Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, da ich noch nicht weit gekommen bin.
Ich befinde mich am Ende des ersten Kapitels und bin jetzt schon ganz beeindruckt von dem Buch. Der Erzähler ist wirklich merkwürdig - er beobachtet alles so neutral. Irgendwie bestürzend, da dadurch eine Distanz zum Grauen aufgebaut wird. Vielleicht ist es aber ja tatsächlich Naivität, denn dumm ist der Erzähler ja nicht, nur jung. Und fühlt sich nicht sehr betroffen.
Diese Art des Erzählens macht das Buch für mich bedrückender - alles ist noch ok für ihn, der Leser weiß aber, dass da wahrscheinlich nicht viel gutes kommen wird und wie todernst die Thematik Judenverfolgung und Arbeitslager ist.
Darin erinnert er mich sehr an den Anfang von "Atemschaukel" - man geht ins Arbeitslager, wie man mal in den Urlaub fährt, man kauft eine Reisetasche, packt die schön und bricht, ein wenig ängstlich, aber auch nicht übermässig, ins Unbekannte auf.
Weiter im Text:
Der Erzähler selbst muss ja jetzt auch arbeiten...was er auch relativ emotionslos berichtet. Er beschäftigt sich mehr mit den Erwartungen seiner Mutter und mit seiner neuen Freundin (Annemarie?). Vielleicht ist das aber in Anbetracht seines Alters normal so.
Interessant finde ich die Überlegungen unseres Protagonisten zum Judentum. Seine Familie scheint ja nicht wrklich praktizierend zu sein, also hat er dazu wirklich keinen echten Bezug. Die Überlegung mit den vertauschten Kindern fand ich sehr schön: dass eben diese Kategorie "jüdisch" von außen heran getragen wird und nicht, dass sie etwas mt der Person selbst zu tun hat.
Über das Coverbild habe ich auch nachgedacht, ich habe ja auch die Ausgabe mit dem Vogel und dem Ei.
Für mich ist der Vogel ein Symbol für Freiheit. Das Ei für Neubeginn. Dass der (scheinbar tote) Vogel auf dem Ei liegt (und es bestimmt zerdrückt) hat für mich etwas bedrückendes. Als ob es um Ausrottung ginge. Der Vogel ist tot und sein Nachwuchs wird auch nicht überleben.