Mein Holocaust - Tova Reich

  • Das meint amazon....
    Maurice Messer erkennt ein gutes Produkt, wenn es vor ihm steht - und seien wir doch mal ehrlich: Wann schlagen Spenderherzen höher als bei dem Wort »Holocaust«? Doch Maurice ist nicht der Einzige, der in den Geldtöpfen der Gedenkindustrie fischen will ...Eine intelligente, beißende Satire über die Vermarktung menschlichen Leidens, zum Schreien komisch und zugleich erschreckend realistisch.
    Die Christen sind die neuen Juden, findet Nechama, Enkeltochter des großen Maurice Messer, seines Zeichens Direktor des prestigeträchtigen US-amerikanischen Holocaust Memorial Center. Und weil die Christen genauso wie die Juden ein Anrecht auf ihren eigenen Holocaust haben, beschließt Nechama, die Seiten zu wechseln. Als Schwester Consolatia zum Kreuze tritt sie in einen Karmelitinnen-Orden ein, dessen Kloster direkt neben dem Lager Auschwitz gelegen ist - ein gefundenes Fressen für die Medien: »Holocaust-Prinzessin gibt Juden den Laufpass!« Familie Messer ist ob der Schmach entsetzt ...Herrlich provokativ und mit tief schwarzem Humor dringt Tova Reich mit ihrem satirischen Roman »Mein Holocaust« in ein Territorium vor, das bisher als unantastbar galt. Eine beeindruckend mutige und originelle Auseinandersetzung mit dem Gedenken an menschliche Gräueltaten, das zu einem Konkurrenzkampf um den Opferstatus zu verkommen droht.Ein Roman, der provoziert, schockiert und oft auch amüsiert!


    ...und das meine ich:
    Provoziert und geschockt hat mich dieses Buch nicht, wohl aber streckenweise amüsiert. Allerdings würde ich dieses Buch nicht als Satire, sondern eher als Groteske bezeichnen.
    Alles wird in diesem Buch auf die Spitze getrieben, dabei fängt es noch relativ harmlos an: Maurice und seine Sohn Norman reisen nach Ausschwitz, um Normans Tochter Nechama aus dem Kloster zu holen. Gleichzeitig veranstalten sie aber auch eine Art Holocaust-Pauschalreise, die nur dem einen Zweck dient, Gloria, einer reichen, jüdischen Amerikanerin, möglichst viel Geld für das Holocaust Memorial Museum aus dem Kreuz zu leiern. Das gestaltet sich zunächst recht schwierig, da zum einen Gloria sich als weitestgehend resistent gegenüber Maurices Charmeattacken erweist, zum anderen jedoch eine ganze Menge durchgeknallter Gestalten Maurices so ausgefeilte Pläne durchkreuzt.
    So etwa ein israelische Lehrer mit seiner völlig außer Kontrolle geratenen Schulklasse, eine Gruppe Esoteriker, die sich in Ausschwitz neue Inspiration erhofft und ein fadenscheiniger Straßenhändler, der Holocaust-Devotionalien verkauft.
    Sie alle treffen sich dann später zum völlig abgedrehten Showdown im Holocaust-Museum wieder. Der entzündet sich letzten Endes an der Frage: Wem gehört der Holocaust?


    Zugegeben, das ist nichts für zarte Gemüter und gerade für Deutsche dürfte das Buch einem Tabubruch gleichkommen. Dabei sind es gar keine unwichtigen Fragen, um die es geht: Was darf sich Holocaust nennen, was nicht? Tova Reich überspitzt ihre Geschichte zwischen den Polen der Einzigartigkeit des Holocausts an den Juden und der vor allem in den USA verbreiteten Gewohnheit, jegliches Unrecht gleich als Holocaust zu bezeichnen. Ohne Rücksicht auf Verluste kriegt jeder sein Fett weg, der meint, beim Thema Holocaust mitmischen zu müssen. Einige Male schießt sie dabei für meinen Geschmack übers Ziel hinaus: zu abgefahren sind die Dialoge, zu seltsam das Verhalten des Personals. Oft aber trifft sie mit ausgesuchter Bosheit diesen Konflikt auf den Punkt, oft brachte sie mich zum Schmunzeln aber auch zum Nachdenken und einige Male, wenn ich glaubte, den roten Faden des Buchs gefunden zu haben, schlug die Geschichte einen Haken und eine neue absurde Idee trat in den Vordergrund.
    Allerdings ist es ganz hilfreich, von Binjamin Wilkomirski, Norman Finkelstein und Elie Wiesel schonmal gehört zu haben und sich ein bisschen mit jüdischer Religion und Geschichte auszukennen, da das Buch gespickt ist mit Anspielungen und Seitenhieben, von denen ich, wie ich zugeben muss, einige einfach nicht verstanden habe.


    Für meine Begriffe ist dieses Buch alsobei Weitem nicht rundum gelungen, trotzdem war es eine nachdenkliche, irritierende und auch amüsante Lektüre

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)