Joseph Kanon - Die Tage vor Los Alamos

  • Joseph Kanon
    Die Tage vor Los Alamos
    Karl Blessing Verlag 1997
    1. Auflage
    476 Seiten
    Originaltitel: Los Alamos


    Über den Autoren:
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    Aus der Amazon.de-Redaktion:
    New Mexico, Frühjahr 1945: Unter dem Decknamen "Manhattan Project" arbeiten in Los Alamos hochrangige Wissenschaftler, darunter viele Emigranten aus Europa, fieberhaft an der Fertigstellung der ersten Atombombe. Als ein Sicherheitsbeamter in der Nähe von Santa Fe ermordet aufgefunden wird, steht das bestgehütete Geheimnis des Zweiten Weltkriegs auf dem Spiel... "Die Tage vor Los Alamos ist nicht nur ein erstklassiger Spannungsroman -- er beschwört auch eindringlich die Atmosphäre der vierziger Jahre herauf und sorgt dafür, daß wir eines nicht vergessen: Das Leben geht auch dann weiter, wenn Geschichte gemacht wird." --


    Klappentext:
    Die Tage vor Los Alamos ist nicht nur ein erstklassiger Spannungsroman - er beschwört auch eindringlich die Atmosphäre der Vierziger Jahre herauf und sorgt dafür, daß wir eines nicht vergessen: Das Leben geht auch dann weiter, wenn Geschichte gemacht wird. Newsweek


    Meine Meinung:
    Wenn man mal seine ganzen Bücher in Regale räumt und Ordnung im System schaffen will, findet man das eine oder andere Schätzchen, daß nicht aus dem eigenen Fundus stammt. So ging es mir mit den “Tagen vor Los Alamos” sowie einigen anderen Büchern aus dem Bestand von Mr.Caia, so daß mein SuB durch die Aufräumaktion sogar gestiegen ist.


    Gelesen hab ich es trotzdem, war spannend.


    Michael Connolly ist Journalist und in den USA dafür zuständig, daß einiges an Informationen über den aktuellen Weltkrieg nicht einfach so an die Öffentlichkeit weitergegeben wird. Deswegen ist er den Sicherheitsdiensten zugeordnet und als Angehöriger dieser wird er verpflichtet, einen Mord zu untersuchen: In Santa Fe, New Mexiko, wurde ein anderer Sicherheitsbeamter, Karl Brauner, in einem Park tot aufgefunden - leider mit heruntergelassenen Hosen.


    Die Ermittlungen erweisen sich als zäh, unfruchtbar, langwierig, denn niemand auf dem Testgelände Los Alamos, von allen nur “der Hügel” genannt, hat irgendetwas gesehen, geschweige denn eine nähere Beziehung zum Ermordeten unterhalten. Während auf dem Hügel eifrig und mit Hochdruck weiter an dem “Spielzeug” gebastelt wird und Deutschland kapituliert, spitzen sich die Eregnisse jedoch zu: Connolly beginnt eine Affäre mit Emma Pawlowski, der Frau eines Wissenschaftlers, der auch an der Atombombe baut. Tests werden gemacht, das Auto des Ermordeten wird gefunden und nach und nach klärt sich Connollys Blick auf die Zusammenhänge, denn mit dem Schwulenmilieu hat der Mord an Brauner ganz und gar nichts zu tun…


    Flüssig geschrieben hätte dem Buch ein wenig sorgfältigeres Lektorat sehr gut getan, das eine oder andere Mal wird das Sie der Anrede klein- oder das normale Mehrzahl-Sie großgeschrieben, während sich in das Wörtchen “Im” schon mal ein überflüssiges H einschleicht. Trotzdem war es interessant zu lesen, wenn die Geschichte und die Wissenschaftler, die handeln, rein fiktiv sind. Der Zeitpunkt und vor allem der Schauplatz ist für uns Deutsche eher ungewöhnlich, bei Mai 1945 denken wir jedenfalls nicht an Wüste und Sandsturm, geschweige denn an Atombomben - aber das Buch erinnert auch daran, was hätte passieren können, wenn Deutschland nicht kapituliert hätte. Ursprünglich war die Bombe wohl für unser Land gedacht und was uns da erspart geblieben ist, kann man in Hiroshima und Nagasaki sehen.


    Kanon hat einen soliden Krimi vorgelegt, dessen Spinoageanteil erst im hinteren Drittel so richtig zum Tragen kommt. Leider ist er zwar sprachlich flüssig, aber ein wenig verstaubt, trotzdem solide Kost, die sich da in meinem Regal versteckt hatte.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Meine Rezension:


    Los Alamos 1945: Eine völlig abgeschottete Stadt, in der die besten Wissenschaftler der Welt dabei sind, durch die Entwicklung einer neuen Waffe, den Zweiten Weltkrieg endgültig zu beenden. Das, was auf dem Hügel in der Wüste von New Mexico nur als "das Spielzeug" bezeichnet wird, wird die ganze Welt verändern, doch nur die wenigsten der Menschen, die an dem streng geheimen Projekt beteiligt sind, machen sich darüber Gedanken. Als einer der Sicherheitsleute meilenweit entfernt tot und mit heruntergelassener Hose aufgefunden wird, gilt es, den Fall möglichst schnell und glatt aufzuklären, denn oberste Priorität ist, das Projekt nicht zu gefährden. Um keinen Preis. Spezialagent Michael Connolly, eigentlich dafür zuständig, die Ereignisse des Krieges, in den Zeitungen "schön zu schreiben", soll den Tod des Mannes unauffällig aufklären und gerät mitten hinein in einen Mikrokosmos mit eigenen Regeln.


    Joseph Kanon hat mit "Die Tage vor Los Alamos" eine Spionagegeschichte geschrieben, die weniger durch ihre Spannung und ihre Raffinesse als durch ihr besonderes Setting überzeugt. Die Umgebung, die Strukturen, die fiktionalen wie historischen Charaktere - alles ist glaubwürdig und lebendig, mit vielerlei Details versehen, beschrieben, so dass sich der Leser tatsächlich nach Los Alamos versetzt fühlt. Und dabei erlebt er genau die Unwirklichkeit, die wohl auch die damals Beteiligten erlebt haben mussten, die sich dem Bau der ersten Atombombe verschrieben haben. In dieser eigenen Welt aus Militär und Wissenschaft, die unter strengster Geheimhaltung existiert und in der sich alle nur dem einen Ziel verschrieben haben, gelten andere Gesetze, werden Persönlichkeiten zu Aufgabenerfüllern und individuelle Schicksale zu einer Aktennotiz. Es ist surreal, wie die endlose Weite der Wüste durch die Handlungen, die hier vor sich gehen, eine derartige Beklemmung auslösen kann und wie Menschen auf ihre eigene Art versuchen, auf die ein oder andere Art auszubrechen. Obwohl die Geschichte von Joseph Kanon in der Mitte einige Längen hat und ich sie als Spionagethriller kaum empfehlen würde, ist sie doch eine sehr überzeugende Beschreibung einer Ausnahmesituation, die sowohl befremdet als auch fasziniert und von diesem Aspekt her zu lesen lohnt!


    Deshalb gute 7 Punkte!