Menschenhafen - John Ajvide Lindqvist

  • Gewalt ist in dem Roman eher nebensächlich. Auch blutige Szenen gibt es selten.
    Das Gruselige spielt sich eher im Kopf des Lesers ab als im Geschriebenen selbst.
    Wie ich in meiner Rezension schrieb, sind Mord und Blut keine tragenden Elemente, trotzdem kommt beides darin vor, wenn auch in geringerem Maße als die Gruseleffekte in Form von Naturbeschreibungen und der Stimmung innerhalb der Inselgemeinschaft.

  • Ich kann mich nach der Lektüre des Buches Darcys Rezi anschließen. Es dauert sehr lange, bis in dem Buch so etwas wie Spannung aufkommt. Es besteht eigentlich aus vielen kleinen Geschichten, die am Ende in einem gemeinsamen Strang enden. Es sind Erzählungen über die Insel, über die Menschen, die dort gelebt haben, über seltsame Dinge, die dort passiert sind. Geschichten in der Geschichte. Lindqvist schafft aber so geschickte Verbindungen, dass man nicht den Faden verliert und auch nicht verwirrt ist, wenn von jetzt auf gleich in die Vergangenheit geht. Es sind keine Zeitebenen, die sich abwechseln, es sind Sprünge zwischen Jahrzehnten - so, wie es die Geschichte eben erfordert. Diese Art des Erzählens hat mir ausgesprochen gut gefallen. Leser, die lieber eine durchgängige Geschichte haben, dürften hier Probleme bekommen.


    Mit Öland oder Nebelsturm kann ich das Buch nicht vergleichen. Lindqvist gelingt es kaum, die Atmosphäre der Schären einzufangen. Ich glaube, er hat das aber auch nie beabsichtigt. Wie schon geschrieben, sein Schwerpunkt liegt auf den Figuren und auf dem Meer selbst. Nicht auf der landschaftlichen Umgebung. Mich hat die Geschichte nicht einfangen können, ich hab mich die ganze Zeit als eher als Betrachter gefühlt, der das Geschehen durch eine Glasscheibe beobachtet. Die Figuren sind zwar nicht oberflächlich gezeichnet, halten einen aber auf Distanz. Ich hab mich auch nicht gegruselt beim Lesen und dass, obwohl ich wirklich ein Weichei bin, was das angeht.


    Stellenweise hat mich das Buch stark an Stephen Kings "Es" erinnert:


    Das Ende fand ich wie Darcy ziemlich wirr. Und irgendwie war ich auch enttäuscht.


    Alles in allem aber deutlich besser als "So finster die Nacht". Literaturpreis hin oder her, für mich war das kein Meisterwerk. Eher gehobener Durchschnitt.

  • Dank einer lieben Eule ( :wave) konnte ich mir nun selbst ein Bild von "Menschenhafen" machen. Es war besser auf jeden Fall besser als erwartet


    Die Atmosphäre Domarös fand ich eigentlich ganz gut getroffen- wir waren allerdings 2007 selbst auf einer Schäreninsel und vielleicht hat es deshalb bei mir gleich klick gemacht. Ich habe mal ein Bild angehängt: unser Ausflugsziel hieß übrigens Nåttarö und war auch im Schärengarten Stockholms. Und witzigerweise wohnten wir damals in Haninge, genau wie Anders bevor er nach Domarö zurückkehrt.
    Beim Lesen wurde ich wie einige andere auch an Stephen King erinnert: dieses Zusammenhalten in der Dorfgemeinschaft, die Abneigung Fremden gegenüber, selbst wenn diese schon 50 Jahre im Ort wohnen- das alles hätte so ähnlich auch in Maine spielen können (liegt immerhin auch am Meer :grin). Leider steht ausgerechnet "ES" noch ungelesen im Regal. Der Eisclown ist übrigens keine Erfindung des Autors, sondern das Markenzeichen von GB Glace, Schwedens größtem Eiskremhersteller (gehört mittlerweile zum Unilever Konzern, genau wie Langnese). In Schweden gehören diese Aufsteller zum normalen Straßenbild- insbesondere dort wo viele hungrige Touristen hinkommen. Da ich selber kein Bild davon habe und kein fremdes einstellen wollte (wegen des Urheberrechts), verlinke ich einfach mal zu flickr: klick


    Zur Story selbst: ich fand das Ende eigentlich gar nicht so wirr, sondern nicht schlecht gelöst. Ich hätte zumindest keine bessere Idee gehabt.
    Mir haben die vielen verschiedenen Geschichten gut gefallen. Sie haben sich schön zu einem großen Ganzen zusammengefügt, weshalb ich das Buch an keiner Stelle langatmig fand.

    Alles, was geschehen ist, lebt fort und beeinflusst die Gegenwart. Orte und Dinge sind mit Bedeutungen aufgeladen, die nicht so schnell vergessen werden.


    "Menschenhafen" kommt für mich nicht an Theorin heran, aber insgesamt war es eine interessante Lektüre und die wenigen Gewaltszenen waren für mich akzeptabel geschildert (früher in meiner Stephen King-Phase mit 13/14 hat mir das Ganze irgendwie weniger ausgemacht... :gruebel).

  • fand das buch toll


    was ich an lindqvists Geschichten so mag , ist dass seine Figuren und auch die Geschichten genügend dreck beinhalten ... seine Figuren sind depressiv ... Alkoholiker ... haben fehler ... quälen sich oft durchs leben ... ich geniesse das sehr


    dann sind seine Dialoge sehr organisch und erzeugen ein tolles mittendrin gefühl


    was ich an lindqvist noch mag , sind seine kreativen schreibkniffe ... er spielt mit dem schreiben herum ... und das bringt eine gewisse Abwechslung und Dynamik ins lesen


    so ruhet in frieden hat mir übern Daumen zwar etwas besser gefallen , da es einfach ekliger und unbequemer war ... aber menschenhafen hat seine eigenen stärken ... man kann das Meer und das salz in der luft beinahe schmecken beim lesen ... auch das ende fand ich diesmal gelungener ... auch wenn es beinah etwas vom deus ex machina hatte ... aber ich steh auf sowas =)


    ist euch aufgefallen , dass lindqvist alle grossen Horror Figuren behandelt ... also in seiner eignen Interpretation der Figuren ... aber zuerst Vampire ... dann Zombies ... jetzt geister ... und in Wolfskinder wird wohl um werwölfe oder Wolfsmenschen gehen ... als nächstes kommen dann wohl Mumien xD


    jedenfalls hab ich Wolfskinder schon hier und wird nicht zu lang warten bis ich es lese

  • Zitat

    was ich an lindqvists Geschichten so mag , ist dass seine Figuren und auch die Geschichten genügend dreck beinhalten ... seine Figuren sind depressiv ... Alkoholiker ... haben fehler ... quälen sich oft durchs leben ... ich geniesse das sehr


    Ich musste gerade lächeln, gerade das ist es, was mich an "Menschenhafen" genervt hat.


    Natürlich lese ich auch lieber von Menschen mit menschlichen Problemen als von permanent grinsenden Glückskindern. Aber mit diesem Anders war es mir entschieden zu viel. Er tut ja nichts außer zu saufen und über sein Elend nachzudenken.
    In der zweiten Hälfte nimmt er die Dinge dann ein bisschen mehr in die Hand, aber da war es irgendwie für mich schon zu spät, um mein Interesse zu fesseln.
    Ich hätte das Buch nach der Hälfte weggelegt, wenn ich nicht immer noch gehofft hätte, Näheres über Elins merkwürdige Entwicklung zu erfahren, aber das blieb leider aus.
    "Menschenhafen" erinnerte mich auf jeder Seite an Stephen King.

  • John Ajvide Lindqvist fasziniert mich. Er ist so schwer einzuordnen, und seine Bücher sind von so unterschiedlicher Qualität, dass ich nur staunen kann. Das eine Buch ist einfach nur spannend und mitreißend, das nächste dagegen bloß fade und konstruiert.
    Menschenhafen ist von beidem etwas. Der erste Teil ist wirklich spannend, Herzklopfen verursachend, geheimnisvoll, mysteriös. Leider wird die Handlung immer langweiliger und bizarrer. Und das letzte Drittel ist einfach nur schlecht. Soviel geballten Unsinn zu ertragen setzt schon relativ viel Selbstbeherrschung voraus. Und dann bei der "Auflösung" des Geheimnisses wusste ich echt nicht, ob ich wütend sein oder herzlich lachen sollte. Vor allem aber sind auch die Charaktere flach, uninteressant und werden immer unglaubhafter.


    Der Autor begann seine Karriere ja als Standup-Comedian - und vielleicht war das Buch ja ein Rückfall in seine Jugendjahre. Dann sollte das Buch aber nicht als Mysterythriller angepriesen werden. Dass der Mann schreiben kann, steht außer Zweifel. Aber Spannung aufzubauen, ein Mysterium in den Raum zu stellen, das ist einfach. Die schriftstellerische Kunst beginnt dann, wenn man diese Spannung halten und steigern kann und das Mysterium nicht ins Lächerliche abgleiten lässt. Und diese Kunst ist Lindqvist mit diesem Buch leider absolut misslungen.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde