Liebe und Sommer - William Trevor

  • Hoffmann und Campe Verlag, September 2009
    gebundene Ausgabe, 220 Seiten
    OT: Love and Summer
    Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser


    Kurzbeschreibung
    Mit einer Tschechow'schen Note von Verlust und Sehnsucht erzählt William Trevor eindringlich von der Liebe eines Sommers.


    Florian Kilderry hält sich im ländlichen Rathmoyes auf, um den Besitz seiner verstorbenen Eltern aufzulösen. Als er mit seiner Kamera die Gegend durchstreift, trifft er auf die Trauergäste einer Beerdigung, unter denen auch Ellie Dillahan ist. Der unabhängige Mann und die verheiratete Farmersfrau fühlen sich spontan zueinander hingezogen und treffen sich fortan heimlich auf einem abgelegenen Anwesen. Ellie ist hin- und hergerissen zwischen ihrem eintönigen, aber sicheren Leben an der Seite ihres Mannes auf dem Hof und den Verlockungen, die der geheimnisvolle Unbekannte verheißt. Auch wenn sich die beiden in ihrem Geheimnis sicher wähnen, bleibt ihre Affäre von einigen Bewohnern Rathmoyes' nicht unbemerkt.


    Über den Autor
    William Trevors umfangreiches Werk umfasst Romane und Erzählungen und wurde mit zahlreichen literarischen Preisen ausgezeichnet. Sein letzter Roman »Die Geschichte der Lucy Gault« (2003) war für den Booker Prize nominiert. Bei Hoffmann und Campe erschienen außerdem die Erzählungsbände »Seitensprung« (2005), »Tod des Professors« (2007) und »Geborgtes Glück« (2008). Der Roman »Felicias Reise« erschien 2009 in einer komplett überarbeiteten Übersetzung.


    Meine Meinung
    Die beschauliche Ruhe in dem kleinen irischen Städtchen Rathmoye wird kurz unterbrochen, als fast alle Einwohner zur Beerdigung der einflussreichen Mrs. Connulty gehen. Es ist Ende der 1950er Jahre und den Connultys gehören neben einem Pub, einem Kohlenlagerplatz und einem Gästehaus einige Immobilien der Stadt.
    Darum kümmern sich die Kinder der Verstorbenen, die verkniffene Miss Connulty, die keinen anderen persönlichen Namen hat, und ihr Zwillingsbruder Joseph Paul.


    Nicht unbemerkt bleibt, dass ein fremder junger Mann die Trauergemeinde fotografiert. Dieser Fremde, Florian Kilderry, hat von seinem vor kurzem verstorbenen Vater den heruntergekommenen Landsitz Shelhanagh geerbt, den er nun verkaufen möchte.
    Mit der Frage, wessen Beerdigung dies denn sei, wendet er sich an die junge Elli Dillahan. Ellie kam aus einem katholischen Heim zu dem älteren Witwer und Bauern Dillahan, mit dem sie inzwischen verheiratet ist.
    Als Ellie Florian im Supermarkt wiedertrifft, fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Einige Zeit später kommt es zu heimlichen Treffen der beiden an einem alten Pförtnerhäuschen.
    Heimlich? Miss Connulty bemerkt, dass sich die beiden zweifellos sehr gut kennen.
    Auch der alte und verwirrte Opren Wren, früher Bibliothekar einer angesehenen Familie, der sowohl in der Gegenwart, wie in der Vergangenheit lebt, sieht und weiß mehr, als viele denken.


    Ellie ist verheiratet, sie hat es gut bei ihrem Ehemann, Florian will auswandern, am liebsten nach Skandinavien. Auch ist da noch seine Cousine Isabella, die seine Gedanken in Anspruch nimmt.
    Liebe für einen Sommer - „Dinge enden“, sagt Florian.


    William Trevors Roman ist ein Buch der leisen Töne. Vieles deutet er nur an. So lässt der Autor seinen Protagonisten, Ellie, Florian, den Bewohnern Rathmoyes viel Raum, sich zu entfalten. Man spürt und erfährt von Tragödien und tragischen Geschehnissen, die das Leben einzelner Bewohner und das Provinzleben geprägt haben.


    William Trevor entwirft schlichte, sensible, unaufgeregte Bilder eines eingefahrenen Lebens, man erahnt die Hoffnungen, Erwartungen und Enttäuschungen. Die Figuren warten, sie warten auf das Glück. Der Autor lässt den Leser in dieses eintönige Provinzleben eintauchen und die Einzigartigkeit seiner Charaktere hautnah erleben. Eine melancholische Stimmung liegt über der Enge des Städtchens Rathmoye.
    Aber das Leben geht weiter, auch in Rathmoye.


    9/10 Punkten

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

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  • Vielen Dank Sigrid für die überzeugende Rezi.
    Unnötig zu sagen, dass das Buch nun bald angeschafft wird ;-), bzw. schonmal auf die WL kommt

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Ich fand das Buch gleich interessant, nach dieser Rezension noch mehr!
    Danke, Sigrid! :wave


    Zitat

    Der Roman »Felicias Reise« erschien 2009 in einer komplett überarbeiteten Übersetzung.


    Das ist interessant! Ich habe den Roman in der alten Übersetzung gelesen und war nicht 100% überzeugt, aber vielleicht lags wirklich an der Übersetzung. Könnte sein.


    Zitat

    »Die Geschichte der Lucy Gault« (2003) war für den Booker Prize nominiert.


    Den habe ich in Englisch gelesen, fand ihn gut, habe aber vielleicht auch nicht alles verstanden.


    Fazit: Man sollte unbedingt mal wieder William Trevor lesen.

  • Ich habe das Buch nun (auf Englisch) gelesen, aber mir hat es leider nicht so gut wie Sigrid gefallen. Ich kann zwar der Einschätzung zustimmen, dass es schlicht und unaufgeregt ist - aber aus meiner Sicht zu schlicht und unaufgeregt. So richtig warm geworden bin ich mit den Protagonisten nicht und daher dümpelte das Buch die meiste Zeit nur vor sich hin, sodass ich am Ende froh war, eben jenes erreicht zu haben.


    Von mir nur knappe 5 Punkte.


    Edit: Das Buch ist übrigens inzwischen auch als Taschenbuch erschienen.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

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