Thomas Plischke - Kalte Krieger

  • Klappentext:


    In Portland verschwindet eine junge Frau spurlos. Eine andere wird erfroren aufgefunden – mitten im Hochsommer. Als die Psychologiestudentin Amy Marsden hier ihr Pflichtpraktikum absolvieren will, gerät sie in eine Verschwörung unüberschaubaren Ausmaßes. Gemeinsam mit dem Psychologen Michael Beaumont findet sie heraus, dass sie über besondere Fähigkeiten verfügt. Denn es gibt sie wirklich: Menschen mit Superkräften! Sie sind unter uns. Und nicht alle stehen auf unserer Seite…


    Meine Meinung:


    In zwei verschiedenen Zeitebenen lernen wir die beiden Protagonisten dieses Buches kennen. Amy Marsden ist Psychologiestudentin und möchte ihr Praktikum bei Michael Beaumont in Portland absolvieren. Direkt beim Einstellungsgespräch bekommt sie einen Einblick in Michaels Arbeit, als er Barbara Walters, die völlig aufgelöst in seiner Praxis erscheint, wieder beruhigt nach Hause schicken kann. Barbara macht sich Sorgen um ihre Tochter Nina, Michaels Patientin, die anscheinend verschwunden ist. Kurz nach ihrem Erscheinen bekommt Michael einen Anruf von der Polizei, die eine weibliche Leiche gefunden hat. Nina? Und bevor Amy überhaupt ihr Einstellungsgespräch beenden kann, ist sie schon mitten in den Ereignissen involviert.


    10 Jahre vorher lernen wir Nina Walters kennen, eine schüchterne, introvertierte 15jährige Schülerin, die für drei Monate in ein Sommercamp geschickt wird. Nina ist sich noch nicht sicher, was wohl besser sein wird, drei Monate mit fremden Kindern zu verbringen oder zuhause den Scheidungskrieg ihrer Eltern mitzubekommen. Sie möchte nicht auffallen und versucht sich immer anzupassen, aber leider sucht sich ausgerechnet das unmöglichste Mädchen sie sich als Freundin aus. Jewel ist punkig und eckt überall an, sie sagt, was sie denkt – und das nicht immer sehr freundlich. Sie provoziert gerne, aber je näher Nina sie kennenlernt, sieht sie auch ihre guten Seiten.


    Schnell wird klar, dass in diesem Camp etwas vorgefallen ist, was Nina bis heute nicht loslässt. Als eigentlich talentierte Malerin hat sie doch einige psychische Probleme, die sie aber mit Michaels Hilfe recht gut in den Griff bekommt. Zumindest dachten alle so, denn als sie verschwindet, ist auch Michael ratlos, wo er sie suchen soll. Als dann noch eine weitere Leiche auftaucht, spitzt sich die Situation dramatisch zu.


    Amy spielt anfangs noch mit dem Gedanken, wieder zurück nach Hause zu gehen, aber in ihrer Wohnung sitzt ihr Exfreund, dem sie noch zugesagt hat, ihre Wohnung nutzen zu dürfen. Wegrennen kommt gar nicht in Frage, bevor sie Michael nicht zeigen kann, was in ihr steckt. Er verlangt allerdings auch eine Menge von ihr, zielsicher läuft sie in jedes Fettnäpfchen und suhlt sich teilweise sogar regelrecht darin. Ständig passiert ihr etwas Ekeliges, leider kann sie nicht immer Michael dafür verantwortlich machen. Dann kommt auch noch Vince, der nette Gerichtsmediziner, ins Spiel. Und nach und nach offenbart ihr Michael, welche Kräfte wirklich in allen stecken. Wird Amy mit der Wahrheit umgehen können?


    Nina durchlebt in ihrem Camp die Qualen der ersten Liebe. Pete ist ein netter Junge, der gerne Gedichte und kleine Geschichten schreibt und der sie auch mag. Allerdings ist ihr gemeinsamer Weg sehr steinig, auch Nina findet die Fettnäpfchen und Pete ist oft der Leidtragenden. Dann kommt auch noch Alex, der nette Betreuer, ins Spiel, der es meisterhaft versteht, Nina zu betören. Das Camp wird von der Regierung gesponsert, mit der Maßnahme, Kinder mit besonderen Fähigkeiten herauszufiltern und für ihre Zwecke zu rekrutieren. Welche Kräfte haben wohl Nina, Pete, Jewel und ihre Freunde? Wie werden sie weiterleben können, nachdem, was sie im Camp erfahren haben?


    Die Charaktere sind sehr vielschichtig, sie handeln nie nach einem strukturierten Muster und das macht die Geschichte so faszinierend. Plischke beschreibt anschaulich, in welche Dilemmas seine Charaktere geraten, er gibt ihnen Form, und egal ob es die Jugendlichen im Camp oder die Erwachsenen in Portland sind, sie sind authentisch und sympathisch – selbst die Bösewichte.


    Dies ist kein Thriller, der mit einem neuen Heldenimage spielen will. Eher im Gegenteil, fast bis zum Schluß merkt man wenig von den besonderen Fähigkeiten. Und selbst dann sind es Kräfte, die realistisch klingen, die man sich sogar vorstellen kann. Stecken nicht in jedem von uns unentdeckte Superkräfte? Was ist mit der Mutter, die mal eben das Auto anhebt, weil das Kind darunter liegt? Wie oft ist man unter Druck schon über sich selbst hinausgewachsen? Hat sich aus unwegsamen Situationen gerettet, manchmal nur mit der Kraft der Gedanken? Jeder kann mit den richtigen Worten eine Menschenmenge aufwiegeln. Es gibt Menschen, die andere betören können, die alleine schon durch ihre Anwesenheit beruhigen. Auch die Projektion von eigenen Gefühlen auf andere ist keine ungewöhnliche Gabe, nicht umsonst kann man Freude teilen oder andere mit sich herunterziehen. Die Geschichte regt zum Nachdenken an, aber solange es Menschen gibt, die mit ihrer Gabe das Gedächtnis anderer verändern können, werden wir wohl nie Gewissheit haben, ob es nicht doch solche Menschen unter uns gibt. Wissen Sie genau, mit wem sie schon alles geredet haben? Und worüber?


    Plischke verliert sich allerdings in Nebensächlichkeiten. Es ist unglaublich, wie viele Wörter er für einen einfachen Tatbestand braucht. Dadurch macht er es dem Leser recht schwer, sich zu konzentrieren und bei der Stange zu bleiben. Denn genau wie Plischke verliert man sich und die Gedanken fliegen, so dass man sich jedes Mal nach einem Exkurs wieder in Erinnerung rufen muss, wo die Story gerade stehen geblieben ist. Wären die Ausflüge in die Abschweifungen nicht so gut pointiert und mit humorvollen und sarkastischen Wörtern ausgestattet, käme Langeweile auf. Aber Plischke beherrscht die Kunst des Nebenhererzählens, es macht Spaß, seinen sprunghaften Gedanken zu folgen. Zwischenzeitig nimmt die Geschichte sehr an Fahrt auf, sie ist spannend wie es sich für einen Thriller gehört. Leider bleiben am Ende noch einige Fragen offen, zwar nichts Elementares für die Auflösung, aber einige angefangenen Geschichten werden einfach nicht zu Ende erzählt. Die Schrift ist recht klein und eng gesetzt, so dass man noch gefühlte 100 Seiten mehr liest.


    Fazit


    Einen atemberaubenden Thriller mit einem Hauch Fantasy hat Thomas Plischke hier geschaffen. Wer es schafft, konzentriert bei der Sache zu bleiben und sich nicht zu sehr vom Schreibstil ablenken zu lassen, bekommt eine schmackhafte Geschichte serviert, die Fiktion und Realität zu einem gelungen Gericht verbindet. Auf jeden Fall aber einen Roman, der den Leser auf die Spur zu Superkräften führt, nämlich zu den eigenen.


    LG
    Patty

  • Ich mag gehaltvolle Superheldencomics, war ein großer Fan der TV-Serie „Heroes“ und freue mich über interessante Thriller vor allem von deutschen Autoren – also dachte ich, in der besten Voraussetzung, für Thomas Plischkes „Kalte Krieger“ zu sein. Die Zusammenfassung auf dem Buchrücken klang auch wirklich viel versprechend. Die Umsetzung allerdings…
    Auf den ersten zweihundert Seiten beginnen die Kapitel mehrfach mit guten Absichten, aber dann verliert sich Autor Plischke zu sehr in Nebensächlichkeiten und Unwichtigem, so dass die eigentliche Story auf der Strecke bleibt. Wirklich viel passierte da auch nicht, außer dass sich Amy mit ihrem neuen Chef Michael etliche ellenlange Diskussionen liefert und dass Nina im zweiten Handlungsstrang ihre Teenagerproblemchen mit Jewel, Alex und den anderen Leuten im Camp hat. Ich möchte nicht ausschließen, dass es später noch interessant(er) wird, für mich allerdings war der Zug nach der knapp der Hälfte des Buches abgefahren. Normalerweise lege ich Romane, die mich nach hundert Seiten noch nicht gefesselt haben, bereits zurück. Ich habe den „Kalten Kriegern“ also durchaus ihre Chance gegeben…