Barry Unsworth: Die Masken der Wahrheit

  • Originaltitel: Morality Play


    Zum Inhalt (amazon)


    Eine Schauspielertruppe zieht durch das von Krieg und Pestilenz verwüstete England des Mittelalters. Doch mit den traditionellen Themen und Allegorien des Theaters - Gott und Teufel, Hochmut und Frömmigkeit, Tod und Narr - lässt sich kein Publikum mehr fesseln. Warum nicht einmal etwas ganz anderes zeigen? Ihre Wahl fällt auf einen jüngst verübten Mord - und das Stück entgleitet ihnen ... Ein faszinierender Mittelalter-Roman über das Theater, über einen Mord und über das Spiel mit der Wahrheit.


    Autoreninfo bei amazon


    Barry Unsworth wurde 1930 in einer Bergarbeiterstadt in Durham geboren, ging in Stockton-on-Tees zur Schule und studierte in Manchester. Er lebte lange Jahre im östlichen Mittelmeerraum und arbeitete in Athen und Istanbul als Englischlehrer. 1966 erschien sein erster Roman, dem mittlerweile zwölf weitere gefolgt sind. Barry Unsworth lebt heute mit seiner Frau in Umbrien. Er ist Mitglied der "Royal Society of Literature".


    Eigene Beurteilung


    Die Handlung dieses Romans wird als Ich-Erzählung aus der Perspektive des entlaufenen Priesters Nicholas Barber erzählt, der in der zweiten Hälfte des 14.Jahrhunderts zufällig auf eine wandernde Schauspieltruppe trifft, die in verschiedenen Dörfern die damals beliebten Moralitäten aufführt. Er schließt sich der Gruppe an und nimmt den Platz eines gerade verstorbenen Mitglieds ein. Als sie in einen Ort kommen, in dem gerade ein zwölfjähriger Junge ermordet aufgefunden wurde und die Tochter des Webers als Täterin auf ihre Hinrichtung wartet, hat der Anführer der Schauspieler die revolutionäre Idee, diesen Mord in einem Schauspiel aufzuführen. Die Schauspieler sammeln Informationen über die Tatumstände und gelangen dabei zu dem Schluss, dass die junge Frau unschuldig sein muss. Bei ihren "Ermittlungen" stochern sie in einem Wespennest herum und geraten in Gefahr...
    Auch wenn der Roman um einen Mordfall kreist, handelt es sich hier nicht um einen spannenden Krimi, sondern um einen historischen Roman über die frühe Entwicklung des Theaters von den lMoralitäten mit ihren stereotypen, allegorischen Figuren zu Aufführungen über Vorkommnisse des wirklichen Lebens, in denen sich die althergebrachten allegorischen Figuren mit ihren typischen Masken mit realen Charakteren mischen.
    Beeindruckend fand ich die Darstellung des Lebenskampfes der wandernden Schauspieltruppen, die nie wussten, woher ihre nächste Mahlzeit kommen würde. In einer Zeit, in der Obrigkeiten-Willkür und Krankheiten (Pest) das Leben bedrohten, hatten besonders die kleinen Leute (wie z.B. auch der Weber) nichts zu lachen. Dass sich überhaupt jemand um den Fall der verschwundenen Kinder aus der Unterschicht gekümmert hat, finde ich recht erstaunlich und ich bezweifle, dass man damals wirklich wegen eines solchen Kindes eine Exhumierung vorgenommen hätte, wenn man riskierte, damit den Lord zu verärgern.
    Die Sprache der englischen Originalausgabe hat mich in ihrem gepflegten Stil an die Bücher von C.J.Sansom erinnert.


    Vermisst habe ich ein Nachwort mit zusätzlichen Ausführungen zur (Früh-) Geschichte des Theaters, das in einem so anspruchsvollen Roman angebracht gewesen wäre, zumal sicherlich manche Leser zuvor nie von Moralitäten gehört haben. Außerdem hätten meiner Meinung nach die lateinischen Sprüche von Nicholas in einem Glossar übersetzt werden müssen, da vermutlich auch Leser ohne Latinum dieses Buch lesen möchten. :-)


    Fazit:
    Wer einen actiongeladenen Krimi erwartet, ist mit diesem Buch nicht gut beraten, für Leser mit Interesse an an guten historischen Romanen und an der Geschichte des Theaters ist es jedoch durchaus empfehlenswert.

  • Das Buch habe ich im Juni des letzten Jahres gelesen und kann mich Deiner Rezi anschliessen.
    Eine schöne, atmospärische Darstellung des Schauspiels und des Schauspielerlebens im 14. Jahrhundert über die ich so bisher nichts gelesen habe.


    Als Nichtlateiner bin ich Kummer gewohnt und überlese solche Teile einfach. Wie meist hat es auch hier meinen Lesespaß nicht geschmälert oder das Verständnssi beeinträchtigt.


    Für mich zählt dieser Autor zu der Kategorie historischer Romane, die uns Vergangenheit nahebringen wollen und sie nciht als Tapete benutzen.


    Für "Historikuse" eine Leseempfehlung


    Es gibt übrignes noch eine zweite deutsche Ausgabe

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Das sklavenschiff habe ich noch gut in Erinnerung, allerdings ist es schon mehr als 10 Jahre her ist, das ich es gelesen habe.
    Und ein bisschen Ahnung vom Segeln, wie Luv, Lee, Schotten, Takelage usw. hilft dem Lesefluß.


    kurzínhalt von amazon


    Zitat

    Immer wieder gibt er seine Geschichte zum besten, der hochbetagte Mulatte aus New Orleans, von einem Schiff erzählt er, das aus England kam, mit schwarzen und weißen Menschen an Bord, von einer Meuterei, die blutig endete, von der Landung und von einem wunderbaren Ort im Dschungel. Niemand schenkt seinen Worten Glauben, und doch hat es das Schiff mit der "schwarzen Ware" gegeben, den Aufstand und auch die Siedlung an den Gestaden Floridas, wo es sich friedlich leben ließ, bis die Weißen das Paradies zerstörten und die Bewohner unter ihre Knute zwangen. "Ein eindrucksvolles Werk - farbenprächtig, dramatisch und handlungsstark." (New Statesman.)

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Ein Haus in Umbrien SUBbt noch bei mir


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    Zitat

    "Alte Häuser reißt man ab, neue werden errichtet. Bei den menschlichen Beziehungen, Geflechten aus Liebe und Zuneigung, war es nicht viel anders. Auch da gab es stets Fehler in den Fundamenten, einsetzende Senkung und beginnenden Zerfall, Gefahren, auf die man achten mußte, damit das Gebäude nicht einstürzte."
    Auf dem Boden Umbriens, im Herzen Italiens, wo selbst die Ortsnamen von einer alten, blutigen Vergangenheit zeugen, versuchen manche ein Zuhause zu finden. Zwischen den tragischen und absurden, komischen und erhebenden Ereignissen zeichnen sich die Schicksale von Menschen unterschiedlicher Herkunft ab, die eines gemeinsam haben: Sie sind Figuren im Spiel eines geheimnisvollen Mannes, der vielleicht nur ein italienischer Anwalt, vielleicht der Teufel selbst ist.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • "die vergangenheit nahebringen und nicht als tapete benutzen" trifft es auf den punkt.
    allerdings stimme ich auch dem threaderöffner zu, dass etwas hintergrundinformationen wünschenswert gewesen wären.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)