Wo fahren wir hin, Papa? - Jean-Louis Fournier

  • Zitat

    Original von Foer
    Um 23 Uhr kommt auf ARD in der Sendung 'ttt' ein Interview mit Fournier.
    Es scheint über die Frage zu gehen, ob man so über seine behinderten Kinder sprechen/schreiben darf.


    Zu spät gelesen, vielen Dank trotzdem. Wie war es?

  • Hier ist sozusagen die Gegendarstellung der Mutter von Thomas und Matthieu:


    ouonvamaman


    Hier dementiert sie so allerhand von dem, was in dem Buch dargestellt wird, etwa dass es keinen Weihnachtsbaum gegeben hätte oder sie kein "normales" Familienalbum angelegt hätten wie Eltern gesunder Kinder.
    Allerdings hatte ich bei dieser Seite etwas den Eindruck, dass es nicht um die "Rehabilitation" ihrer Söhne geht sodern eher darum, den Verdacht auszuräumen, dass sie eine Rabenmutter gewesen wäre.
    Aber da es keine objektive Wahrheit gibt im Leben, finde ich ihre Reaktion durchaus verständlich.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Wir hatten uns den Himmel auf Erden für euch gewünscht, und stattdessen ist er euch auf den Kopf gefallen.


    Schon nach der zweiten, gelesenen Seite, hatte ich einen dicken, fetten Kloß im Hals. Und die ganze Zeit des lesens, fragte ich mich, ob es jetzt lustig sein soll, oder eher traurig. Auf alle Fälle ist es anders – heftiger!
    Jean-Louis Fournier ist französischer Schriftsteller, und Regisseur, der für das französische Fernsehen arbeitet. Aber er ist auch Vater zweier, behinderter Söhne und darüber handelt dieses Buch, „damit ihr nicht bloß ein Foto auf einem Schwerbehindertenausweis seid.“
    Mit brutaler Ironie und unverschleiertem Blick, schreibt Fournier über seinen Alltag, seine Sorgen, auch über seine fehlende Kraft und Engelsgeduld, denn die müsste er eigentlich haben, aber er ist kein Engel.
    In Fourniers Zeilen steckt aber auch schonungslose Wahrheit über die Gesellschaft, über den Umgang mit Behinderten. „Wenn ein Kind sich beim Essen mit Schokopudding beschmiert, lachen alle; wenn das Kind behindert ist, lacht keiner.“
    Bitter stoßen in diesem Zusammenhang, auch die Zeilen über den Patenonkel auf, den ehemalig, engsten Freund….


    Mich hat dieses Buch sehr betroffen gemacht, und ich musste oftmals denken: „So kann man doch nicht reden“. Aber warum eigentlich nicht? Darf man bei behinderten Kindern, keine Schwäche zeigen und zugeben, dass man es sich anders wünscht?


    Ein bittersüßes Buch, geschrieben mit ironischer Härte, aber auch mit ganz viel Liebe zwischen den, meist sehr schroffen, Zeilen!

  • Zitat

    Original von keinkomma
    ... übrigens: die Mutter musste ihre Seite dichtmachen... :gruebel
    JE SUIS OBLIGEE
    DE FERMER
    MON SITE
    ... da gibts wohl hinter den Kulissen Zoff... mal sehen, ob ich noch was finde im Netz dazu!


    Seltsam, gestern ging sie noch :gruebel
    Ich bin gespannt, ob du was rauskriegst.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Jean-Louis Fournier ist Vater zweier schwerbehinderter Söhne, von denen einer bereits verstorben ist.


    In diesem Buch, das kein Roman, sondern eher eine fragmentarische Aneinanderreihung von Momenten, Gedanken und Anekdoten ist, schreibt er sich seine Gefühle und den Frust vieler Jahre vom Herzen.


    Wenn man das Buch so liest möchte man meinen, das Herz des Autors wäre angesichts des Kummers und der Probleme mit den beiden Söhnen versteinert. Zu bitter und zynisch lässt er seinen vermutlich lange zurückgehaltenen Gefühlen freien Lauf. Doch manchmal blitzt auch ein anderer Jean-Louis durch, wie zum Beispiel als er über den Tod von Mathieu schreibt.


    Unendlich viel könnte man über dieses Buch schreiben – ich hatte schockierende (S. 37, „Wir geben ihnen jeden Tag Beruhigungsmittel, damit sie Ruhe geben“) und traurige Momente (S. 43, als er schreibt, dass Weihnachten ein Tag wie jeder andere für sie ist oder auch S. 48 „Unser Familienalbum ist so dünn wie eine Briefmarke“).


    Dabei habe ich mich oft gefragt, welche Möglichkeiten es damals vor ca. 40 Jahren gab, um Schwerbehinderte Kinder zu fördern und mit ihnen zu leben. Denn zumindest in späteren Jahren scheinen ja beide Kinder im Heim gelebt zu haben.


    Ich mag – als Unbetroffene – ahnungslos und blauäugig sein, doch bei vielen Szenen dachte ich mir, „selbst mit behinderten Kindern muss das Leben nicht so sein“. Ich habe gehadert und mich gefragt, ob es denn so gar keine sonnigen Momente im Leben der beiden gab und habe für mich gehofft, dass es so war.


    Es verwundert nicht, dass die Ehe des Autors zerbricht. Doch auch wenn wir nur den Teil der Wahrheit kennen, den er uns zukommen lässt, scheint er ein schwieriger Mensch zu sein, der bis heute wohl Probleme damit hat, das Anderssein seiner Kinder zu akzeptieren. So verheimlicht er neuen Frauenbekanntschaften erst die Existenz seiner Kinder (als ob so etwas funktionieren würde) und was ich persönlich als Schlag empfand ist gegen Ende des Buches die Bermerkung, er hätte seinen Sohn Thomas nun schon länger nicht mehr besucht.


    Dieses Buch ist, obwohl es so dünn ist, doch ein schwerer Brocken und nicht einfach zu verdauen. Es lässt mich vor allem auch mit vielen Fragen zurück: Es ist ein wehmütiger, beinahe schon schwermütiger Blick zurück. Fast kommt es einem vor wie eine Abrechnung mit den Chancen, die man mit nichtbehinderten Kindern hätte haben können. Selbstvorwürfe tauchen immer wieder auf, „ich war es doch, der ihnen das Leben schenkte“.


    Zu kurz kommt mir dabei das 3. Kind, die gesunde Tochter. Auch wenn das Buch die Geschichte der beiden behinderten Söhne erzählen soll finde ich es schade, dass die Existenz des 3. Kindes auf seine einmalige bloße Erwähnung reduziert wird.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Soooo, habe eine Freundin aus Frankreich gefragt. Sie schrieb, dass die ganze Nation wegen des Buches gelacht und geweint habe, es habe sehr viele Menschen berührt. Die Seite der Mutter wurde vom Verlag geschlossen (richterliche Verfügung), weil darin private Dinge über den Vater gestanden hätten, die dieser so nicht wollte. Es gibt aber eine neue Homepage der Mutter, auf der auch Fotos sind sehr berührend).
    Ich füge mal die Infos meiner Freundin Muriel Roure ein:
    Où on va, papa. Roman largement autobiographique, Jean-Louis Fournier est le père de trois enfants dont les deux premiers, deux garçons Mathieu et Thomas, sont handicapés mentaux. Sa femme le quitte après la naissance du troisième, une fille, Marie, tout à fait normale. L'auteur raconte avec beaucoup d'humour noir la joie de la première naissance, l'horreur de la découverte de la maladie, puis la joie nouvelle, deux ans après, de l'arrivée d'un deuxième enfant « Celui-là ne peut pas être aussi anormal, n'est-ce pas ? » se demande-t-il. Malheureusement, c'est le cas. Dans le livre, l'aîné décède à 15 ans après une opération à la colonne vertébrale pour l'aider à vaincre sa scoliose qui l'empêche de se tenir droit. Le second lui survivra jusqu'à plus de trente ans. L'histoire n'en raconte pas la fin.
    Ce roman a été l'objet de polémique. Des lecteurs furent touchés par cette histoire abordant la manière de vivre avec le handicap de ses enfants et de surmonter la mort de son fils. Beaucoup de personne furent choqués par les propos jugés très durs que Jean-Louis Fournier tient sur ses enfants et surtout le cynisme dont il fait preuve.
    Agnès Brunet a choisi de porter au jour, elle aussi, sa vision de ses petits. Pour lui. Et parce que certains « avaient cru comprendre que j'étais partie, abandonnant les enfants, » Il ne s'agissait pas, dit-elle, de tomber dans le règlement de comptes : « Le site était d'abord destiné aux connaissances. » Vite, il porte plus loin. Rattrapé par l'aura du prix Fémina. Jusqu'à ce que, le 23 novembre Agnès Brunet reçoive un courrier de mise en demeure émanant du conseil des éditions Stock et de Jean-Louis Fournier... Lui demandant de fermer le site dont le titre constituerait une « contrefaçon » et dont certains passages seraient... attentatoires à « la vie privée de M. Fournier » ! Celui-là même qui nous a fait rire et pleurer à la fois en racontant son quotidien, enfant, avec un papa, médecin d'Arras, bien connu, souvent rond comme un tonneau (drunk !!). Est-ce l'arroseur arrosé ? Ou l'hôpital qui se fout de la charité ? Quand maman et papa ne sont pas d'accord, allez comprendre ! •


    Agnès Brunet a ouvert un nouveau site, amputé des passages litigieux : http://mamanmathieuetthomas.monsite.orange.fr
    You can try her new website... Apparently, she was condemned to close her previous site by Fournier and his publisher because she had been "lying" about private aspects of their communal life... ♥


    :wave

  • Ich habs jetzt auch durch... Tja, auch ich bin hin und her gerissen. Auf der einen Seite denke ich mir, er kann schreiben wie und was er will: es waren seine Kinder. Auf der anderen Seite kriegt man schon ein komisches Gefühl bei seiner teilweise sehr ätzenden Schreibweise: er haut ja förmlich um sich. Meiner Meinung nach wollte Fournier hier teilweise auch ein bißchen mit seinem eigenen Vater abrechnen, er wirft ihm ja ein- oder zweimal die Alkoholsucht vor (von wegen Schäden vererbbar?). Ich habe mal ein anderes Büchlein von ihm gelesen, ich kann mich echt nicht mehr erinnern, ob man da schon von einem gestörten Vater-Sohn-Verhältnis was ahnen könnte...

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Hallo,


    ich habe dieses Buch nun zu Weihnachten geschenkt bekommen und es in einer Stunde durchgelesen. Mir hat es wirklich gut gefallen, genau so, wie ich es bei der Leseprobe auch erwartet habe.
    Es ist einfach ehrlich. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich oft gedacht habe, wenn ich Eltern gesehen habe, die über ihre Behinderten Kinder gesprochen haben als wären sie das größte Glück der Erde, dass da etwas doch nicht ganz stimmen kann.
    Damit meine ich jetzt nicht, dass sie sie nicht lieben, aber niemand kann mir erzählen, dass er nicht ähnliche Gedanken hatte, wie Jean-Louis Fournier. Dass man sich nicht selbst Vorwürfe macht, dass man nciht traurig ist, dass das Kind nicht gesund ist. Und es kann auch keiner sagen, dass er nicht irgendwann mal seinem Kind den Vorwurf macht "warum bist du so, wie du bist?"
    Das alles schließt ja die Liebe nicht aus.
    Und genau das versucht Fournier in einem Wasserfall von Sarkasmus und schwarzem Humor darzustellen. Und ich habe trotz all der Seitenhiebe und Anspielungen aus jeder Zeile, bzw eher zwischen jeder Zeile die starke Liebe eines Vaters zu seinen Söhnen gespürt.


    Wenn ich einen Hut aufhätte, würde ich ihn ziehen! Um so etwas zu schreiben braucht man Mut ohne Ende! 10 Punkte!

  • Wie fühlt man sich, wenn man erfährt, dass das eigene Kind körperlich und geistig behindert ist?
    Einige - nicht betroffene - Menschen sind der Meinung, dass es nicht schlimm ist. Dass man diese Kinder genauso lieben kann wie normale Kinder. Und dass diese Kinder einem genauso viel Liebe zurückgeben. Bis auf einige Schwierigkeiten macht es keinen Unterschied, ob das Kind normal oder behindert ist. Doch ist das wirklich so?


    Jean-Louis Fournier ist Vater von zwei geistig und körperlich behinderten Kindern und erzählt in diesem Buch offen und ehrlich, wie es wirklich ist, wie man sich fühlt und welche Probleme auftauchen. Alle Eltern wollen das Beste für ihre eigenen Kinder - doch was ist, wenn man den Kinder nicht das Beste geben kann? Wenn die Zukunftsaussichten von Anfang an trostlos aussehen? Wenn es keine Aussicht auf (geistige) Entwicklung gibt? Fournier beschreibt diesen Zustand der Machtlosigkeit mit folgenden Worten sehr treffend: "Wir brauchten uns nicht den Kopf zu zerbrechen, was einmal aus euch werden würde, denn daran gab es schon bald keinen Zweifel: nichts."


    Gern wäre er ein ganz normaler Vater, der seinen Kindern vorliest und mit ihnen Fußball spielt. Doch was soll man tun, wenn die Kinder fast nichts von dem behalten, was man ihnen erzählt? Oder noch schlimmer: Was ist, wenn man ihnen gar nichts erzählen kann, weil sie taub sind? Wie soll man ihnen Aufmerksamkeit schenken, wenn man sich unfähig fühlt, diese Kinder so zu behandeln, wie sie es verdient hätten? Fournier schreibt in dem Buch, dass man für diese beiden Kinder eine Engeldgeduld braucht, er aber kein Engel ist und mit der Situation nicht so umgehen kann, wie er es gerne möchte, da er überfordert und verzweifelt ist. Er bezeichnet seine eigenen Kinder als Weltuntergänge und vergleicht sie nach dem Aussehen her mit E.T. Das ist verdammt hart, zeigt aber, dass Fournier seine Verzweiflung mit Sarkasmus zu überspielen versucht. Im Laufe des Buches schreibt er auch: "Ich will mich gar nicht über dich lustig machen, sondern im Grunde nur über mich selbst und mir beweisen, dass ich über mein Unglück lachen kann."
    Obwohl Fournier es abzustreiten versucht, merkt man doch, dass er sich auch selbst bemitleidet. Er schafft es einfach nicht, diese schwierige Situation zu meistern, und doch fällt auf, dass er seine Kinder liebt. Besonders schön finde ich folgenden Satz: "Nicht sein wie die andern, heißt nicht zwangsläufig schlechter sein als die andern, es heißt, anders sein als die anderen." Das zeigt immerhin, dass er seine Kinder langsam so akzeptiert hat, wie sie sind. Fournier beschreibt kleine Alltagssituationen, um den Lesern zu zeigen, dass man mit einem behinderten Kind nicht normal umgehen kann. Obwohl er seine Gedanken und Gefühle humorvoll verpackt, fällt doch auf, dass er überfordert ist und sich hilfslos fühlt. Das merkt man zum Beispiel in der Situation, in der sein Sohn Thomas ihn im Auto immer wieder fragt, wohin sie fahren. Erst antwortet Fournier noch wahrheitsgemäß, doch irgendwann gibt er es auf. Er malt sich aus, wie es wäre, das alles zu beenden, sich nicht mehr mit den Problemen auseinandersetzen zu müssen. Auf Thomas Frage, wohin sie fahren, fallen ihm nämlich folgende Möglichkeiten ein:


    "Wir fahren auf die Autobahn, wir spielen Geisterfahrer.
    Wir fahren nach Alaska. Wir streicheln die Bären. Und lassen uns fressen.
    Wir fahren Pilze suchen. Wir sammeln Schleierlinge und machen daraus ein leckeres Omelett.
    Wir fahren ins Schwimmbad, wir springen vom höchsten Turm in ein Becken ohne Wasser.
    Wir fahren ans Meer. Zum Mont-Saint-Michel. Wir gehen im Treibsand spazieren. Und versinken.
    Wir fahren in die Hölle."


    Beim Lesen hat man allerdings das Gefühl, dass Fournier sich bereits in seiner persönlichen Hölle auf Erden befindet.


    Ich finde es sehr positiv, dass er ehrlich und offen ist und nichts verharmlost oder beschönigt. Klar ist es hart, seine eigenen Kinder als Weltuntergang zu bezeichnen, aber zumindest in dem Moment hat er es so empfunden und steht auch dazu. Das Buch macht traurig und nachdenklich und lässt leider einige Fragen offen. Es wird beispielsweise nicht weiter auf das dritte, nicht behinderte Kind von Fournier eingegangen. Allerdings wird angedeutet, dass die Tochter früh verstorben ist.


    Meiner Meinung nach ist das Buch lesenswert, da der Autor es mit wenigen Worten schafft, seinen Zustand so zu beschreiben, dass man seine Gedanken und Gefühle auch dann nachvollziehen kann, wenn man selbst keine (behinderten) Kinder hat. Respekt für diese Ehrlichkeit!

  • Ich habe dies nicht so empfunden, daß die 3. Tochter möglicherweise früh gstorben ist. Wie in etwa stand das im Buch? Ich kann leider nicht mehr nachsehen, ich habe es mir nur ausgeliehen gehabt.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich habe zufällig genau an dieser Stelle gestern mit dem Lesen aufgehört und habe mich auch gefragt, was mit der Tochter nun eigentlich passiert ist.


    Zitat S. 73

    Zitat

    Meine Tochter ist groß geworden, sie ist unser ganzer Stolz. Sie ist hübsch und intelligent. Was für ein schöner Triumph über das Schicksal. Bis zu dem Tag, an dem...
    Aber das ist eine andere Geschichte.

  • Ich hatte auch sofort das Gefühl, dass sie gestorben ist oder vielleicht auch sich dass sie sich das Leben genommen hat... Wenn alles gut wäre, hätte er das ja bestimmt nicht so geschrieben

  • Aaah, danke - an diese Stelle kann ich mich noch erinnern.


    Ich hatte beim Lesen noch überlegt, ob ihr etwas zugestoßen ist, oder ob sie einfach "nur" mit ihren Eltern gebrochen hat. Das gibt es ja auch oft: unterschiedliche Lebensmodelle, unvereinbare Ansichten und man geht getrennter Wege.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich habe das Buch nun auch gelesen und bin ziemlich fasziniert von dem, was Fournier verfasst hat. Es ist ja nicht weniger als seine persönlichste Sicht auf sein Leben als Vater zweier schwerbehinderter Söhne.
    Die Vorstellung alleine reicht schon aus, um zu erschrecken. Ich meine, wie ist das, wenn man sich auf seine kleine Familie freut, mit der man allerhand Pläne hat und dann setzt man zwei schwerbhinderte Kinder in die Welt.
    Ich meine herausgelesen zu haben, dass Fournier sich sein Leben lang Vorwürfe gemacht hat, obwohl er sicher keine Schuld, im Sinne von absichtlicher Verschuldung, trägt. Und dann noch das unerträgliche Gefühl, nicht zu wissen, ob es den Kindern eigentlich gut geht in ihrer Welt, ob alles in Ordnung ist. Nicht zu wissen, ob sie einen lieben, wie andere Kinder ihre Eltern lieben oder ob sie überhaupt wahrnehmen, dass sie selbst geliebt werden.


    Zu Beginn ist das Buch sicher sehr schwarzhumorig und spöttisch. Aber ich empfand diese Szenen eher als kurze Abrechnung bevor es ans Eingemachte geht.


    Zitat

    Die anderen sagen: "Ein behindertes Kind ist ein Geschenk des Himmel". Sie sagen es aber nicht aus Spaß. Und es sind selten Leute, die selbst behinderte Kinder haben.
    Wenn man so ein Geschenk bekommt, möchte man dem Himmel am liebsten zurufen: "Ach, das wäre doch nicht nötig gewesen..."


    Zur Mitte hin wird die Verzweiflung spürbar, das Erkennen der Auswegslosigkeit der Situation. Gegen Ende dann, spürt man ganz deutlich seine überwältigende Traurigkeit.


    Es gibt sicher verschiedene Wege mit Situationen umzugehen. Manche Menschen fallen schon in tiefste Depressionen, weil ihre Hochzeit vielleicht nicht so verlief, wie sie es sich seit frühester Kindheit ausgemalt haben. Jean-Louis Fournier hat offensichtlich nicht aufgegeben. Weder sich noch seine Kinder. Er hat sich nur seinen (schwarzen) Humor als Selbstschutz bewahrt.


    Zitat

    Ich weiß noch, wie ich eines Tages den Chefarzt des Heims, [...], um eine Unterredung gebeten habe. Ich habe ihm meine Sorgen mitgeteilt: Ich frage mich manchmal, ob Thomas und Mathieu vollkommen normal sind...
    Darüber konnte er nicht lachen. Er hatte recht, es war nicht komisch. Nur hatte er nicht begriffen, dass dies meine Durchhalte-Strategie war.


    Natürlich hadert er mit dem Schicksal. Das tun die meisten Menschen schon bei ganz anderen Dingen - und jeder hat ein gutes Recht darauf.


    Der letzte Satz des Buches jedoch, zeigt sehr deutlich, dass Fournier sich sehr wohl seiner selbst und seiner Worte bewusst ist. Und das nicht alles so lustig ist, wie es manchmal zu sein scheint.
    Ein sehr lesenswertes Buch und ein Tabubruch.

  • also ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir seine Tochter geradezu unter den Nägeln brennt. Das ist, als würde er sagen "Ich weiß ein Geheimnis, sag es dir aber nicht."

  • Zitat

    Original von Pilvi
    also ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir seine Tochter geradezu unter den Nägeln brennt. Das ist, als würde er sagen "Ich weiß ein Geheimnis, sag es dir aber nicht."


    Ja, und ganz ehrlich, so etwas empfinde ich dann doch als Effekthascherei - entweder ich habe etwas zu sagen oder nicht... :gruebel