Der Kaufhaus-König und die Schöne im Tessin. Max Emden und die Brissago-Inseln - Francesco Welti

  • Kurzbeschreibung
    Als braungebrannter Millionär, der in den 30er-Jahren mit seinem schnittigen Motorboot voller junger Grazien den Lago Maggiore durchpflügte, ist Max Emden (1874 1940) im Tessin in Erinnerung geblieben. Vergessen ist, wie der Hamburger Kaufhaus-Pionier zuvor sein Imperium aufbaute, das selbst mit Tietz-Hertie und Karstadt wetteiferte. 1927 hatte Emden genug vom Hamburger Schmuddelwetter und zog ins Tessin, wo er fortan mit einer rätselhaften Schönen auf seiner Insel vor Ascona lebte. Francesco Weltis Buch ist sechzig Jahre nachdem die Brissago-Inseln fürs Publikum geöffnet wurden die erste Biografie des exzentrischen Hamburger Grosskaufmanns. Sie lüftet natürlich auch das Geheimnis der jungen Schönen an der Seite des Kunstsammlers und Multimillionärs.


    Über den Autor
    Francesco Welti, geboren 1965 in Bellinzona, aufgewachsen in Kreuzlingen. Parallel zum Studium in Konstanz ab 1988 als Journalist im Thurgau tätig. 1992 Übernahme des damaligen Pressebüros Thurgau mit zwei Partnern, 1996 als Redaktor zur Tessiner Zeitung nach Locarno, 1999 2000 bei der Nachrichtenagentur sda im Büro Lugano, danach Chefredaktor der Tessiner Zeitung, heute als Korrespondent für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften und als Weinbauer in Minusio TI tätig.


    Eigene Meinung
    Jener dreiste Kunstraub vor 2 Jahren in Zürich, bei welchem einige Bilder im Werte von Millionen aus der <Sammlung Bührle> verschwanden, war die Initialzündung zu diesem Buch….denn eines der gestohlenen Bilder gehörte einst Max Emden, dem Herrscher über die Brissago-Inseln. Es handelt sich dabei um ein Werk von Monet: DAS MOHNFELD VON VETHEUIL


    Als ich Anfangs 70er-Jahre in die Südschweiz zog, da war Max Emden schon seit 30 Jahren tot. Doch die Geschichten über ihn, über seinen unermesslichen Reichtum, die Scharen nackter junger Frauen die sich auf seinen Inseln getummelt hätten, und über seine junge Geliebte, dem „Würstchen“, (diesen Kosenamen gab ihr Emden, soll eine Ableitung sein von Hanswurst) die spukten noch immer durch die Köpfe der Einheimischen….


    Max Emden war einst einer der grössten Kaufhaus-Pioniere Deutschlands. Spannend zu lesen, wie er sein Imperium immer weiter und weiter ausbaute, immer reicher und reicher wurde, …..doch gegen Ende der 20er-Jahre hatte er die Nase voll von der strengen Arbeit, verkaufte einen Teil seiner Geschäfte, die anderen verpachtete er, zog in den Süden der Schweiz und wollte das Leben geniessen.
    Er kaufte die Brissago-Inseln, baute sich auf der grösseren ein wunderbares Haus, umgeben von einem subtropischen Park.
    Die Brissago-Inseln liegen nur etwa 800 m. vom Ufer entfernt. Die nächste Schiffanlagestelle des Festlandes ist Porto Ronco. Dort liess sich wenige Jahre später ein anderer berühmter Deutscher nieder: E. M. Remarque.


    Die beiden Männer verband ihre Begeisterung für teure Weine - Max Emden trank nur sehr mässig, Remarque trank „saumässig“ :grin – und für Bilder grosser französischer Meister. So standen sie wohl einigemale mit einem Glas exquisitem Rotwein in der Hand fachsimpelnd vor Monets MOHNFELD....

    Emden war jüdischer Abstammung, und als die Nazis an die Macht kamen, wurden seine Grundstücke und Häuser in Deutschland, Schweden, Ungarn etc. nach und nach „arisiert“….Er kämpfte von der Schweiz aus gegen dieses Unrecht, beschäftigte ein Heer von Anwälten, doch er konnte nichts ausrichten. Seine Einnahmequellen versiegten, die Millionen schrumpften…..er fühlte sich gezwungen, einen Teil seiner Bildersammlung und anderer Kunstgegenstände zu verkaufen, den Grossteil weit unter ihrem Wert, denn die Zeiten standen schlecht für den Kunsthandel.

    Emden, zermürbt von diesen Kämpfen wurde schwer herzkrank, er musste sogar seinen geliebten Golfsport aufgeben. Er, der sowieso eher ein introvertierter Mann war, wurde immer verbitterter und zog sich mehr und mehr aus dem gesellschaftlichen Leben zurück……
    In den Tagebüchern Remarques ist dazu folgender Vermerk zu finden:
    19. Dez. 1938, Porto Ronco
    Am 16. Abends zu Emden essen auf die Insel. [……] Emden nervös. Die Millionärskrankheit. Angst vor Verarmen, Krieg etc. [……] Emden will seine Bilder verkaufen. Zu teuer. 20‘000 Pfd. Ich soff mir einen an, aus Unbehagen und anderen Gründen mit. Guten 21er Wein. Er wollte schon keinen mehr rausrücken. Klinisches Bild. Hat vielleicht 15 – 25 Millionen, ist über 60, u. nur weil er in Deutschland u. Danzig, bezw. in Budapest seine Einnahmen verliert, verliert er den Kopf dazu. Ist Schweizer dazu. Als wenn man nicht vom Kapital leben könnte. Später noch eine Flasche bei mir getrunken….


    Zwei Jahre später, in seinem Exil in Amerika schreibt Remarque in sein Tagebuch:
    24. Aug. 1940. Westwood, Los Angeles
    [……] Brief von Carla Vitelleschi. Emden tot. Was hat er nun von all seiner Angst gehabt! Trifft mich; - er wollte so gerne schön leben. Und hatte alles dafür, nur nicht das furchtlose Herz.
    Man braucht ein starkes Herz, um ohne Wurzel zu leben.


    Remarque ist 30 Jahre später in derselben Klinik gestorben wie Emden, in der Clinica Sant'Agnese oberhalb Locarno….ich bin in meinen Tessiner Jahren unzählige Male an dieser Klinik vorbeigekommen, hatte aber damals noch keine Ahnung davon, an was für einem „geschichtsträchtigen“ Haus ich da vorbeispazierte….


    Beide liegen sie auch auf demselben Friedhof begraben, auf dem Friedhof in Ronco, hoch über dem Lago Maggiore gelegen, und von wo aus man einen herrlichen Blick hat, weit über den See und auf die Brissago- Inseln, die aussehen wie zwei grüne Schiffe, die auf dem Wasser treiben….


    Die langjährige Geliebte Emdens, das „Würstchen“, die nicht nur die schönen, sondern auch die schweren letzten Jahre seines Lebens mit ihm geteilt hat, musste das Haus sofort verlassen.... sie hat die Inseln zeit ihres Lebens nie mehr betreten.
    Der einzige Nachkomme Max Emdens, sein Sohn Hans Erich befand sich selber immer wieder auf der Flucht vor den Nazis, und durfte als Staatenloser sich nicht für längere Zeit in der Schweiz aufhalten.
    So blieb dieser herrliche Besitz über Jahre verlassen und unbewohnt ….die verbliebenen Gemälde verschwanden nach und nach von den Wänden. Heute kann oder will niemand mehr wissen, wer sie einst weggenommen hat und wohin sie alle gekommen sind….


    Ich könnte mir vorstellen, dass jemand, der bisher keine Ahnung hatte von Emden und seiner Lebensgeschichte, anfangs etwas Mühe haben könnte, sich im Buch zurecht zu finden, denn es gibt einige abrupte Szenenwechsel. Manche geschichtlichen Hintergründe sind für meine Begriffe etwas zu langatmig geraten. Es lohnt sich aber dranzubleiben, denn man erfährt somit ganz Erstaunliches, profund Recherchiertes über die Geschäftswelten im ersten Viertels des 20. Jahrhunderts, ebensolches auch über die sonderbaren Gepflogenheiten des Kunsthandels und über die Ränkespiele der Nazis, mit denen sie jegliche Rechte jüdischer Mitbürger ausgeschaltet haben, um ihnen ihre Geschäfte wegnehmen und „arisieren“ zu können.
    Auch ist vieles zu erfahren über die Zeit nach dem Krieg, wie dann die Kämpfe der Nachkommen weitergingen - in diesem speziellen Falle des Sohnes Max Emdens - um ihre Ansprüche an die einstigen Besitztümer ihrer Vorfahren geltend zu machen. Der Sohn Max Emdens hatte 3 Söhne, die sind noch heute am kämpfen, vor allem auch um jene kostbaren Gemälde, die auf oft undurchschaubaren trüben Wegen zum Teil in die Sammlungen der Nazis gerieten – selbst Hitler besass das eine und andere Bild aus Emdens Sammlung – und heute hängen sie verstreut über den ganzen Erdball in Museen und in den Sammlungen der Superreichen…..
    Im Falle von Monets MOHNFELD hing das Bild brisanterweise bei einem, welcher als einer der grössten Kriegsgewinnler der Schweiz galt, nämlich bei Bühre, seines Zeichens Waffenlieferant der Nazis.

    Sorry, meine Buchbesprechung ist mal wieder lang geworden….aber ich habe einfach meiner Begeisterung freien Lauf gelassen, endlich mal etwas Genaueres über den Max Emden zu erfahren, und vor allem auch, wie es denn nach dem Tod von Emden mit dem „Würstchen“ weiterging….
    Es gibt einiges an Fotomaterial in diesem Buch, sogar vom "Würstchen", denn von ihr habe ich glaubs bis anhin noch nie ein Foto zu Gesicht bekommen....


    MONET: DAS MOHNFELD BEI VETHEUIL
    Monets MOHNFELD mit Erblast
    Die Brissago-Inseln
    Das Kurhaus (einst Klinik) Sant'Agnese

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  • Von Francesco Welti gibt es übrigens noch ein weiteres Buch über eine beachtenswerte Persönlichkeit die sich einstens im Tessin niedergelassen hat.... eine jener Persönlichkeiten, die wegweisend eingegriffen hat in die Entwicklung Asconas: Eduard von der Heydt.


    Doch eigenartigerweise reizt es mich nicht sonderlich, genau genommen üüüberhaut nicht, die Vita des Herrn v. der Heydt eingehender zu durchforschen....denn praktisch alles, was ich bisher über ihn mitbekommen habe, erschien mir ziiiemlich langweilig....


    Vielleicht hat ja irgendjemand von den Eulen das untenstehende Buch gelesen und kann mich eines Besseren belehren....wobei, meine Hoffnung ist ehrlich gesagt, so gut wie NULL ... :grin


    Kurzbeschreibung
    Die lange als geheim behandelte Akte "Eduard von der Heydt" bereitete dem Schweizer Bundesrat Kopfzerbrechen und machte den Baron in den Augen Eingeweihter zur Unperson. Der Journalist Francesco Welti ist in jahrelanger Arbeit unzähligen Dokumenten aus in- und ausländischen Archiven nach-gegangen und erzählt die atemberaubende Geschichte, eng angelehnt an Verhörprotokolle und Gerichtsakten.
    Wuppertal - London - Amsterdam - Zürich - Ascona... In einem spannend geschriebenen Report rollt Welti die Hintergründe eines Prozesses auf, der die Kunst-Welt erschütterte und die Politik ins Wanken brachte. Der Privatbanquier, Hotelbesitzer und Kunstmäzen geht durch die dunkelsten Zeiten seines Lebens.
    An alles hat er lange gedacht, aber nie an die Möglichkeit, dass sein reich beschenktes Gastland sich dereinst als so undankbar erweisen sollte. Doch da ist nicht nur seine braune Vergangenheit, die ihn in den Tagen der Untersuchungshaft verfolgt. Die Ermittlungsbeamten haben sich vorgenommen, bei der Aufklärung des Falles "von der Heydt und Konsorten" ganze Arbeit zu leisten. Das Räderwerk der Justiz beginnt anzulaufen...

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  • Guten Morgen Herr Palomar, guten Morgen Salonlöwin....


    ich muss Euch einfach warnen - solltet Ihr Euch nämlich dafür entschliessen, Euch auf Bücher einzulassen, die das Dörfchen Ascona und seine ehemaligen Bewohner betrifft - Ascona übt einen magischen Reiz aus, es gibt in seiner Nähe sogar einen Kraftort....irgendwann packt Euch die Ascona-Mania und Euer SuB wird wachsen und wachsen.... :grin


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Das Buch vom Kaffeehauskönig hört sich ja wirklich sehr interessant an! :-)


    Der Emden war KAUFHAUS:grin-König....er hat damals, bevor er in das Tessin zog, seine Geschäfte glaubs grösstenteils an Karlstadt verkauft. (Bin mir aber nicht mehr sicher, ist ja schliesslich schon 2 Wochen her, seit ich das Buch gelesen habe. Gott, was bin ich vergesslich geworden. :-()

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  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Kaufhaus gedacht, aber Kaffeehaus geschrieben.
    Das kann kein Zufall sein.
    Offenbar bestimmt mein Unterbewusstsein, was ich mehr schätze! :grin


    Herr Palomar....wie gut ich das nachvollziehen kann. Auch ich ziehe Aufenthalte in einem Kaffeehaus um ein Vielfaches vor, vorausgesetzt natürlich, es gibt noch was anderes dort zu trinken als nur Kaffee.... :grin

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  • @ Joan:
    Eigentlich waren es die Buzzwords Sammlung Bührle (auf die ich immer noch böse bin, weil ich genau am Ende ihrer Öffnungszeiten vor ihrer Tür stand und Zürcher Museumsangestellte offenbar wie ein Schweizer Uhrwerk ticken und man mir das auch eindeutig zu verstehen gab :gruebel), Kunstraub und das Tessin.
    Wenn es dann noch um einen Bohème geht, denn m.E. kann man diesen Kaffeehauskönig durchaus als Lebemann bezeichnen, dann sind Beuteschemakriterien erfüllt. Im übrigen hätte ich dann für "Einmal um die Welt"
    die Schweiz abgehakt.

  • Salonlöwin....die Schweizer sind wirklich regelrechte "Tüpflischisser" (= Korithenkacker) wenn es um Pünktlichkeit geht. :rolleyes....in Deinem Fall hatte das Nachteile, manchmal hat das aber doch auch Vorteile....



    Zitat

    Original von Salonlöwin
    Wenn es dann noch um einen Bohème geht, denn m.E. kann man diesen Kaffeehauskönig durchaus als Lebemann bezeichnen,


    Wie ich sehe, geht auch die Salonlöwin lieber ins Kaffeehaus als ins Kaufhaus.... :lache

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