seite 334.
    Mal sehen, was noch so kommt..


    lg, Kathrin

  • Hallo alle,


    Kathrin , ich muß Dir recht geben und gleichzeitig mal einen Dank an Tanzmaus loswerden, durch die ich hier im Büchereuleforum auf den Schriftsteller Ralf Isau aufmerksam geworden bin.
    Für mich einer der begadesten Schriftsteller unserer Zeit.


    Er schafft es in einzigartiger Manier den Leser quasi an die Hand zu nehmen, Wissen zu vermitteln, ohne erhobenen Zeigefinger und immer - sogar bei den beschreibungen der Kriegsszenen - dem Leser den inneren Abstand zu vermitteln.


    Während des Lesens dieses Abschnitts ist mir nur plötzlich klar geworden, daß mein eigener Großvater in diesem Weltkrieg bei verdun mitgekämpft hat, als einfacher Soldat mit diesen Bajonetten. mir wurde auf einmal ganz anders und ich hab ihm innerlich abbitte getan, daß ich ihn früher als Kind so oft mit neugierigen Fragen bezogen auf den Krieg gelöchert hab.


    LG
    Baumbart