Marilynne Robinson - Gilead

  • Titel im Original: Gilead


    Kurzbeschreibung:


    John Ames wird tot sein, wenn sein Sohn diesen Brief liest. Fast sein ganzes Leben lang hat der alte Prediger in dem kleinen Städtchen Gilead in Iowa gelebt, und jetzt, mit 76 Jahren, spürt er, dass er bald sterben wird. Um seinem erst sechsjährigen Sohn nicht ganz fremd zu bleiben, beginnt Ames einen Brief, in dem er vom Leben erzählt – von seinem, dem seiner Vorväter und vom rauen und doch herrlichen Dasein in der Prärie, wie er es kennt und liebt.


    Ein Buch über Väter und Söhne, über das Kindsein und die Weisheit des Alters, über das Vergängliche und das, was bleibt – in diesem epischen Generationenbuch wird der Blick aufs Wesentliche gerichtet: das Wunder des Lebens selbst.
    Ausgezeichnet mit dem Pulitzer-Preis.


    Meine Meinung:


    Ich habe mir das Buch vor längerer Zeit aufgrund der Kurzbeschreibung gekauft, obwohl ich als Agnostiker nicht gerade versessen bin auf Bücher mit religiösen Inhalten. Ich bereue es nicht, „Gilead“ gelesen zu haben, ist es über weite Teile doch sehr ansprechend und intensiv, stellenweise fesselnd und immer glaubwürdig. Der alte Prediger John Ames schreibt im Bewusstsein seines nahenden Todes einen langen Brief an seinen Sohn, quasi als Vermächtnis, damit dieser als Erwachsener eine Ahnung davon bekommt, wer sein Vater war und was diesem wichtig war. Ames versucht, seinem einzigen Kind seine eigene Welt und seine Sichtweise näherzubringen und erzählt von seinem Leben und dem der Vorfahren: vom Großvater, der ebenfalls Prediger war und einst freiwillig in den amerikanischen Bürgerkrieg zog, um der Sklaverei ein Ende zu setzen und von seinem Vater, auch ein Prediger, von dem er das meiste Wissen über den ein wenig wie einen Heiligen dargestellten Großvater hat. Über weite Teile beschäftigt sich das Buch außerdem mit Jack Boughton, dem „verlorenen“ Sohn von John Ames´ bestem Freund.
    Das Buch ist in einer wirklich schönen, bildhaften Sprache abgefasst, auch die erzählende Hauptfigur wirkt authentisch mit ihren Überlegungen und Erinnerungen und der Begeisterung und dem Erstaunen angesichts der Vielfalt und Größe des Lebens. Es finden sich sehr schöne Gedanken zum Leben an sich, wenngleich ich mit den besonders religiösen Stellen und den Auslegungen einiger Bibelzitate nicht allzu viel anfangen konnte. Dies hat allerdings meine Freude am Lesen nicht dramatisch geschmälert, wird doch bei aller Frömmigkeit nicht versucht, die Meinung des Predigers als einzige, letztgültige Wahrheit darzustellen.
    In seinem Brief erzählt Ames nicht chronologisch, sondern springt mitunter zwischen verschiedenen Episoden der Vergangenheit hin und her, was aber nicht allzu viel Verwirrung stiftet.
    „Gilead“ ist ein leises, unaufgeregtes Buch ohne Höhepunkte, das sicher nicht jedermanns Geschmack trifft, aber trotz einiger Schwächen durchaus lesenwert ist. Fazit: Für mich ein stilistisch sehr ansprechender Generationenroman mit ein wenig zu starkem religiösen Einschlag, was aber angesichts der Hauptfigur nicht weiter verwundern sollte.

  • Gern geschehen. Schau dir aber unbedingt noch ein paar andere Rezensionen im Internet zu diesem Buch an, einige fanden das Buch anscheinend langweilig und nichtssagend - nicht, daß du am Ende enttäuscht bist, bloß weil es mir gut gefallen hat.

  • Das werde ich tun Mankell, aber schon das Wort "Prärie" hat mich magisch angezogen. Bei dem Preis (und im Angesicht meines SUB) werde ich aber sicher erst nochmal drüber nachdenken.

    Kayenta



    I finally figured out the only reason to be alive is to enjoy it. (Rita Mae Brown)

  • Das könnte etwas für mich sein. :-] Danke für die Rezi.


    Was ich mir jetzt nicht verkneifen kann, weil mir das die letzten Tage ein paar Mal im Forum aufgefallen ist: wenn ich ein Buch aus einem christlichen Verlag lese, brauche ich mich nicht zu wundern, wenns in den Büchern auch christlich zugeht bzw. das Christliche eine Rolle spielt. Offen gesagt, würde mich alles andere wundern.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Was ich mir jetzt nicht verkneifen kann, weil mir das die letzten Tage ein paar Mal im Forum aufgefallen ist: wenn ich ein Buch aus einem christlichen Verlag lese, brauche ich mich nicht zu wundern, wenns in den Büchern auch christlich zugeht bzw. das Christliche eine Rolle spielt. Offen gesagt, würde mich alles andere wundern.


    Grundsätzlich richtig, bloß achte ich beim Buchkauf nie auf den Verlag. Spricht mich eine Kurzbeschreibung an, wird das Buch entweder gekauft oder auf die WL gesetzt, bei Unklarheiten suche ich nach Rezensionen. Selbst wenn ich mir jedesmal anschauen würde, in welchem Verlag ein Buch erscheint, hätte ich keine Ahnung, ob das nun ein christlicher ist oder nicht. Abgesehen davon spricht ja nichts gegen christliche Inhalte, und da der Prediger die Hauptfigur ist, war ja auch damit zu rechnen.

  • Danke für den Tip, buzzaldrin.




    Zitat

    Original von SiCollier
    Das könnte etwas für mich sein. :-] Danke für die Rezi.


    Was ich mir jetzt nicht verkneifen kann, weil mir das die letzten Tage ein paar Mal im Forum aufgefallen ist: wenn ich ein Buch aus einem christlichen Verlag lese, brauche ich mich nicht zu wundern, wenns in den Büchern auch christlich zugeht bzw. das Christliche eine Rolle spielt. Offen gesagt, würde mich alles andere wundern.



    Ich dachte mir, daß dir das gefallen könnte, SiCollier.


    Jetzt mal oT: Ich bin Atheist, ich habe manches Mal meine Probleme, wenn es denn in Büchern zu "fromm" wird (sage ich mal so salopp, ich weiß jetzt nicht, wie ich es besser ausdrücken soll). Allerdings schreiben gerade christliche Autorinnen wie Janette Oke, Stephanie Grace Whitson, Judith Pella, Francine Rivers u.a. auffallend viele und auffallend gute Bücher zu meinen Themen: Siedler im amerikanischen Westen, Mail-Order-Brides, Oregon-Trail etc. Und ich lese sie gerne, wenn es (für mich) zu arg wird dann schlucke ich zwei/dreimal trocken und lese weiter. Natürlich weiß ich, was mich erwartet, wenn ich Bücher von Gerth Medien oder Francke lese, aber ich würde mir ja viel Lesevergnügen nehmen, wenn ich die Bücher nicht lesen würde. Ich lese halt nicht allzu viele solche Bücher hintereinander, da brauche ich zwischendurch andere Kaliber. Hm, hoffentlich war das jetzt nicht allzu schwafelig ... :gruebel

    Kayenta



    I finally figured out the only reason to be alive is to enjoy it. (Rita Mae Brown)

  • Zitat

    Original von mankell
    Abgesehen davon spricht ja nichts gegen christliche Inhalte, und da der Prediger die Hauptfigur ist, war ja auch damit zu rechnen.


    Zitat

    Original von Kayenta
    Hm, hoffentlich war das jetzt nicht allzu schwafelig ... :gruebel


    Nei, war es für meine Begriffe nicht. Mir war nur die letzten Tage mehrfach Kritik aufgefallen, daß Bücher zu christlich seien bzw. solche Motive zu stark vorkämen. Ein Blick auf den Autoren- oder Verlagsnamen hätte jedoch in allen Fällen klar machen müssen, daß damit zu rechnen ist. Ich sehe mir halt immer auch den Verlagsnamen an, wenn ich ein Buch kaufe/lese. Und mit etlichen verbinde ich bestimmte bzw. kenne deren Grundrichtungen. Vermutlich zu große "Betriebsblindheit".

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Marilynne Robinson: Gilead
    Neuauflage: Fischer 2016. 336 Seiten.
    ISBN 978-3100024596. 20€
    Übersetzerin: Uda Strätling
    Brendow Verlag 2006. 299S. ISBN 9783865061522
    . gebraucht erhältlich



    Verlagstext
    Eine Geschichte von Väter und Söhnen, von Liebe und Tod und von Hoffnung und der unwiderstehlichen Kraft des Leben - Wie das Licht über der Prärie den Blick in die Weite lenkt und die Nähe umso bedeutender erscheinen lässt, so verleiht "Gilead" dem Leben eine ungeahnte Perspektive.


    Text zur englischen Ausgabe
    The narrator, John Ames, is 76, a preacher who has lived almost all of his life in Gilead, Iowa. He is writing a letter to his almost seven-year-old son, the blessing of his second marriage. It is a summing-up, an apologia, a consideration of his life. Robinson takes the story away from being simply the reminiscences of one man and moves it into the realm of a meditation on fathers and children, particularly sons, on faith, and on the imperfectability of man.
    The reason for the letter is Ames's failing health. He wants to leave an account of himself for this son who will never really know him. His greatest regret is that he hasn't much to leave them, in worldly terms. "Your mother told you I'm writing your begats, and you seemed very pleased with the idea. Well, then. What should I record for you?" In the course of the narrative, John Ames records himself, inside and out, in a meditative style. Robinson's prose asks the reader to slow down to the pace of an old man in Gilead, Iowa, in 1956. Ames writes of his father and grandfather, estranged over his grandfather's departure for Kansas to march for abolition and his father's lifelong pacifism. The tension between them, their love for each other and their inability to bridge the chasm of their beliefs is a constant source of rumination for John Ames.
    Fathers and sons
    The other constant in the book is Ames's friendship since childhood with "old Boughton," a Presbyterian minister. Boughton, father of many children, favors his son, named John Ames Boughton, above all others. Ames must constantly monitor his tendency to be envious of Boughton's bounteous family; his first wife died in childbirth and the baby died almost immediately after her. Jack Boughton is a ne'er-do-well, Ames knows it and strives to love him as he knows he should. Jack arrives in Gilead after a long absence, full of charm and mischief, causing Ames to wonder what influence he might have on Ames's young wife and son when Ames dies.
    These are the things that Ames tells his son about: his ancestors, the nature of love and friendship, the part that faith and prayer play in every life and an awareness of one's own culpability. There is also reconciliation without resignation, self-awareness without deprecation, abundant good humor, philosophical queries - Jack asks, "'Do you ever wonder why American Christianity seems to wait for the real thinking to be done elsewhere?'"- and an ongoing sense of childlike wonder at the beauty and variety of God's world.
    Quelle: amazon


    Die Autorin
    Marilynne Robinson, geboren 1947, ist Schriftstellerin und Universitätsdozentin. Für ihren ersten Roman, „Das Auge des Sees“, wurde sie mit dem PEN/Hemingway Award für das beste Debüt ausgezeichnet und für den Pulitzer-Preis nominiert. „Gilead“ gewann 2005 den Pulitzer-Preis und ist für weitere renommierte Literaturpreise nominiert.


    Inhalt
    Dass ein 2005 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnetes Buch in Deutschland in einem Kleinverlag erscheint, hat mich gewundert. Marilynne Robinson lässt einen weit über siebzigjährigen Priester kurz vor seinem Tod seine Lebenserinnerungen für seinen erst 6 Jahre alten Sohn niederschreiben. Die Zeit drängt – und John wird seinen Sohn nicht mehr aufwachsen sehen. Für John Ames ist es die letzte Gelegenheit, vom harten Leben seiner Vorfahren zu erzählen, sein schwieriges Verhältnis zu seinem Vater zu klären und vielleicht eine Ahnung davon zu vermitteln, warum er 50 Jahre lang allein lebte, erst so spät heiratete und Vater wurde. Sein Ziel für seinen Sohn zu schreiben scheint John Ames dabei aus den Augen zu verlieren, es sind keine möglichen Fragen eines Kindes an seinen Vater, die hier beantwortet werden. Es geht um einen Krieg, der einen ganzen Landstrich aus dem Gleichgewicht brachte und Priester, die Witwen, Waisen und Kriegsversehrten nicht gerade eine Stütze waren. Für Johns eigene Kindheit waren die Probleme zwischen seinem Vater und dessen Vater prägend. So liegt es nahe, dass er mit der Niederschrift seiner Erinnerungen Fehler vermeiden will, die ihn selbst als Kind belasteten. Doch der alte Priester regelt seine letzten Dinge in einer so betörend schönen Sprache, dass ich mich seinem Mäandern durch seine Erinnerungen gern angeschlossen habe. Der alte John muss stets ein humorvoller, listiger Mensch gewesen sein. Das kommt z. B. zum Ausdruck darin, dass er seinem Nachfolger die Trauerrede in dessen Stil schreibt, die der bald auf John halten wird. Niemand soll merken, dass John die Rede verfasst hat. Doch wer weiß, vielleicht kennen seine Schäfchen ihn besser als er glaubt?


    Fazit
    Ein beeindruckendes Buch über eine ungewöhnliche Vater-Sohn-Beziehung.


    8 von 10 Punkten

  • Gilead wird im September neu aufgelegt.


    ›Gilead‹ ist das erste Buch der großartigen Romanserie von der amerikanischen Meistererzählerin Marilynne Robinson und längst ein Klassiker der amerikanischen Literatur. Wie das Licht über der Prärie den Blick in die Weite lenkt und die Nähe umso bedeutender erscheinen lässt, verleiht sie dem Leben eine ungeahnte Perspektive.


    Auf seinem Sterbebett schreibt John Ames einen Brief an seinen siebenjährigen Sohn. Dem Kind will er alles erklären: Die Einsicht, mit der man das eigene Leben auf einen Schlag begreift, den Trost, der in einer einzelnen Berührung liegen kann, und den Ort, der sein Ende beschließt: Gilead, die kleine Stadt unter dem unermesslichen Himmel des Westens, leicht wie Staub und so schwer wie die Welt.


    Seit Generationen lebte seine Familie in Gilead, waren die Männer Pastoren. Der Großvater half schwarzen Sklaven in die Freiheit, der Vater versuchte das Leben der Menschen in der Dürrekatastrophe erträglich zu machen. Sie lebten eng verwoben mit den Menschen und waren getrieben von einer unerbittlichen Sehnsucht nach Versöhnung.


    Mit visionärer Kraft und sprachlicher Eindringlichkeit erzählt Marilynne Robinson von der Ungeheuerlichkeit des Lebens, das wir erst in der Rückschau begreifen. Und wie John Ames fühlen wir uns im Blitz dieser Einsicht weniger allein. Dieser Trost macht ihre Bücher so einzigartig.