Monika Feth: Die blauen und die grauen Tage [ab 10]

  • Gut dass Evis Familie noch ein Gästezimmer hat. Als die Oma wegen zunehmender Verwirrtheit nicht mehr allein leben kann, nimmt Evis Familie sie bei sich auf. Oma zieht in Evis Zimmer und Evi siedelt ins Gästezimmer über. Evi ist die jüngere von zwei Schwestern. Die Eltern der Mädchen sind berufstätig; im Haushalt wurde bisher stets nur das Nötigste erledigt. Bevor Oma Rente erhielt, war sie immer berufstätig. Nun übernimmt sie als 76-jährige die Führung des 5-Personen-Haushalts. Das idyllische Szenario einer Großfamilie, könnte man meinen. Doch eines Tages ist die Oma verschwunden. Evi findet die alte Dame schwach und verwirrt am Hauptbahnhof; allein hätte sie nicht wieder zurück gefunden. Die Großmutter empfindet ihre zunehmende Verwirrtheit und Vergesslichkeit selbst und leidet sichtlich darunter. Als Ausweg sieht sie selbst nur die Möglichkeit, sich um einen Platz in einem Altenheim zu bewerben. Evi führt gemeinsam mit der Oma ein Tagebuch und notiert die blauen, die guten, und die grauen, die verwirrten Tage. Solange die blauen Tage überwiegen, ist doch noch alles in Ordnung mit Oma, möchte Evi gern glauben. Evis Eltern verschweigen das Problem. Sie wollen weder die Oma verletzen, indem sie ihre Verwirrtheit ansprechen, noch ihre jüngere Tochter mit ihren Sorgen belasten. Doch allmählich wird die Last durch die Erkrankung deutlich und der Ton in der Familie gereizter. Evi verbringt tagsüber am meisten Zeit von allen mit ihrer Oma. Darum lassen sich ihre berechtigten Sorgen ganz und gar nicht durch Nicht-Kommunizieren beschwichtigen. Schließlich versucht Evi, die Situation mit einer verrückten, spontanen Aktion zu retten.


    "Die blauen und die grauen Tage" schildert den gut gemeinten und doch aussichtslosen Versuch, ein an Altersdemenz leidendes Familienmitglied möglichst lange zu Hause zu versorgen. Die Autorin schildert die Perspektive der verwirrten Patientin und die Belastung gerade der jüngeren Tochter eindringlich und in sehr poetischen Szenen. Auch die Verdrängung der schockierenden Diagnose durch Nicht-Kommunikation in der Familie finde ich sehr treffend beschrieben. Monika Feth konzentriert sich in ihrer Erzählung auf die Innenwelt der Beteiligten und auf das Problem der Unterbringung der Oma. Eine realistische Darstellung hätte auch die Belastung in Evis Familie durch Arztbesuche, Behördengänge und ein Betreuungsverfahren angedeutet. Jugendliche Leser können akzeptieren, dass eine an vaskulärer Demenz leidende 76-Jährige sich nicht mehr wie geschildert mühelos in einem fremden Haushalt zurechtfinden und ihn selbständig führen kann. Obwohl das 1996 erschienene Buch die Situation und die spätere Lösung des Problems stark beschönigt, ist es ein erster Schritt, Jugendlichen das Problem Demenz nahe zu bringen.