Spieltrieb von Juli Zeh

  • Hallo Ihr alle!


    Ich bin heute erst auf das Forum gestoßen und hoffe, dass es mit meinem ersten Beitrag klappt, da sich mein Umgang mit dem PC in ganz engen Grenzen hält. Ich versuch das jetzt einfach mal:


    Ich habe gerade Spieltrieb von Juli Zeh zu Ende gelesen und bin tief beeindruckt vom Thema und der Sprache dieses Buches.


    Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt:
    An einem Bonner Gymnasium lernen sich die Schülerin Ada und der Schüler Alev kennen, die beide einer Generation angehören, für die angesicht der Welt, in die sie hineingeboren wurden, jegliche moralische Wertvorstellung unhaltbar geworden ist. Für Ada und Alev besteht der eigentliche Sinn des Lebens ausschließlich im Spiel. Diesem Spieltrieb der beiden Schüler fällt der Deutschlehrer Smutek zum Opfer. Anhand des perfiden Spiels, das Ada und Alev ihrem Lehrer aufzwingen, zeigt Juli Zeh eine Wirklichkeit auf, in der nicht mehr festgelegt werden kann, was moralisch oder unmoralisch, gut oder böse ist:


    "Wenn das alles ein Spiel ist, sind wir verloren. Wenn nicht-
    erst recht."


    Dabei bedient sich Juli Zeh einer metaphorischen Sprache, wie sie mir bisher noch nie begegnet ist und die mich unglaublich beeindruckt hat.


    Leider ist das Buch erst vor kurzem erschienen und somit noch nicht als Taschenbuch erhältlich, aber da Weihnachten vor der Tür steht...


    Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn mir jemand, der das Buch auch gelesen hat, seine Meinung darüber schreibt.


    Bis dahin viele Grüße


    Seestern

  • Hallo Seestern und herzlich Willkommen bei uns... :-)


    Da dies ja schon eine schöne Vorstellung ist, habe ich den Beitrag mal in "Belletristik" verschoben... :-)


    Außerdem möchte ich Dich bitten doch bei einer Vorstellung in Deinem Beitrag oben die ISBN-Nummer anzugeben, damit das Cover des Buches unten in Deinem Beitrag erscheint und Deine Vorstellung so auch in unser Verzeichnis (s.o. im Forum) rutscht. Ich hab das jetzt mal für Dich gemacht... ;-)


    Viel Spaß weiterhin... :wave

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Juli Zeh heißt wirklich so, genauer Julia Zeh.
    Ob bei dem Namen ein Pseudonym ratsamer gewesen wäre, darüber ließe sich vermutlich streiten ;-)


    Ich habe mir das Buch eben bestellt, bin gespannt, ob es irgendeine Ähnlichkeit mit ihrem ersten Roman hat, den ich schon gelesen habe...


    Lieben Gruß, Sarah

  • Juli Zeh ist eine tolle Autorin, "Spieltrieb" liegt auf meinem SUB; hier meine Meinung zu ihrem Erstling, "Adler und Engel":


    Max war Anwalt in der Wiener Kanzlei des Juristenmoguls Rufus, Max wurde nach Leipzig versetzt, in die Dependance, um sich mit der EU-Osterweiterung zu befassen, nachdem in Wien der Balkan sein Spezialgebiet war. In Leipzig lebt er mit Jessie zusammen, der kleinwüchsigen Tochter von Herbert, seines Zeichens einer der größten Drogenbosse Europas. Als sich Jessie während eines Telefongesprächs mit Max durch einen Schuß in den eigenen Schädel tötet, stürzt Max ab, fast endgültig - wäre da nicht die toughe Clara, eine Rundfunkjournalistin, die nach Max' Anruf in ihrer Late-Night-Talk-Sendung eine ganz große Story wittert - beziehungsweise ein Thema für ihre Diplomarbeit. Sie nimmt sich des kokssüchtigen, eloquenten, herrischen, selbstzerstörerischen Typen an, bringt ihn dazu, seine Lebensgeschichte zu erzählen, sogar, mit ihr nach Wien zu fahren, um die Hintergründe zu durchleuchten, und ihr Engagement in dieser Sache reicht über "Selbstaufopferung" weit hinaus.


    Hört sich verwirrend an, ist es aber nicht. "Adler und Engel" kommt mit seinen beiden Protagonisten und einer Handvoll weiterer Figuren aus, und die Tour de Force des seltsamen Paars wird sehr eindringlich, fast drückend geschildert; während des Lesens kommt ein Gefühl der Schwüle auf, ein Bild, das nicht zuletzt deshalb naheliegend scheint, weil es im Roman selbst benutzt wird - die permanente Hitze in Wien, das Leiden der Figuren, alles steht kurz vor dem Aus- oder Zusammenbruch, mittel- und unmittelbar. Im letzten Kapitel endlich kommt der Regen, erfrischend auch für den Leser. Bis zur Selbstaufgabe hat Clara gekämpft, um hinter die Geheimnisse ihres "Schützlings" zu kommen, jene gewaltigen, vernichtenden, bedrohlichen Geheimnisse, die zu erfahren auch im Interesse des Drogenbosses Herbert und des hauptamtlichen EU-Vergewaltigers Rufus liegt.


    Juli Zeh erzählt in harter, manchmal sehr direkter, manchmal etwas zu bildhafter Sprache, "männlich", möchte man sagen, dann wieder wird die Verletzlichkeit der Figuren spür-, fast greifbar. Ein Buch, das wirklich in den Bann zieht, vor allem sprachlich, trotz der - m.e. grundlos - fehlenden Anführungszeichen bei direkter Rede, trotz des etwas brachial zur Punktlandung gebogenen Endes, trotz der gelegentlich haarscharf an der Unglaubwürdigkeit lavierenden Kasteiung seiner Helden. Dringende Empfehlung.

  • seufz.. ich hab ja auch grad das Hörbuch (Adler und Engel) gehört, und das war so konfus und seltsam, daß ich mir ein Buch von dieser Autorin erstmal nicht geben muß... nä.... nicht mein Fall

  • Hallo!


    Als absoluter Juli Zeh Fan habe ich via Suche diesen thread ausgegraben.
    Ich muss ehrlich sagen, ich warte zwar auf die Taschenbuchausgabe von "Spieltrieb", bin aber total begeistert von "Adler und Engel" und "Die Stille ist ein Geräusch". Obwohl ich Reiseberichte eigentlich gar nicht mag. ;-)


    Ihre Sprache ist so wunderschön!


    Lg
    Taschenbuch

    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das nicht allemal das Buch.
    Georg Christoph Lichtenberg

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  • Inhaltsangabe (Klappentext)


    Tief im Westen der Republik in unseren Tagen, an einem Bonner Gymnasium, entwickelt sich die atemberaubende Geschichte einer obsessiven Abhängigkeit zwischen einer Schülerin und einem Schüler, Ada und Alev, aus der sich erst die Bereitschaft, dann der Zwang zu Taten ergibt, die alle Grenzen der Moral, des menschlichen Mitgefühls und des vorhersehbaren Verhaltens überschreiten. Die beiden jungen Menschen wählen sich ihren Lehrer Smutek als Ziel einer ausgeklügelten Erpressung. Es beginnt ein perfides Spiel.
    Ganz ruhig fängt es an: Ada, überaus selbstbewußte Schülerin, vierzehn Jahre alt, kommt neu an ein Gymnasium namens Ernst-Bloch, wo der Alltag sie nicht fordert und die Lehrer meist schwache Gegner beim intellektuellen Kräftemessen sind. Anfangs erregt Ada auf Ernst-Bloch wenig Aufmerksamkeit. Das soll sich ändern im Fortgang dieses Romans.
    Während im Großen und Ganzen der Weltpolitik die Fronten von "Gut" und "Böse" unter dem Eindruck des Terrorismus und den Spätfolgen einer zusammengestürzten Weltordnung durcheinander geraten sind, entwickelt sich im Mikrokosmos auf Ernst-Bloch eine mitreißende Geschichte, die die unausweichlich auf eine Kette unerhörter Begebenheiten zuläuft, bis der Lehrer Smutek sich schließlich in einer Gewaltorgie gegen seine Schüler rächt und befreit.


    Autorin


    Juli Zeh wurde 1974 in Bonn geboren und lebt in Leipzig. Sie ist ausgebildete Juristin.
    Ihren ersten Roman "Adler und Engel" veröffentlichte sie in 2001. Dieser Roman fand weltweit Beachtung und ist mittlerweile in 20 Sprachen übersetzt. "Die Stille ist ein Geräusch. Eine Fahrt durch Bosnien" erschien 2002.
    Für ihre Werke ist Juli Zeh mehrfach mit renommierten Literaturpreisen ausgezeichnet worden.


    Wertung


    Der Roman besticht durch eine stringente Handlung, außergewöhnliche Sprache und unerwartete Bilder. Er stellt althergebrachte Moralvorstellungen in Frage. Wertigkeiten und Wichtigkeiten werden vom nihilistischen Standpunkt aus beleuchtet. Ein Muß für Leser, die philosophische Ausflüge in Romanen schätzen. Es ist für mich eine der besten Neuerscheinungen des letzten Jahres.

  • Hört sich sehr interessant / brisant an. Finde das Buch aber sehr teuer und setze es daher nicht auf meine Wunschliste.
    Es scheint mir ein sehr aktueller zeitgenössischer Roman zu sein, der sich mit dem Problemen unserer Zeit befasst und auseinander setzt, sehe ich das Richtig ? Wenn ja, ist er vielleicht ja sein Geld werd und ich sollte ihn doch auf meine Wunschliste setzen.

    Gern lesen heißt, die einem im Leben zugeteilten Stunden der Langeweile gegen solche des Entzückens einzutauschen.
    (C.-L. de Montesquieu)

  • Hallo Gabi,


    wenn man bei amazon nach "Spieltrieb" sucht, erscheint auch eine broschierte Ausgabe für 10 Euro.


    Ich gab damals noch die fast 25 Euro aus, habe mich über diese Investition aber keineswegs geärgert. Das Buch ist wirklich eine Klasse für sich.


    Manche Kritiker schrieben zum Roman, daß er mit dem Drama im Erfurter Gymnasium abrechnet. Das wurde von der Autorin aber dementiert.
    Du vermutest richtig: Es ist ein zeitgenössischer Roman, in dem die aktuellen Fragen unserer Zeit eine Rolle spielen. Zudem liest er sich leicht und ist wirklich spannend.


    Lieben Gruß,


    die Fride.

  • Zitat

    Original von Friderike
    wenn man bei amazon nach "Spieltrieb" sucht, erscheint auch eine broschierte Ausgabe für 10 Euro.

    Endlich!
    Auf diese Taschenbuchausgabe warte ich schon sehnsüchtig, nachdem mich "Adler und Engel" und "Die Stille ist ein Geräusch" so begeistert haben.


    Ich finde auch ihre Sprache so schön!
    Fein, ich freu mich auf dieses Buch! :-)

    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das nicht allemal das Buch.
    Georg Christoph Lichtenberg

  • So, ich habe begonnen, bin auf Seite 90 und bis jetzt sehr begeistert. Ich würde gerne wenigstens über einen kleinen Teil der Zehschen Gedanken verfügen, so sehr beeindruckt mich ihr geistiges Universum. :-)

    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das nicht allemal das Buch.
    Georg Christoph Lichtenberg

  • Ja, Taschenbuch. Diese Gedankenwelt ist beeindruckend.


    Die ersten Seiten mußte ich ganz langsam und mit Fremdwörterbuch lesen, damit ich sie verstand.


    Aber im Laufe des Romans wird die Gedankenwelt spielerischer in die Handlung eingeflochten. Da kommt dann auch ein schöner Lesefluß auf.

  • Fertig - hingerissen - nicht alles verstanden.
    Ich halte mich nicht für schlau genug, alle philosophischen Reden, besonders gegen Schluss, wirklich verstanden zu haben, aber das Leseempfinden war trotzdem ein freudig geniessendes. Auf jeden Fall ist das ein Buch zum Wiederlesen!

    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das nicht allemal das Buch.
    Georg Christoph Lichtenberg

  • Metapherngewitter


    Die (vermeintlich) hyperintelligente Ada ist fünfzehn, hat zwei Klassen übersprungen, mußte aber die Schule wechseln, und jetzt ist sie am Bonner Ernst-Bloch-Gymnasium gelandet, wie auch Alev, der volljährige, hypersmarte Halbägypter, dessen Eloquenz einen jeden sofort in den Bann schlägt, und auch größer gewachsene Menschen kleiner erscheinen läßt, wie Zeh nicht müde wird, zu behaupten. Die beiden arrangieren sich auf obskure Art, irgendwo zwischen Verachtung, Respekt, Freundschaft und Abhängigkeit, und ihre selbstgesetzte Aufgabe wird das Spiel um die Vernichtung des freundlichen, polnischstämmigen Lehrers Szymon Smutek. Ada liefert die Geschosse, Alev schießt, und all das nur, weil die Langeweile des wertefreien Daseins kaum angemessene Beschäftigungen bietet für zwei so außerordentliche Sonderlinge, Archetypen einer Generation, wie Juli Zeh uns weiszumachen versucht.


    Denn der fast sechshundert Seiten starke Schmöker ist letztlich nur eines, nämlich eine metaphernüberfrachtete Selbstdarstellung der Autorin. Die Figuren funktionieren nicht und sind hanebüchen unglaubwürdig, die Handlung wird daherbehauptet, während Dialoge und szenische Darstellungen nur marginal belegen, was nach Autorinnenmeinung geschieht. Damit auch jene verstehen, denen die sperrige, überlastete Sprache so sehr im Weg steht, wie der "breitbeinige Donnerstag dem Freitag", liefert sie am Ende ein mehrseitiges Plädoyer der Protagonistin, in dem zum zigsten Mal unterstrichen wird, was der totale Werteverlust zur Folge hat, haben wird: Eine Spaß- und Spielgesellschaft ohne Tabus. Das mag auch alles noch angehen, aber die zehsche Sprache verklebt diese philosophische und inhaltlich durchaus intelligente Collage zu einem ungenießbaren, breiigen Monster, das ausschließlich Widerwillen auslöst.

  • Zitat

    Original von Tom


    Denn der fast sechshundert Seiten starke Schmöker ist letztlich nur eines, nämlich eine metaphernüberfrachtete Selbstdarstellung der Autorin. Die Figuren funktionieren nicht und sind hanebüchen unglaubwürdig, die Handlung wird daherbehauptet, während Dialoge und szenische Darstellungen nur marginal belegen, was nach Autorinnenmeinung geschieht.


    Der Kandidat hat 100 Punkte! Diese Analyse trifft es wirklich zu 100 %. Ohne dieses Buch hätte der Menschheit wirklich nichts gefehlt.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.