Wolf Haas - Der Brenner und der liebe Gott

  • Der Brenner und der liebe Gott


    Wolltest Du schon immer wissen…
    …warum rechtzeitiges Tanken ein paar Todesfälle verhindert hätte.
    …welche Wirkung die Beruhigungsmittel haben, die im “Cafe Liliputbahn“ vertrieben werden.
    …was passiert, wenn Du nicht darauf achtest, was Dir der Jimi Hendrix schon die ganze Zeit sagen will.
    …warum der Bankdirektor Reinhard den Hasen stundenlang zuschauen könnte.
    ...warum der Brenner Alimente zu zahlen hatte und was das mit dem Matterhorn zu tun hat.
    …wie man eine Senkgrube qualitativ noch verschlechtern kann.
    …warum der Kollege Peinhaupt dem Brenner am Ende sogar leid tut.
    …wie es ist, wenn man etwas sucht und hofft, dass man es nicht findet.
    …welchen Unterschied es für die Pistolenkugel macht, welchen Sonnenschutzfaktor die Sonnencreme hat, an der sie am Weg in Deine Stirn vorbeikommt.
    …warum es nichts gibt was es nicht gibt.


    Wenn Du das alles weißt, dann ist schon wieder was passiert, dann hast Du nämlich “Der Brenner und der liebe Gott“ schon gelesen.
    Wenn Du nix von alledem weißt, dann hast Du etwas nachzuholen.


    Und jetzt pass auf:
    Weißt Du eigentlich, dass…
    …Mund und Augen in verschiedene Richtungen zu verdrehen eine weibliche Doppelbelastung ist.
    …sich ein Mörder mit kleinlichen Moralvorstellungen wie zum Beispiel Höflichkeit nicht mehr herumschlagen muss.
    …es eine Vorwärts- und eine Rückwärts-Erinnerung gibt.
    …es die Zone der Durchsichtigkeit frühestens nach hundert Stunden zerreißt.
    …der liebe Gott eine Ausstrahlung hat, frage nicht.
    …für ein Hundermillionenprojekt zwei Tote gar nicht so viel sind.
    …der Brenner zwischen der vierundsiebzigsten und der achtundsiebzigsten Stunde eine Eins-a-Ermittlung hinlegt.
    …Trittbrettfahrer oft gar nicht die blödesten Übergabeideen haben.
    …die Südtiroler in Wolf Haas’ Buch gar nicht gut wegkommen, die Südtirolerinnen allerdings schon.
    …der Brenner nachzählt, wie oft jemand das Wort “pubertär“ in einem Satz unterbringt.
    …Hüttenbewohner in der heutigen Zeit die Schwielen an den Händen nur vom Golfspielen haben.


    Das weißt Du jetzt, aber eigentlich noch gar nix gegen das was Du noch lernen kannst im neuen Haas, denn Comeback vom Brenner wie der Jimi Hendrix beim Konzert 1969 in Stuttgart, ob Du’s glaubst oder nicht.

  • Was hat der Titel in "Humor und Satire" zu suchen?


    Wie auch immer, hier meine Meinung:


    Belanglos


    Man sollte Rockbands nicht glauben, wenn sie erklären, dass sie sich auflösen und höchstens dann wieder zusammen spielen, wenn die Hölle zufriert. Genauso wenig sollte man Autoren glauben, die eine erfolgreiche Romanfigur als "auserzählt" bezeichnen und erklären, sich von ihr verabschiedet zu haben. Das hat Haas - sinngemäß - zu "Das ewige Leben" gesagt, dem bis dato letzten Brenner-Roman, der (eigentlich) ein solider Befreiungsschlag und ein würdiger Abschluss der Reihe war. Nun steht Brenner überraschend wieder auf der Matte, das Feuilleton schenkt ihm reichlich Aufmerksamkeit, der Titel war für den deutschen Buchpreis nominiert, die Buchkäufer reagieren entsprechend. Und immerhin ist das Buch schön ausgestattet - die Schokoladentafel auf dem Titel mit den kleinen "Haas"-Aufdrucken erinnert sehr an die Luftmatratze auf dem kongenialen "Das Wetter vor fünfzehn Jahren", das viel Hoffnung darauf machte, Haas würde sich umorientieren und hätte sich von seinem etwas ausgelutschten, lethargisch-cleveren Ermittler verabschiedet.
    Andererseits. Erfolg ist Erfolg, Autoren leben davon, Bücher zu verkaufen, und zwar möglichst viele. Und der Erfolg eines neuen Brenner-Romans war und ist einfach zu erwarten. Denn Haas ist arriviert.


    Simon Brenner steht unter Antidepressiva und verdingt sich als Fahrer bei einem Bauunternehmer. In der Hauptsache ist er damit beschäftigt, dessen sehr junge Tochter zwischen Wien und München hin- und herzukutschieren. Das macht der Herr Simon, wie er genannt wird, sehr gewissenhaft, aber vor dieser Fahrt hat er vergessen, die Limousine aufzutanken. Während er das nachholt und anschließend im Tankstellenshop lange darüber nachdenkt, welche Schokoladensorte er dem im Auto wartenden Kleinkind mitbringen soll, wird die Unternehmertochter entführt. Brenner, noch mehr als sonst gebremst (durch die Medikamente), verfällt in eine Art Beobachtungsstarre, aber die Ereignisse nehmen ihren Lauf. Letztlich hat die Entführung mit den weiteren Geschehnissen nur am Rande zu tun, war Auslöser für Ermittlungen, die zu einem völlig anderen Fall führen, aber genaugenommen spielt der Fall so oder so kaum eine Rolle. Er ist belanglos und vorhersehbar, wie das meiste in diesem - glücklicherweise recht kurzen - Buch.


    Insofern kann ich mich der fast einhelligen Begeisterung nicht anschließen. Sprachlich und stilistisch repetiert sich Haas selbst, aber auf niedrigem Niveau. Ja, es gibt schöne Momente, weise Betrachtungen und all das, daneben einiges an Originalität, doch am Ende bleibt eine unkonventionell erzählte Bulle-von-Tölz-Story übrig. Also, lieber Gott. Erbarme Dich und setze dem ein Ende. Haas kann es besser, aber der Brenner zündet nicht mehr.