"Blind Faith" - Ben Elton

  • Es gibt leider keine deutsche Übersetzung.


    Ich habe erst überlegt, ob ich das Buch in "Humor & Satire" stelle, aber ich finde doch eher, dass es sich um eine Dystopie handelt. Wir befinden uns irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft. Es ist eng auf der Erde geworden, nachdem als Folge der globalen Erderwärmung die Polkappen abgeschmolzen sind und der Meeresspiegel angestiegen ist, so das ganze Landmassen überflutet wurden und in London ein subtropisches Klima herrscht. Dieses ist jedoch nicht eine von Menschen herbei geführter Effekt sondern eine von Gott gesandte gerechte Strafe, dafür dass die Menschen in der Zeit "Vor Der Flut" (BTF, Before The Flood) wissenschaftliche Theorien entwickelt hatten, die immer weniger Platz für Gott ließen. Zum Beispiel behaupteten die Wissenschaftler damals, der Mensch hätte gemeinsame Vorfahren mit den Affen, oder dass die Erde älter sei als 6000 Jahre. Dieser Irrglaube wurde aber inzwischen überwunden. Heute weiß man, dass Gott die Welt in sechs Tagen geschaffen hat, dass die Sonne um die Erde kreist und dass Fossilienfunde in Gebirgen ein Beweis für die in der Bibel beschriebene Flut sind.


    Großbritannien ist praktisch eine Theokratie. Der "Tempel", die christliche Kirche des Landes, beschließt die Gesetze und das oberste Gesetz ist, dass jeder einen Glauben ("faith") haben, muss. Denn ungläubig zu sein, würde bedeuten, dass man dem Glauben anderer skeptisch gegenüber steht und skeptisch zu sein, würde wiederum bedeuten, dass man den Glauben des anderen nicht respektiert und das wäre gesetzwidrig.


    Die Menschen leben in einer Informationsgesellschaft. Es ist üblich, dass jeder alles von jedem weiß. Jeder ist dazu angehalten, offen über seine Gedanken und Gefühle zu reden und alles zu offenbaren. Jeder muss über sein Leben auf seiner "face page" bloggen, wichtige Ereignisse filmen und auf "WorldTube" hochladen. Es gibt keine Privatsphäre, per Webcam wird alles direkt aus den Wohnungen an die Gemeinschaft übertragen, man kann sich überall reinklicken, wie in einen großen Chat-Raum. Dabei ist es nicht nur eine staatliche Überwachung wie in "1984", sondern vielmehr übt die Kirche über ihre Glaubensregeln gesellschaftliche Kontrolle aus. Der Wunsch nach Privatsphäre gilt als Sakrileg, diesen zu äußern wäre Blasphemie. Ebenso der Wunsch nach Individualität. Man mag, was die Masse mag. Die Menschen setzen sich gegenseitig unter Druck, möglichst viel von sich selbst zu offenbaren. Wer dem nicht Folge leistet, wird geächtet und gemobbt. Ebenfalls nicht erlaubt sind jede Art von Fiktion, sei es in Büchern oder Filmen. Den nur Gott steht es zu, zu schöpfen, als Autor darf man es sich nicht anmaßen, fiktive Figuren oder Handlungen zu schaffen. Das Fernsehen beschränkt sich also auf endlose Nachrichtenschleifen und Reality-TV, die Bücher auf Selbsthilfebücher und religiöse Pamphlete. Mit Sex wird sehr freizügig umgegangen, denn Gott ist Liebe.


    Die Säuglingssterberate ist seit der Flut extrem in die Höhe geschnellt. Nur die Hälfte neugeborenen Kinder erreichen das 5. Lebensjahr. Die Kinder sterben an Krankheiten wie den Masern oder Mumps, denn Impfungen sind illegal. Eine Impfung würde nach Auffassung des Tempels bedeuten, Gottes Plan für das Kind zu antizipieren und sich anzumaßen, in diesen Plan einzugreifen.


    Die Hauptfigur, Trafford, hat immer mehr Zweifel. Er möchte Geheimnisse haben. Und er möchte lernen und zu eigenen Schlussfolgerungen kommen, statt einfach nur blind zu glauben. Und er stößt immer wieder auf Widersprüche. Warum zum Beispiel ist es verpönt, sich mit mehr als einem Bikini zu bekleiden (da Gott die Menschen nach seinem Abbild geschaffen hat, wäre Schamgefühl Blasphemie), gleichzeitig aber werden Frauen aber dazu angehalten, sich ihre Brüste vergrößern zu lassen, denn nur weil man mit kleinen Brüsten geboren wurde, heißt das nicht, dass man sich dafür entscheiden muss, auch mit ihnen zu leben.
    Warum wird Gott dafür gepriesen, ein einziges Kind vor einer Seuche gerettet zu haben, wenn ihm aber gleichzeitig aber auch dafür gedankt wird, 10.000 Kinder zu ihm an einen besseren Ort geholt zu haben?


    Das Krasse an dem Buch ist, dass es gar nicht mal so übertrieben ist. Fast alle diese Ansichten könnte man auch heute irgendwo finden. Zum Beispiel sagte der Bishop of Carlisle 2007 die Überflutungen in Teilen von England seien eine Strafe Gottes aufgrund der Einführung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft in Großbritannien. Und durch die Impfmüdigkeit besteht auch heute schon wieder die Gefahr, dass sich Krankheiten wie Masern, Röteln oder Diphterie wieder ausbreiten.


    Also, das Buch hat mir sehr gut gefallen. Ich weiß gar nicht, wieso das auf Amazon so schlecht bewertet wird. :gruebel


    Über den Autor


    Ben Elton, geboren 1959 in London, studierte an der Universität von Manchester. Seine Romane "Letzter Countdown" und "Abgefahren" waren internationale Bestseller. Mit "Popcorn" (Manhattan, 54018) gelang ihm ein Kultbuch, das wochenlang Platz 1 der britischen Bestsellerlisten besetzt hielt und später auch als Theaterstück unter anderem in Berlin Furore machte. Ben Elton gilt als Englands populärster und erfolgreichster Comedy-Autor sowie stand-up comedian. Auf sein Konto geht auch die Serie BLACK ADDER mit "Mr. Bean" Rowan Atkinson.
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